Agressiver Onlineshop Amazon

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(24. September 2008 – ga/ds) Amazon.com hat eine neue Richtlinie eingeführt, die Publisher dazu zwingt, Amazons eigenen Print-on-Demand Dienst zu nutzen, anstatt Drittanbieter wie „LightningSource“ für die Buchproduktion auszuwählen. Da ist es kein Wunder, dass Buch-Publisher jetzt Sturm laufen und sich dagegen wehren (wollen).

Bis heute war der gebräuchlichste Weg für US-Publisher die ein Buch „On Demand“ drucken wollten, dies über LightningSource zu tun. LightningSource produziert mit seinen schnellen Roll-Fed Digitaldruckern (hauptsächlich von Océ) in seinen zwei Standorten über 1,5 Millionen POD (Print-on-Demand) Bücher pro Monat. Im Schnitt werden pro Buch 1,8 Kopien gedruckt. An dieser Zahl sieht man, dass auch viele Einzelbücher gedruckt werden.

Die Bücher die LightningSource druckt, werden auf einer Vielzahl von Wegen verkauft: Über Webseiten, in Buchläden und im Einzelhandel – jedoch werden viele über den Onlinehändler Amazon.com verkauft. Vor allem viele kleine Publisher, die ihre Bücher via POD drucken, verkaufen den größten Teil über Amazon.com. Sie sind außerdem eine der Hauptgruppen und somit Haupteinnahmequellen für LightningSource.

Im März hat Amazon eine neue Richtlinie eingeführt, die dieses Verhältnis zu kippen droht. Denn Amazon hat eine Tochterfirma, BookSurge. Verständlich, dass die gepushed werden soll. Denn auch diese Firma bietet POD Buchdruck an. Und BookSurge möchte die Aufträge haben, die aktuell noch über LightningSource abgearbeitet werden. Amazon droht nun damit, Bücher die über andere POD-Dienste als BookSurge gedruckt wurden, nicht mehr zu verkaufen. Noch ist nicht klar, ob Amazon mit allem Publishern so umspringen will. Bis jetzt wurde die neue Richtlinie nur bei größeren Firmen wie iUniverse, Xlibris, und Lulu durchgesetzt.

Um die Richtlinie zu erzwingen, hat Amazon den „Buy Now“ Button von den betroffenen Büchern der gerade genannten Publisher entfernt. Ohne diesen Button sind die Bücher zwar noch über Drittanbieter erhältlich, aber nicht mehr über Amazon direkt. Des Weiteren, und das macht das Ganze wohl noch schlimmer, sind die Bücher auch aus Amazons Marketingprogrammen ausgeschlossen, darunter “Search Inside the Book”, “Better Together” (Sonderpreise für zusammengehörende Bücher) und kostenloser Versand bei einem Warenwert von über $25.

Viele, meist kleinere, Publisher sind nun besorgt und ängstlich zugleich und suchen nach Wegen, Amazon von seinen Plänen wieder abzubringen. Denn wenn die Publisher zum POD Dienst von BookSurge wechseln, bekommen sie einen kleineren Anteil am Verkaufspreis. Außerdem hat BookSurge zu allem Übel noch andere Formatbestimmungen und daher muss viel Zeit und Geld in eine Umwandelung der LightningSource Titel ins BookSurge Format gesteckt werden. Zu guter Letzt müssten neue Bücher in beiden Formaten produziert werden, da LightningSource Bücher von Ingram – dem wichtigsten US-Buchgroßhändler – vertrieben werden. Für Amazon müssten aber eben Bücher im BookSurge Format gedruckt werden. Dies wiederrum würde zu höheren Buchpreisen führen, was wiederrum zu einem Aussterben von kleineren Publishern führen könnte.

Die Vorteile seines BookSurge sieht Amazon darin, dass Bücher direkt im Haus gedruckt werden und man so besseren Service bieten kann. Doch dies scheint, wenn man sich die Meinungen der Publisher ansieht, nicht der Fall zu sein. Die Qualität von BookSurge ist nicht immer zufriedenstellend. Der größte Kritikpunkt aber ist, dass Amazon seine quasi Monopolstellung im Onlineverkauf von Büchern nicht ausnutzen darf, um seine eigene Dienste auf zu erzwingen. Verständlich, dass Amazon durch seine Richtlinie ersten Gerichtsprozessen und Vertrauensbruch-Vorwürfen gegenüber steht.

Ingram Industries, der größte US-Buchhändler, denen LightningSource gehört, könnte seinen Einfluss geltend machen und Amazon zu einem Einlenken bewegen. Denn: Amazon bezieht viele seiner Bücher von Ingram. Doch bis jetzt hat sich Ingram öffentlich nicht zu dem Konflikt geäußert und scheint keine Stellung zu beziehen – zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Was hinter den Kulissen passiert, darüber kann nur spekuliert werden.

Wir sehen Amazons aggressive Richtlinie als schlechtes Zeichen für Publisher und LightningSource. Und Amazon könnte sich damit durchaus ins eigene Fleisch schneiden: Denn es wird Publisher geben, die bei LightningSurce bleiben wollen und sich andere Onlinevertriebswege für ihre Bücher suchen.

Das Ende des Lieds wird sein, dass Bücher kleinerer Publisher teurer und schwerer zu finden sein werden. Schlecht für die Kunden und die Publisher. Amazons Kurzsichtigkeit, gute Beziehungen mit den Publishern aufs Spiel zu setzen, könnte dem Konzern teuer zu stehen kommen, wenn die Publisher beginnen, Amazon davon zu laufen. Amazon braucht die guten Beziehungen, wenn die Firma sein eBook-Gerät „Kindle“ weiterhin erfolgreich verkaufen möchte. Mit dieser neuen Richtlinie, schlägt Amazon jedoch einen falschen Weg ein.

 

Gründer und CEO von zipcon consulting GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen für die Druck- und Medienindustrie in Mitteleuropa. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater und sein Team aktiv die praktische Umsetzung. Er entwickelt Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure der unterschiedlichsten Branchen. Seine Fachgebiete sind u.a. Online-Print, Mass Customization, Strategie- und Technologie Assessment für Print, sowie die Entwicklung neuer Strategien im Print- und Mediaumfeld. Bernd Zipper ist Initiator und Vorsitzender der Initiative Online Print e.V. und neben seiner Beratertätigkeit Autor, Dozent sowie gefragter Referent, Redner und Moderator. Seine visionären Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen für die Druck- und Medienindustrie. (Profile auch bei Xing, LinkedIn).

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