Die ein wenig aus den Augen geratene Cebit positioniert sich gerade neu: Nur Fachbesucher, mehr Unternehmensfokus. Im Visier sind dabei neben Telekommunikation und Informationstechnologie auch klassische Industrieunternehmen. Ich meine, letztere sollten die Druckdienstleister ebenfalls mehr ins Visier nehmen – auch, um die Abhängigkeit der Branche vom Werbekuchen zu begrenzen. Aber nicht nur das. Denn der vierte Paradigmenwechsel in der industriellen Fertigung ist in weiten Teilen etwas, das die Druckbranche schon vorweg genommen hat.
Nach Industrialisierung (Industrie 1.0, Mechanisierung), Massenfertigung (Industrie 2.0 und weit vorher der Druck), Digitalisierung (Industrie 3.0 und Druckbranche seit DTP-Zeiten) steht die Industrie in einer vierten prägenden Wechselphase. Das Schlagwort dazu ist Industrie 4.0. Gemeint ist hier die Smarte Fabrik, die via Informationstechnologie mitdenkt, sich anpasst, Ressourcen effizient einsetzt und sich mit Kunden und Partnern im Internet vernetzt. Das kommt mir doch bekannt vor.
Denn das passiert schließlich auch alles in einem erfolgreichen E-Business Print. Druckdienstleister haben ein extrem breites Potential an Produktportfolio, sind durchdigitalisiert, können je Auftrag und bis hin zum Unikat individuell fertigen, automatisieren Produktionsprozesse, nutzen Ressourcen zunehmend effizient – Stichwort Sammelbögen, aber auch energetische Kreisläufe – und sind mit Kunden und Partnern in einem E-Business-Modell vernetzt bis hin zur Self-Service-Generierung von Produktionsaufträgen. Hat da jemand was von altmodischer Druckindustrie gesagt?
Als Industrie-Dienstleister ist die Druckbranche gut aufgestellt – hat da jemand was von altmodisch gesagt?
– Bernd Zipper
Als Industrie-Dienstleister sehe ich die Druckbranche also ganz schön gut aufgestellt, um sich mehr mit Industriekunden zu vernetzen. Worauf große Teile der Industrie sich jetzt hinbewegen – das Zusammenwachsen von Fertigung und Internet – ist in den vorhandenen E-Business Print Angeboten der Druckbranche bereits umgesetzt. Das kann auch folgende Aussage bestärken: „Der Begriff Industrie 4.0 beschreibt den grundlegenden Paradigmenwechsel … mit dem Ziel einer hochflexiblen Produktion individualisierter, digital veredelter Produkte und Dienste.“ Hochflexibel, individualisiert, digital veredelt – das ist doch ein Matching für E-Business Print par excellence! Die zitierte Aussage und Zieldefinition stammt übrigens vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

Der ITK-Branchenverband Bitkom hat gerade auf der Cebit Zahlen zum Thema Industrie 4.0 vorgestellt. Demnach ist die deutschsprachige Industrie für Industrie 4.0 nach einer Umfrage unter Informationstechnologie-Anbietern weltweit gut aufgestellt und in einer Spitzenposition. Anderswo legen Länder wie Großbritannien oder Südkorea eigene Programme unter der Flagge Industrie 4.0 auf, um die Industrie zu stärken oder gar eine Re-Industrialisierung zu fördern. Ich meine, das sollte auch mehr auf die Agenda der hiesigen Politik rücken.
Aber zurück zu den Chancen, die ich für die Druckbranche in diesem Kontext sehe. Eindeutig entstehen Vorteile für den Verpackungsdruck, jedoch eben nicht im Bereich Massenauflage, sondern vielmehr im Bereich kleinerer und schnell angepasster Auflagen.

Im Zusammenhang mit Industrie 4.0 fällt oft das Stichwort Druck, allerdings als 3D-Druck. Das ist die zweite große Chance für die Druckbranche, die aber mehrheitlich noch keine Geschäftsmodelle in diesem wenig artverwandten „Druck“ sieht.
Aber (dritte Chance) Druck „beyond paper“ wird seinen Anteil ausbauen, zumindest was das Be-Drucken von Produkten betrifft. Besonders das Personalisieren („mass customization“) durch Bedrucken wird an Bedeutung gewinnen. Daneben wächst auch das Umsatzvolumen beim funktionalen Drucken. (Chancen 2 und 3 dürften auf der neuen Messe InPrint, im April ebenfalls in Hannover, gut adressiert sein.)
Und viertens werden Druckdienstleister, die die Industrie bei Time-to-market unterstützen können, profitieren. Also (siehe oben) die, die sich gut vernetzen können, hochflexibel sind und hoch individualisiert fertigen.
Den Akteuren der Druckbranche kann ich abschließend nur raten, diese Industrie-4.0-Befähigung auch zu kommunizieren – frei nach dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber“. Print und Online geht zusammen, aber eben anders, als es all diese Print-is-dead-Apologeten je verstehen werden.
DiscussionEin Kommentar
Interessanter Beitrag. Denke auch, dass die Akteure der Printbranche grundsätzlich gut aufgestellt sind. Die Herausforderung sehe ich aber nicht bei der Technik, sondern bei der Kommunikation der Leistungen: Es gilt diese auch auf den richtigen Kanälen und Plattformen entsprechend zu platzieren/positionieren. Im Vordergrund müssen dabei Lösungen (z. B. Multichannel) mit einem entsprechenden Zusatznutzen und Mehrwert stehen um Interessenten zu gewinnen. Kunden erwarten Lösungen und Erkenntnisse für ihre Bedürfnisse und Probleme.