Canva for Work: Good-enough-Design 2.0 für Grafik-Laien

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Über den australischen Startup Canva hatte ich bereits vor einem guten Jahr berichtet. Registrierte Anwender können auf dieser Plattform – ohne Design-Kenntnisse – eigene Designs entweder von Grunde auf anlegen oder sich editierbarer Vorlagen bedienen. Per Drag-and-drop werden Designelemente zusammengestellt, die von höherer Qualität sind allerdings kostenpflichtig. Die Grafiker und Layouter hat Canva dabei nicht ganz vergessen. Sie können Designvorlagen ähnlich wie bei Microstock-Bilderdiensten einstellen und an Verkäufen partizipieren.

Canva for Work: Wenn es schnell gehen muss, kommen auch Non-Designer zu akzeptablen Ergebnissen.
Canva for Work: Wenn es schnell gehen muss, kommen auch Non-Designer zu akzeptablen Ergebnissen.

Seit der ehemalige Apple-Evangelist und Social-Media-Lautsprecher Guy Kawasaki bei Canva einstieg (als Investor und Promoter) konnte die australische Firma über vier Millionen registrierte Nutzer verzeichnen, wobei ein beträchtlicher Prozentsatz berufliche Anwender sind, die damit schnell Visuals für ihre schnelllebigen Social-Media-Kanäle und Präsentationen erstellen. Nun hat die Firma ihr Geschäftsmodell erweitert und „Canva for Work“ gestartet. Der neue, subskriptionspflichtige Service wendet sich an die berufliche Anwenderschaft und erlaubt auch das Arbeiten im Team („Team Stream“). In eigenen Ordern („Brand Kits“) lassen sich Bildmaterial und Grafiken organisieren und Logos der Firma verwalten. Zudem können Farbschemen angelegt und eigene (in Canva erzeugte) Vorlagen gespeichert werden. Die Grundidee scheint zu sein, dass alle Visuals, für deren Einsatzzweck die Beauftragung eines Grafikprofis zu teuer oder zu kurzfristig ist, als DIY (Do it yourself) den Firmenkunden selber zur Gestaltung zu überlassen.

Der Design-Prozess für Nicht-Designer ist überraschend einfach, das ist eindeutig eine Stärke des Services. Und es geht oftmals schnell von der Hand. Für die ursprünglichen Einsatzzwecke als Webdesign (etwa Blog- oder Social-Media-Grafiken) war das ganz ok, und auf beyond-print und seine angeschlossenen Social-Media-Kanäle kamen in Canva erzeugte Grafiken ein paar Mal zum Einsatz. Nun wagt sich Canva also an einen Premium-Service und verspricht für diesen in Zukunft auch das Hochladen eigener Fonts und transparenter Hintergründe.

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„Canva for Work ist „gut genug“ für schnelles Webdesign von Nicht-Profis, aber nicht für Druckvorlagen.“ – Bernd Zipper

Dabei tappt Canva aber in das RGB-CMYK-Dilemma. Die avisierte Anwenderschaft dürfte kaum den Unterschied zwischen den additiven und subtraktiven Farbräumen kennen – und soll es nach dem Canva-Konzept auch nicht lernen müssen. Doch in der beruflichen Nutzung landet man doch schnell bei der Druckausgabe (Visitenkarten, Broschüren) beziehungsweise bei Designelementen, die wie Logos oftmals nur als CMYK-Version vorliegen. PDFs für die Druckausgabe konnte Canva schon vor einem Jahr erzeugen, wenn auch mehr schlecht als recht. Farben lassen sich auch in Canva for Work nur als RGB-Hexadezimalcode definieren und Farbmanagement ist selbstredend Fehlanzeige. Das wäre bei der Zielgruppe nun aber auch „zu professionell“ – und die darf sich dann, sollte jemand jemals Canva-for-Work-Designs an eine Online-Druckerei schicken, regelmäßig über Farbinkonsistenzen wundern.

Auch für Druckvorlagen-Zielformate wie Flyer, Speisekarten oder selbst Poster bietet Canva for Work seine Magic-Resize-Funktion an.
Auch für Druckvorlagen-Zielformate wie Flyer, Speisekarten oder selbst Poster bietet Canva for Work seine Magic-Resize-Funktion an.

Eine weitere Stolperfalle ist das von Canva herausgestellte Feature der Skalierbarkeit von Designs, was die Firma „Magic Resize“ getauft hat. Das funktioniert gut und beherrscht auch Änderungen der Breiten-/Höhenorientierung. Damit lassen sich Grafiken schnell für verschiedene Social-Media-Kanäle oder Bildschirmpräsentationen anpassen. Aber eben nur in diesem Rahmen und optimaler Weise nur für Vektorgrafiken und Schriften. Wer eine Web-Grafik für eine Druckausgabe anpassen will, dürfte spätestens beim Einsatz von Designs mit Pixelbildern sein blaues Wunder erleben. He, aber dafür bietet Canva beispielsweise die Designvorlage „Poster“ an – skalieren Sie mal eine 600 Pixel breite Grafik auf Postermaße…

Mich erinnert das Bemühen von Canva um die berufliche Nicht-Designer-Anwendergruppe an das legendäre „good enough“, das besonders in den USA in der Einführungsphase des DTP im letzten Jahrhundert propagiert wurde. Und die Einbindung von Onlineprint-Services hat Canva wohl noch nicht einmal als Plan in der Schublade, obwohl das gerade bei einer beruflichen Anwenderschaft naheliegend wäre. Grafiker/Layouter, die in die Verlegenheit kommen werden, für ihre Kunden in Canva for Work Designvorlagen anzulegen, werden (wenn sie einigermaßen schlau sind) das Erzeugen von Druckvorlagen schlichtweg verweigern. Immerhin will Canva in Zukunft Layouter und Grafiker weiter einbinden und diese mit potentiellen Kunden in einem „Experts“-Programm verbinden.

Um hier nicht missverstanden zu werden: Ich finde den Ansatz von Canva für Designs aus Laien-Händen für Bildschirmwiedergabe wie bei Social Media oder als Blog-Grafiken durchaus gut. Aber von Druckvorlagen sollten die Australier erst mal die Hände lassen, selbst wenn sie für Bürodrucker gedacht sind. Der Fokus auf Web-Designs alleine würde schon lohnen, wächst hier doch der Bedarf an visuellen Inhalten stark an. Das Vorlagen-basierte Geschäft für Druckausgabe könnte Canva da ruhig anderen überlassen.

Gründer und CEO von zipcon consulting GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen für die Druck- und Medienindustrie in Mitteleuropa. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater und sein Team aktiv die praktische Umsetzung. Er entwickelt Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure der unterschiedlichsten Branchen. Seine Fachgebiete sind u.a. Online-Print, Mass Customization, Strategie- und Technologie Assessment für Print, sowie die Entwicklung neuer Strategien im Print- und Mediaumfeld. Bernd Zipper ist Initiator und Vorsitzender der Initiative Online Print e.V. und neben seiner Beratertätigkeit Autor, Dozent sowie gefragter Referent, Redner und Moderator. Seine visionären Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen für die Druck- und Medienindustrie. (Profile auch bei Xing, LinkedIn).

DiscussionEin Kommentar

  1. Ach Herr Zipper, fragen Sie doch mal Ihre Stammkundschaft aus der Onlinedruckerwelt welche Datenformate, Inhalte und Designs (sic!) die so den ganzen Tag zu Papier bringen…. Das ist das was Canvas ausgibt noch ziemlich weit vorne. Canvas ist ein guter frischer Ansatz. Wird was ;.)

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