Erst am 30.12.2016 wurde die Akquise von National Pen abgeschlossen. Jetzt verkauft Cimpress seine Fotodrucker an Gilde Buy Out Partners. Funktioniert so die Mass Customization Plattform?
Wiedermal steht Cimpress im Zusammenhang mit einem großen Deal Im Onlineprint-Business – diesmal aber nicht als Käufer, sondern als Verkäufer. Wie lässt sich das denn mit deren Ziel, Weltmarktführer im Mass Customization zu werden, vereinbaren? Wachstum durch Verkleinerung? Liest sich auf den ersten Blick „komisch“ – auf den zweiten auch. Da steckt doch ein etwas komplexeres Muster hinter dieser Transaktion. Grund genug für mich also, Hinter- und mögliche Beweggründe für den millionenschweren Deal nochmal etwas genauer zu betrachten.
Wie ist das Ganze zu bewerten?
Wer die Cimpress-Entwicklung in den letzten Jahren aufmerksam verfolgt hat, weiß, dass Cimpress viel Geld und Energie in den Ausbau der Mass Customization Plattform sowie weitere langfristige und zukunftssichernde Projekte gesteckt hat und wohl auch weiterhin machen wird. Nun verkauft die Nummer Eins im Onlinedruck eine ihrer ältesten Marken. Cimpress – damals noch als Vistaprint – hat das 2003 gegründete und auf Fotodruck und Fotobücher spezialisierte Print-Unternehmen Albelli mit Hauptsitz in den Niederlanden im Herbst 2011 gekauft und in etwa sechs Jahren die etablierte Marke noch stärker gemacht. Damals lag der Kaufpreis bei etwa 60 Millionen USD, dem steht ein Verkaufspreis von etwa 90 Millionen USD heute gegenüber. Dass Cimpress Albumprinter und Co. in mehrjähriger Arbeit immer weiter ausgebaut hat, zeigt sich nicht zuletzt bei der Mitarbeiterzahl, die sich seit dem Erwerb 2011 von etwa 150 auf mehr als 290 nahezu verdoppelt hat. Damals dienten Know-how und Produktionskapazitäten in Sachen digitaler Fotoproduktion der Portfolioerweiterung des Mass-Customization-Spezialisten Vistaprint – dass der kürzliche Verkauf lediglich als „kleine finanzielle Stütze“ dienen soll, ist deshalb schwer vorstellbar.

Nun erstmal zum Käufer: Schwerpunktmäßig ist Gilde auf Unternehmen fokussiert, die in Benelux oder der D/A/CH-Region ansässig und bereits etabliert sind bzw. hohe Positionen im jeweiligen Markt einnehmen. Albumprinter passt demnach – auch geographisch gesehen – größtenteils ins Schema und im Hinblick auf ein maximales Investitionsvolumen von maximal 150 Millionen Euro seitens des Investors sowieso, da der Kaufpreis umgerechnet bei etwa 77 Millionen Euro liegt. Büros unterhält die Gruppe in Utrecht (NL), Zürich (CH), Brüssel (BE) und Frankfurt und investiert aktuell in Unternehmen aus den Bereichen Food (Eismann, Enkco), Textil (Koninklijke Ten Cate, Riri), Schmuck (Amor), Pharma (Oystershell) und Bildung (Comcave). Mit dem Online-Fotodrucker Albumprinter verbreitert Gilde sein Portfolio demnach deutlich – auch im Hinblick auf die geographische Lage, da zu Albumprinter/Albelli auch Marken in Skandinavien gehören.
„Zwei große Deals innerhalb eines halben Jahres, und zusätzlich die große Dezentralisierung der gesamten Gruppe – Cimpress sorgt in der Onlinedruck-Branche für Bewegung, die von vielen Marktteilnehmern gespannt verfolgt wird.“ – Bernd Zipper
Verrät denn ein Blick auf die Zahlen von Cimpress Näheres zu dem Verkauf? In den letzten acht Quartalsberichten von Cimpress, von Mitte 2015 bis Mitte 2017, verzeichnete der Bereich „All Other Businesses“, zu dem unter anderem auch Albumprinter mit den Einzelmarken Albelli, Bonusprint, Foto Knudsen und Önskefoto gehört, fünf von acht Mal einen im Vergleich zum Vorjahreswert errechneten Umsatzrückgang von bis zu 19 Prozent (währungsbereinigt). Das lässt aber weder auf eine schlechte Gesamtperformance von Cimpress in dieser Zeit schließen, noch lässt sich das zum Teil schlechtere Abschneiden des Geschäftsbereichs ausschließlich auf Albumprinter bzw. Albelli zurückführen. Denn in beiden genannten Geschäftsjahren hat der Umsatz des gesamten Konzerns durch organisches Wachstum und Zukäufe um jeweils etwa 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen. So ergab sich für das Cimpress-Geschäftsjahr 2017 (endete am 30. Juni 2017) ein Gesamtumsatz von mehr als 2,1 Milliarden USD, womit die Gruppe weiterhin Branchenprimus ist. Trotzdem scheint die von Cimpress vorgenommene Ausrichtung neben den jüngst veröffentlichten Zahlen aus dem Quartalsbericht und dem Verkauf des Fotodruckers Albelli bei dem ein oder anderen Investor für Verunsicherung gesorgt zu haben, was sich in einem Abfall der Aktie von mehr als zehn USD vom 26. auf den 27. Juli äußerte. Das Niveau von vor der Pressekonferenz wurde aber nach wenigen Tagen wieder erreicht.

Zumindest steht laut Robert Keane fest, dass Cimpress den Betrag von etwa 90 Millionen USD anderweitig investieren wird, z. B. in den weiteren Ausbau der MCP (die Cimpress-eigene Mass-Customization-Plattform), der Albelli und Co. in Zukunft als Fulfillment-Partner zur Verfügung stehen werden. Und dafür, dass die Zusammenarbeit einiger Cimpress-Marken mit Albelli in Sachen Fotodruck auch weiterhin funktionieren soll, wollen anscheinend beide Seiten sorgen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Cimpress zwar augenscheinlich eine starke Marke „verliert“, im Nachgang aber trotzdem durch das in den letzten sechs Jahren gewonnene Fotodruck-Know-how und die zukünftig weitere Zusammenarbeit mit Albelli und Co. hinzugewinnen wird. Denn Gilde will den expansiven Kurs der Fotodruck-Marken im B2C-Bereich weiter ausbauen – und Cimpress bleibt in Kontakt und profitiert womöglich via MCP. Denn so kann der Fotobereich „ausgelagert“ werden und an dezentrale Partner – im jeweiligen Land – vergeben werden. Da der Preiskampf gerade im Fotobuch- und Posterbereich recht heftig ist, wäre dies nur eine logische Konsequenz. So kann Cimpress künftig extern einkaufen und muss keine eigene Fotoprint-Produktion unterhalten. Partner gibt es ja genug. Man munkelt, dass über 100 Unternehmen dem Cimpress-Konzern zuliefern. Darunter viele Fotoprint-Spezialisten.
My Take: Das ist ein Deal, der für den Onlinedruck mehr bedeutet, als vielleicht auf den ersten Blick deutlich wird. Der Schritt von Cimpress, Albelli als starke Nummer im Fotoprint zu verkaufen, kam zwar etwas unerwartet, erscheint aber in Anbetracht der Entwicklung dieses Onlinedruck-Marktsegments nicht sinnlos. Immerhin war Albumprinter mitsamt der dazugehörenden Marken etwa sechs Jahre lang Teil des Cimpress-Pools – und in dieser Zeit wichtiger Lieferant für Cimpress im Hinblick auf Technik-Know-how im Fotodruck und zusätzlich Garant für wertvolle, europaweite Kundenzugänge. Die hat die Gruppe genutzt und ausgebaut. Was bleibt ist ein starker Partner, der auch weiterhin als Fulfiller an die Mass Customization Plattform angeschlossen ist. Ob der mächtige, verdächtig lange dauernde Ausbau der MCP den Besitz vieler Marken überflüssig macht, hängt von der Umsatzentwicklung ab und bleibt noch abzuwarten. Fest steht, dass die Plattform Merchants und Fulfiller gleichermaßen mit Cimpress zu verbinden vermag. Möglicherweise bleibt das im Jahr 2017 auch nicht die letzte Transaktion, die Cimpress in dieser Richtung tätigt.