Endlich wagt sich mal ein Onlinedrucker richtig an das Thema „Digitaler Rückkanal für Druckprodukte“. Mit seinem Paper+-Projekt zeigt sich die britische, aber international agierende Onlinedruckerei Moo.com innovativ. Seit kurzem liefert Moo.com als erste Produkte dieser Kategorie, Visitenkarten mit integriertem NFC-Chip aus. Ich habe es mir natürlich nicht entgehen lassen, diese besonderen Visitenkarten unter die Lupe zu nehmen.
Visitenkarten sind eines der bewährtesten und vertrautesten Netzwerk-Tools – und ein Druckprodukt. Selbst ausgesprochene Digital Natives können sie in der Regel aus der Tasche ziehen, um mit anderen Kontaktdaten auszutauschen. Gleichzeitig läuft heutzutage praktisch jeder mit einem Smartphone herum. Und bei diesen Mobiltelefonen wird Near Field Communication (NFC, Nahfeldkommunikation) immer mehr zum Standard. Unter neuen Android-Smartphones ab Mittelklasse gehört NFC-Fähigkeit zum guten Ton. Dazu sind auch etliche Blackberrys und Windows Phones mit NFC ausgestattet. Apple nutzt bei seinen neueren iPhones ebenfalls NFC, beschränkt dies allerdings noch auf die Zahlungsfunktion ApplePay. Ich meine, dass mit der Zeit diese Zugangsbeschränkung aber auch noch fallen wird.
Die Anwendung von NFC ist extrem simpel. Die Nahfeldkommunikation erfordert nur, dass zwei NFC-Devices (Smartphone, Drucker, Tablets, Spielkonsolen,… und eben NFC-Druckprodukte) miteinander in Kontakt kommen – und schon wird eine beabsichtigte Information ausgeliefert oder eine Aktion angestoßen. In vielen Bereichen besteht zwar eine Überschneidung mit dem Potential von QR-Codes, aber NFC ist einfach smarter – und erfordert weniger Aufwand beim Einsatz. Außerdem muss ein QR-Code gedruckt werden und sieht in den Augen vieler einfach hässlich aus. NFC-Informationen lassen sich aktualisieren. Ist die Visitenkarte bereits gedruckt, können also Informationen auf einen aktuellen Stand gebracht werden und die bereits ausgehändigte Visitenkarte wird zur aktualisierten Information weitergeleitet. Mit QR-Codes ist das eingeschränkt auch möglich, aber nicht so flexibel wie bei NFC.
„Das Netzwerk-Tool Visitenkarte gepaart mit Interaktivität schlägt die Brücke zu digitalen Mehrwerten.“ – Bernd Zipper
Nun aber zur Umsetzung von Moo.com: Seit einigen Jahren plante die Londoner Onlinedruckerei die Einführung von NFC-Druckprodukten zum Ordern im Onlinedruckshop. Damit war klar, dass Kleinauflagen möglich sein müssen, der Kunde die Herrschaft über die Gestaltung des Druckproduktdesigns hat und Moo.com auch eine Plattform zur Konfiguration, Speichern und Abruf der NFC-Aktionen bereitstellen muss. Die Aktionen selber sind also nicht auf dem NFC-Chip der Visitenkarte gespeichert. Stattdessen wird ein Ticket an die Plattform geschickt und von dort dann die jeweilige Aktion ausgelöst.
Seit Oktober 2015 hat die Firma nun als erstes Produkt der NFC-fähigen Druckprodukte Visitenkarten+ gelauncht, erst in Großbritannien, seit zwei Wochen auch international. Im Bestellprozess ändert sich zunächst nichts gegenüber normaler Visitenkarten, nur muss man sich von Anfang an mit Design-Varianten der zweiseitig bedruckten NFC-Visitenkarten beschäftigen, Grund: Eine der momentan zehn möglichen Aktionen wird je einer Design-Variante zugewiesen. Und wie gesagt, lassen sich die Zuweisungen nachträglich aktualisieren und tauschen.

Hier eine Übersicht der zurzeit möglichen Varianten:
- Link zur Website
Öffnet eine angegebene URL der Website oder Landing Page - vCard
Die digitale Visitenkarte mit Adressinformationen, Mail-Adresse, Website-URL und mehr. - Soziales Netzwerk verknüpfen
Zur Wahl stehen Facebook, Twitter, Youtube, LinkedIn und vier weitere Soziale Netzwerke, nicht aber Xing. - App promoten
Hier kann auf eine eigene App im Google Play Store weitergeleitet werden. - Drittanbieter-Verknüpfungen
Hier werden Aktionen angelegt, die direkt zu Drittanbietern führen: Citymapper (Standort und Wegbeschreibung anzeigen), Videochat starten mit Appear.in, Playlist auf Spotify anhören oder einen Termin über die Sunrise-App ausmachen. Auch LinkedIn taucht hier nochmal via Direktverknüpfung auf. - IFTTT
Das ist die Spielwiese mit „If This Then That“ oder kurz IFTTT. Hier kann man mit bedingten Anweisungen Aktionen auslösen – dabei ist alles Mögliche machbar und momentan sind 229 Internetkanäle in den verschiedensten Anwendungen wie Connected Home oder Productivity verknüpfbar.

In Sachen User Experience möchte ich nun noch keine Kritik üben, aber zu verbessern gibt es noch einiges. In der Anwendung haben aber alle von mir zugewiesenen Aktionen funktioniert, was ich und andere mit verschiedenen Smartphones testeten. Die Paper+-Plattform von Moo.com zeichnet auch die Anzahl der getätigten „Taps“ zwischen NFC-Visitenkarte und einem Device auf, mehr als die reine Zahl der Aktionen (beispielsweise von wem) ist aber nicht in Erfahrung zu bringen. Als Online-Plattform für die NFC-Aktionen nutzt Moo.com eine eigene Domain (moo.me) mit Server-Standort in London. Ach ja, bedruckt werden die interaktiven Visitenkarten im Digitaldruckverfahren.

Das Papier mit integriertem NFC bezieht Moo.com von Arjowiggins Creative Papers, es stammt aus deren Powercoat-Alive-Produktserie, die Ende 2014 eingeführt wurde. Der NFC-Schaltkreis ist bereits im Siebdruckverfahren auf Papier vorgedruckt, verwendet wird dazu die leitfähige Dupont 5064 Silberfarbe. Anschließend wird eine zweite Papierschicht auflaminiert. Laut Hersteller ist Powercoat Alive FSC-zertifiziert, biologisch abbaubar und recyclingfähig. Im eigenen Shop bietet Arjowiggins beispielsweise Bogenware mit 25 NFC-Schaltkreisen (PDF-Link zu den technischen Daten) für 175 Euro an. Moo.com wird es mit Sicherheit günstiger beziehen, dennoch sind die im Moo.com-Shop aufgerufenen Preise natürlich deutlich höher, als die von normalen Visitenkarten. 20 Visitenkarten+ kommen auf 35,69 Euro brutto (1,78 Euro pro Visitenkarte), dazu muss man die je nach Lieferzeit happigen Versandkosten rechnen. Die Preisgestaltung ist linear, auch bei größeren Mengen sinkt der Preis je Karte nicht.
Mein Eindruck: Mit Visitenkarten+ ist Moo.com eine insgesamt gelungene Markteinführung von interaktiven Visitenkarten gelungen. Die Layout-Gestaltung unterscheidet sich nicht von der für normale Visitenkarten und das Zuweisen der NFC-Aktionen ist gut in den Bestellvorgang integriert. Die Vielseitigkeit der möglichen Anwendungen eröffnen Moo.com mit seiner Paper+-Plattform Chancen in vielen Käuferschichten in B2B und B2C, beispielsweise mit interaktiven Postkarten. Noch ist Moo.com mit seinen interaktiven Druckprodukten ziemlich alleine im E-Business Print – schade, dass noch niemand aus dem großen Onlinedruckmarkt in Deutschland dies zuwege gebracht hat. Aber, da bin ich mir sicher, das wird sich bald ändern.