drupa 2008: Kennen Sie schon die Printender?

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(9. Juni 2008 – hgw) In der Wissenschaft weiß man es nur zu genau und verstößt dennoch oft genug gegen diese Regel: In der Frage liegt die Anwort begründet. Was heißt, wer falsch fragt, bekommt unbrauchbare Antworten oder Ergebnisse. Wer falsche Worte benutzt oder ihren Inhalt missdeutet, verfehlt Verständigung.

Denn ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns mit der Vokabel „Druckindustrie“ ein massiv dickes Brett vor den Kopf genagelt haben. Das den Blick auf die Realität völlig verdeckt. Erstens deshalb, weil wir so tun, als sei dies eine Industrie, die irgendwie noch definierbar sei. Ist sie nicht mehr (schon gar nicht dadurch, dass man den namensgebenden Vorgang damit meint, denn Papier bedrucken tun inzwischen ,alle‘ Menschen, ob beruflich oder privat). Und zweitens lenkt der Gedanke von der Realität weit ab, die „drupa“ sei eine Messe der (nicht definierbaren) Druckindustrie bzw. deren Hersteller, Anbieter von Systemen, Lösungen, Geräten, IT-Tools inklusive Software.

Die drupa 2008 ist geeignet, einen Wendepunkt zu markieren. Den ich gerne mit einem Wortspiel beschreiben möchte, dessen Ergebnis ich fortan zu verwenden gedenke. Die Drupa wendet sich nämlich an alle, alle!, die beabsichtigen zu drucken – oder drucken zu lassen. Auf gut Fach-Englisch: who intend to print; was zum Wort Print-Intender führt, oder modisch verkürzt: PRINTENDER.

Im Wortspiel, Wortwitz liegt eine explosive Revolution verborgen. Derjenige („der“ steht für alle, ob Personen oder Institutionen/Firmen), der be-/gedrucktes Papier braucht, hat mehr Möglichkeiten denn je. Es selbst zu drucken oder drucken zu lassen. Verschiedene Druckverfahren. Die unterschiedlichsten Möglichkeiten des Suchens oder Kontaktes mit den Dienstleistern. Zu automatisieren. Drucken mit digitalen Medien zu kombinieren. Die Inhalte zusammenzustellen, die Seitenmontage zu automatisieren. Überhaupt, man kann ehemalige Großauflagen zu kleinen Chargen mit verändertem Inhalt wandeln, auf verschiedenen Kontinenten drucken. Oder Druckseiten in digitale Files verwandeln, um sie erneut zu drucken (PDF). Es gibt Standards, die Qualität sichern und definieren. Und noch viel mehr.

So wie früher, dass man sagen kann, ein Druckauftrag läuft so und so ab, wird‘s nie mehr. Man kann fast schon keine Konditionen mehr für „normal“ definieren. Und das schließt ein, dass oft, immer mehr sogar die einstigen Kunden der ehemaligen Druckindustrie zu deren schärfster Konkurrenz werden – weil sie die Sache selbst in die Hand nehmen. Natürlich bleibt etliches für kommerzielle Drucker zu tun, dass man es genügend nennen kann, wäre allenfalls noch ein frommer Wunsch.

Printender sind das neue Klientel der drupa, der Fachzeitschriften und Kongresse, der Berater und Internet-Plattformen. Doch genau diese Offenheit oder Vielfalt, dieses an und für sich notwendige und Miteinander (trotz oder gerade wegen der neuen Konkurrenzverhältnisse) hat sich noch nicht etabliert. Es ist zu neu; es weckt Ängste; man weiß nicht genau, wie man es arrangieren soll. Erste gute Ansätze dazu gab es auf der drupa zu sehen. Formal durch den Cube, die Anlaufstelle für Personen aus dem Kreativbereich, die den Kontakt zur Technik suchen. Und dann natürlich ganz zentral und massiv im drupa innovation parc, der Halle 7.

Printender sind „wir alle“. Und deshalb ist es so schwer, eine Technik, Funktion, die Zusammenhänge in Kategorien wie „Vorteile“ und „Nachteile“, sinnvoll oder nicht brauchbar, zukunftsorientiert oder konservativ zu fassen – denn für wen, für welches Interessenspektrum oder Zielsetzung, für welche Art der Produktion soll man das Urteil oder die Argumente finden?

Und darum ist die Anleihe bei der Wissenschaft von Vorteil, dass falsche Fragen zu falschen Erkenntnissen führen. Es gibt in der Druckindustrie immer mehr, immer raffiniertere und immer verknüpftere, zugleich aber auch gewissermaßen genau entgegengesetzt immer spezifischere, immer exklusivere, immer partieller optimierte Lösungen und Möglichkeiten. Wer die drupa – und danach folgende Veranstaltungen, Kongresse, Seminare – mit der Fragestellung besucht, was ist „für mich / für mich als ….“ dabei, hat keine Chance, überhaupt eine Antwort zu erhalten.

Es ist so unsinnig als wenn man in einer Eisdiele fragen würde, welches Eis für Kinder geeignet sei? Die antworten eindeutig: alles. Und der Eismacher sieht das auch so. Nur kalorienbewusste Mütter versuchen Ordnung in die Dinge zu bringen. Älteren Menschen setzt man dann immer Vanille und Schokolade vor – sie können wohl sich offensichtlich in der Vielfalt nicht mehr orientieren. So launig sich der Vergleich anhört, auf der drupa passierte genau dies. Man – und „man“ waren sowohl die Anbieter wie die Besucher – versuchten in erheblichem Umfang, in sinnlose Kategorieren zu sortieren. Und die, die der drupa fernblieben, obwohl ihr Job und Business im entferntesten mit Drucken oder Graphic Design zu tun haben, waren erst recht auf dem Holzweg mit ihren Vorurteilen.

Printender, klar, es ist „nur“ ein Wortspiel. Aber vielleicht sogar schon die richtige Antwort auf die richtigen Fragen, die wir alle ab jetzt stellen.

Gründer und CEO von zipcon consulting GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen für die Druck- und Medienindustrie in Mitteleuropa. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater und sein Team aktiv die praktische Umsetzung. Er entwickelt Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure der unterschiedlichsten Branchen. Seine Fachgebiete sind u.a. Online-Print, Mass Customization, Strategie- und Technologie Assessment für Print, sowie die Entwicklung neuer Strategien im Print- und Mediaumfeld. Bernd Zipper ist Initiator und Vorsitzender der Initiative Online Print e.V. und neben seiner Beratertätigkeit Autor, Dozent sowie gefragter Referent, Redner und Moderator. Seine visionären Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen für die Druck- und Medienindustrie. (Profile auch bei Xing, LinkedIn).

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