In diesem Jahr, in dem das alphagraph team sein 30-jähriges Jubiläum hätte feiern können, wird für viele Kunden und viele alphagraph-Mitarbeiter alles anders. Durch den Verkauf der alphagraph team GmbH an EFI wird es strukturelle Veränderungen sowohl in der Weiterentwicklung des Produktportfolios und daraus resultierend sehr wahrscheinlich auch interne Umstrukturierungen, die Mitarbeiter betreffend, geben. Sowohl auf Mitarbeiter- als auch auf Kundenseite gibt es daher nicht wirkliche Klarheit darüber, wie es weitergeht. Ein Kommentar von Stephan A. Göbeler.

Aber fangen wir einmal vorne an.
Wer ist EFI?
Als Anbieter im Bereich PrePress-Software und im Largeformat-Digitaldruck ist Efi hinlänglich in der Branche bekannt. Welches Gesicht zeigt Efi aber nunmehr im MIS-Bereich? Um den – auf dem deutschen Markt – neuen MIS-Anbieter und dessen Intentionen zu verstehen, sollte man einen Blick in die Vergangenheit werfen.
Rückblende
2000
Die Prograph Systems Inc. und die Internet Division von Creo schlossen sich zur Printcafe Systems Inc. zusammen. Zu diesem Zeitpunkt gehörten neben Prograph bereits die zugekauften MIS-Systeme PSI, Logic, Hagen und PrintSmith zum Softwareportfolio. Der heutige Senior Vice President und General Manager der EFI Advanced Professional Print Software (APPS) Business Unit Marc Olin, war bereits damals Co-CEO der neu gegründeten Printcafe Systems Inc.
2002
Printcafe startet als börsennotiertes Unternehmen an der NASDQ unter CEO Marc Olin.
2003
Printcafe wird von EFI übernommen
2008
EFI kauft ePace, welches zukünftig als MIS unter EFI Pace global vermarktet wird. Die bisherigen Systeme PSI und Logic werden durch Pace ersetzt und in den Wartungsmodus versetzt. PSI- und Logic-Kunden soll ein attraktives Migrationsangebot zu Pace gemacht werden.
Die Systeme Hagen, Prograph, PrintFlow und Auto-Count werden zu EFI Monarch konsolidiert, welches unter diesem Namen zukünftig global vermarktet wird. Die vorherigen Kunden können auf EFI Monarch upgraden.
2010
EFI kauf Radius, ein ERP/MIS-System für den Verpackungsdruck. Diverse bestehende EFI-Produkte, wie DigitalStorFront, PrintFlow und Auto-Count sollen in Radius integriert werden.
Radius wird zukünftig unter EFI Radius global vermarktet.
EFIs Produktportfolio im MIS-Bereich umfasst nunmehr die Systeme
EFI Monarch
EFI Pace
EFI PrintSmith
EFI Radius
2011 (Februar)
EFI kauft den Kalifornischen Anbieter Streamline Development, mit dem ERP/MIS PrintStream (http://www.printstream.com/) und startet damit gleichzeitig seine neue Konsolidierungs-Strategie am globalen MIS-Markt. Diese bedeutet, laut Marc Olin, General Manager of EFI’s APPS Business Division, die weitere Suche nach weltweiten ERP/MIS-Systemen und weitere Konzentration und Investition in die eigenen Systeme EFI Monarch, EFI Pace, EFI PrintSmith, EFI Radius.
PrintStream wird in das APPS-Portfolio eingegliedert und in den Wartungsmodus versetzt. PrintStream-Produkte werden nicht mehr an neue Kunden verkauft. Bestehende Kunden erhalten Anreize, um auf die o.g. EFI-Produktsuite umsteigen zu können. Indes geht die Suche nach weiteren MIS-Märkten weiter.
2011 (August)
EFI kauft den Australischen MIS-Anbieter Prism (http://www.prism-world.com/) und setzt seinen MIS-Konsolidierungskurs fort. Prism wird ebenfalls in das APPS-Portfolio von EFI eingegliedert. EFI Prism und EFI QTMS werden in den Wartungsmodus versetzt. Prism-Produkte werden nicht mehr an neue Kunden verkauft. Bestehende Prism-Kunden erhalten Anreize, um auf die o.g. EFI-Produktsuite umsteigen zu können.
EFIs Suche nach weiteren MIS-Systemen geht weiter.
2011 (Dezember)
EFI kauft mit alphagraph team den dritten MIS-Anbieter im Rahmen seiner Konsolidierungs-Strategie. Alphagraph wird, wie die vorherigen übernommenen Systeme, in das APPS-Portfolio von EFI eingegliedert. Die MIS-Systeme Prinance und Printy werden in den Wartungsmodus versetzt. Die peripheren Module Stratos i.Point, Web.Connect, Kreativ.Connect und Shop.Connect sollen weiter entwickelt werden. Über das Web-CMS Faceport gibt es bisher keine offiziellen Aussagen. Die vormaligen alphagraph-Produkte werden nicht mehr an neue Kunden verkauft.
EFIs globale MIS-Strategie
Mit der Übernahme von alphagraph wird EFI nach eigenen Angaben zum führenden Print-MIS-Anbieter in Europa.
Nachdem EFI also bis zum Jahr 2010 über Jahre hinweg sein eigenes Produktportfolio im Bereich MIS-Systeme konsequent durch Zukäufe aufgebaut hat, startete 2011 die Konsolidierungs-Strategie (als nächster logischer Schritt), um Weltmarktführer im Bereich MIS- und Printmanagement-Software zu werden. Die Vorgehensweise ist dabei eine ganz einfache: Weltweite MIS-Hersteller werden aufgekauft und in den Wartungsmodus versetzt. Diesen Wartungskunden soll über „finanzielle Anreize“ der Umstieg auf die EFI-Produkte erleichtert werden. Die hehren Absichten EFIs liegen demnach in der, in den jeweiligen Pressemeldungen inhaltlich gleichlautenden, ausgesprochen freudigen Erwartung, den „neu gewonnenen Kunden“ Zugang zu den besten am weltweiten Markt verfügbaren MIS-Systemen und Support (aus dem Hause EFI) zu ermöglichen. Die nahezu gleichlautenden Aussagen in den Pressemitteilungen zu den jeweiligen Übernahmen erscheinen leider allzu floskelhaft und scheinen die wahren Motive beider Seiten – Käufer und Verkäufer – zu verschleiern. Für viele Kunden steht daher Misstrauen statt Vertrauen im Vordergrund.
Nur böse Stimmen indes würden behaupten, EFI kaufe sich Märkte, um diese zu monopolisieren und zu kontrollieren, mit dem Ziel der Profitmaximierung zu Gunsten der Aktionäre und Aktienkurse.
Für die Zukunft stellt sich daher grundsätzlich die Frage, welcher logische und strategische Schritt seitens EFI als nächstes, nach Beendigung der MIS-Konsolidierungsphase, folgt. Was würde insbesondere mit den in den Wartungsmodus versetzten Systemen passieren, wenn EFI als größter Anbieter mit Quasi-Monopol weltweit den Markt kontrollierte, auch wenn das erst in ein paar Jahren der Fall sein wird?
MIS-Entwicklung
Ja, der Verkauf von alphagraph an EFI lässt sich aus heutiger und wirtschaftlicher (oder „kaufmännischer“) Sicht mit Blick in die Zukunft vordergründig logisch argumentieren: Schrumpfende Märkte für MIS-Anbieter und in den nächsten Jahren daher wenig wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven. Aber: Wenn es dieser Art tatsächlich eine Zwangsläufigkeit für den Verkauf gegeben hat, dann ist diese das Ergebnis entsprechender lange Jahre zurückliegender strategischer und unternehmerischer Entscheidungen. So haben die alphagraph-Kunden bereits auf der letzten Drupa (2008) auf ein Genius gewartet und nicht bekommen. Seit 2009 wurde dann der Entwicklungsschwerpunkt auf die Web-Produkte mit kurzfristigem Absatzpotential anstatt diese Resourcen in die Fertigstellung von Genius zu investieren. Nachhaltige wirtschaftliche Softwareentwicklung aber, und um diese geht es in diesem und in allen anderen zukünftigen Fällen (auch bei allen anderen MIS-Anbietern), hat nichts gemein mit dem maximal ein- bis zweijährigen Blick auf Produktabsatz zum Zweck der Profitmaximierung. Es sei denn, die erwirtschafteten Überschüsse würden wiederum in die innovative und zukunftsfähige MIS-Entwicklung investiert.
Die Situation, die nunmehr für EFI alphagraph-Kunden entstanden ist, trägt zurzeit und wohl absehbar auf die nächsten Jahre den MIS-Marktbegleitern von alphagraph zu. Aber auch hier müssen die Druckereien genau hinschauen, welcher MIS-Anbieter ein nachhaltiger und innovativer Partner zu sein vermag.
Klarheit für die Kunden
Die Situation erfordert verbindliche Klarheit für die EFI alphagraph-Kunden. Derartige Entscheidungen aber gibt es nur über die Zentrale in den USA. In Deutschland werden diese lediglich kommuniziert. Ob und wie man im EFI-Headquarter aber die Belange des deutschen MIS-Marktes bewertet und wahrnimmt, bleibt abzuwarten. Im Sinne der Kunden sollten folgende und weitere aufkommende Fragen dringend verbindlich beantwortet werden:
1. Wie genau sieht die Roadmap für Prinance und die weitere Produktentwicklung aus? Was genau beinhaltet die Roadmap und in welchem Zeitraum?
2. Welche Entwicklungen wird es bezüglich der Web-Produkte wie z.B. Shop.Connect und Kreativ.Connect geben. Zu welchen MIS-Systemen außer Prinance wird es Schnittstellen geben?
3. Was passiert mit dem von Heidelberg entwickelten JDF-Connector für Prinance, wenn Heidelberg sein eigenes MIS-System auf den Markt bringt?
4. Wie ist der Prinance-Support im deutschsprachigen Raum tatsächlich gewährleistet, wenn in wenigen Jahren die internationalen Support-Verträge mit den von Heidelberg vertriebenen Systemen auslaufen?
5. etc. …
Wie gesagt: Entscheidend ist nicht, was EFI in der Vergangenheit bezüglich Weiterentwicklung und Support Ihrer zugekauften Produkte getan oder bewiesen hat, sondern welche strategischen Schritte in der Zukunft zu Gunsten Ihres Expansionskurses folgen werden.
Die unlängst im SIP-Fachmagazin betonte Aussage, dass alphagraph akquiriert wurde, um sich eines der besten europäischen Support-Teams zu eigen zu machen, lässt wiederum den Schluss zu, dass es hierbei nicht um den Support der Produkte im Wartungsmodus und deren Kunden geht. Viel mehr scheint Ziel und Zweck zu sein, sich die vorhandenen Support-Kompetenzen im Sinne der hauseigenen EFI-Produktsuite zu Nutze zu machen. Das wiederum würde bedeuten, dass personelle Kapazitäten vom Support der alphagraph-Produkte abgezogen werden, was wiederum die vielfach beschworene Unterstützung dieser Produkte in Frage stellen würde. Solche Aussagen tragen also in Ihrer Widersprüchlichkeit eher zur Verunsicherung als zur Beruhigung und Klarstellung bei. Indes ist es fraglich ob sich der ehemalige alphagraph-Support unter Fremdbestimmung tatsächlich als stabile Basis erweist und EFIs Support-Rechnung aufgeht.
Fazit
Solange es keine verbindlichen Antworten und keinen – natürlich undenkbaren(!) – finanziellen Ausgleich für die geleisteten Beiträge zur Genius-Entwicklung gibt, bleiben für die Kunden unterm Strich nur zwei Dinge: Verärgerung und Unsicherheit.
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(Daniel Mittendorf | Quelle: xing.com)