Sie werden es auch in der nächsten Ausgabe von beyondprint unplugged im Editorial lesen können. Doch die Ereignisse überschlagen sich. Deshalb an dieser Stelle und vorab ein Update.
Die Nachrichten, die uns zurzeit erreichen, lassen den Schluss zu, dass das Jahr 2019 für die Druckindustrie kein wirklich erfolgreiches Jahr war. Maschinenhersteller korrigieren ihre Umsatz- und Ergebnisprognose nach unten und auch die Zahlen der Verbände vom Maschinenbau über die Farbenindustrie bis zum Bundesverband Druck und Medien versprühen nur wenig Optimismus. Und dass der strukturelle Wandel bei den Druckereibetrieben noch längst nicht abgeschlossen ist, zeigt sich in Insolvenzen, Betriebsschließungen und Übernahmen – selbst bei Unternehmen, von denen man es nicht erwartet hätte.
Digitalisierung, Transformation und Umweltschutz sind die bestimmenden Themen unserer Zeit. Flankiert werden diese dauerhaften Trends durch eine sich abkühlende Weltwirtschaft, Handelskriege, unsichere politische Verhältnisse, Brexit – und nun auch noch der Corona-Virus, der die chinesische Wirtschaft nahezu erlahmen lässt. Dabei sind aber weder Europa noch andere Wirtschaftsräume von den Auswirkungen des Produktionsrückgangs der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt isoliert. Apple, Adidas oder Puma: Sie alle haben mit den Folgen der Epidemie zu kämpfen und melden inzwischen Lieferengpässe. Denn bei Tech-Unternehmen und Sportartiklern sind die wirtschaftlichen Verflechtungen mit China besonders eng. Aber nicht nur bei denen.
Reisebeschränkungen und andere präventive Maßnahmen zeigen auch schon ihre Auswirkungen: So wurde der Mobile World Congress 2020, die Messe für mobile Technik, in Barcelona, aus Sorge vor dem Virus abgesagt. Das sind nicht gerade die besten Vorboten für das Jahr 2020.
Eine ganze Portion Zündstoff
Und es kündigte sich bereits im Dezember 2019 an. Wenige Tage vor dem Jahreswechsel hatte Koenig & Bauer seine Umsatz- und Ergebnisprognose für 2019 reduziert und geht nicht mehr von Wachstum, sondern von Stagnation aus. Da muss das letzte Quartal die Erwartungen offenbar völlig verhagelt haben.
Mitte Januar meldete auch Heidelberg eine rückläufige Entwicklung bei Umsatz und Ergebnis. Obwohl das vierte Quartal des Geschäftsjahres erst im März endet, geht der Vorstand nicht mehr davon aus, die Jahresprognose erfüllen zu können. Im Gegenteil: Nach der neuerlichen Gewinnwarnung wurde die Kreditwürdigkeit des Druckmaschinenherstellers im Rating der US-amerikanischen Finanzagentur Moody’s weiter zurückgestuft. Und am Stammsitz in Wiesloch wurde nach Informationen der Rhein-Neckar-Zeitung bis April Kurzarbeit angesetzt. Zudem sollen das Produktportfolio bereinigt, die Organisation und Prozesse effizienter und das internationale Produktionsnetzwerk neugestaltet werden. Möglicherweise wird Heidelberg sehr viel mehr in seinem Werk in China fertigen (wenn da nicht der Virus wäre). Da bahnen sich massive Veränderungen an.
So birgt die jüngste Nachricht aus Wiesloch eine ganze Portion Zündstoff. Denn der Heidelberg-Vorstand wird auf nunmehr zwei Personen reduziert und besteht künftig aus Rainer Hundsdörfer (Vorstandsvorsitzender) und Marcus A. Wassenberg (Finanzvorstand). Nach Technik-Vorstand Stefan Plenz verlässt nun auch Prof. Dr. Hermann, bisher Vorstand Lifecycle Solutions und Chief Digital Officer, das Unternehmen zum Ende des Geschäftsjahres 2019/20 (Ende März). Dafür soll die Ebene unterhalb des Vorstands mit einem neu eingerichteten Executive Committee deutlich gestärkt werden. Ob die Verkleinerung des Vorstands nun der Not geschuldet ist, oder ob dahinter möglicherweise ein ernst gemeinter Transformations-Wille steht, der mit den traditionellen Besetzungen in den Vorstandsetagen aufräumt, werden wir von Rainer Hundsdörfer möglicherweise auf dem Online Print Symposium am 3. und 4. März in Unterschleißheim erfahren, wo er als Keynote-Speaker das Symposium eröffnet.
Strukturelle Anpassungen unvermeidlich
Und eine andere Nachricht sorgt zumindest für Erstaunen. Im Sommer 2019 hatte das Kartellamt Heidelberg den Kauf von MBO noch untersagt. Jetzt hat sich Komori, um seine Diversifizierungs-Strategie fortzusetzen, den Falzmaschinenhersteller geschnappt. Er soll zwar eigenständig bleiben, ist aber nun in japanischer Hand.
Wie schon fast der komplette Markt der Digitaldruckmaschinen japanisch ist. Ja, es gibt noch Kodak oder Landa. Aber was machen die schon gegen die Übermacht von Canon, Epson, Konica Minolta und die vielen anderen wie Kyocera oder OKI aus?
Doch wer nun glaubt, den Digitaldruckmaschinenherstellern ginge es blendend und es treffe die Offsetmaschinenhersteller wieder einmal besonders hart, irrt gewaltig. Auch HP zieht zurzeit einen erheblichen Personalabbau durch. Und dass Xerox den größeren Konkurrenten HP offenbar mit aller Gewalt (und immer mehr Geld) übernehmen will, rundet das Bild ab.
„Möglicherweise werden zurzeit die falschen Themen diskutiert. Natürlich sind neue Techniken interessant und auch zwingend notwendig. Aber sind das die wirklich drängenden Probleme? Oder lenken sie nur von den immer massiver werdenden Marktveränderungen ab?“ – Bernd Zipper
Die Notwendigkeit struktureller Anpassungen ist offenbar überall unvermeidlich. So geht eine Studie davon aus, dass der Office-Markt und damit der Absatz an Equipment aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung bis zum Jahr 2030 um 30% einbrechen werde. Da müssen die Anbieter schon recht breit aufgestellt sein, um das zu verkraften. Und nicht zu vergessen: Weniger Papier in den Büros bedeutet auch weniger Geschäftsdrucksachen.
Passt das alles zusammen?
Gleichzeitig bereitet sich die Druckbranche auf die drupa 2020 im Juni vor. Da werden schon im Vorfeld technische Themen diskutiert, mit denen sich die Branche auf der Messe befassen soll. Als ob das wirklich wichtig wäre. Wer die wirklich relevanten Themen der Branche analysiert, stellt sehr schnell fest, dass sie alles braucht, nur keine Produktneuvorstellungen, die Jahre auf sich warten lassen.
Die Branche befindet sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel und einem ebenso gravierenden Transformationsprozess, bei dem Technik nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Stattdessen muss die Branche (erstens) verinnerlichen, dass eine digitalisierte Welt neue Geschäftsmodelle und mehr Agilität von ihr verlangt. Sie muss (zweitens) neue Wege der Vermarktung gehen, ihre Workflows, mit denen der Kunden integrieren, das Business schneller, flexibler und transparenter machen und zugleich den Auf- und Ausbau digitaler Angebote auf unterschiedlichen Kanälen forcieren. Somit geht es (drittens) um das Mindset, das sich verändern muss. Wer auf neue Technik stößt, kann sich ja gerne mit den Details beschäftigen, sollte aber gleichzeitig hinterfragen, ob diese Technik überhaupt zu seinem Workflow und zu seinem Geschäftsmodell passt.
Es wird ohne Zweifel schwierig
Auf die meisten dieser Fragen wird die Druckbranche in Düsseldorf keine Antworten finden. Denn die drupa fokussiert sich auf technische Entwicklungen und hat das E-Business Print, das inzwischen ein Viertel des gesamten Druckvolumens in der D/A/CH-Region ausmacht, als eigenständiges Thema nahezu komplett ausgeblendet.
Da kommen schon auch Zweifel auf, ob das drupa-Jahr 2020 für die Druckindustrie besser laufen wird, als das vergangene. Traditionell wird die Messe mit neuen Technologien der Hersteller und hohen Investitionen der Druckereien gleichgesetzt. Doch genauso bist in Erinnerung geblieben, dass es die drupa 2008 war, die aufgrund der hohen Investitionsneigung der Branche gefeiert wurde und sich zu einem Desaster für die Maschinenhersteller entwickelte, weil die Abschlüsse durch die nahende Wirtschaftskrise nicht finanziert werden konnten.
Nein, das muss sich nicht wiederholen, doch die Zahlen und Entwicklungen lassen zumindest vermuten, dass 2020 ein schwieriges Jahr wird.

DiscussionEin Kommentar
Ergänzend zum Beitrag möchte ich noch das veränderte Umweltbewusstsein erwähnen. Geschäftsprozesse werden weiter digitalisiert werden und der Bedarf an Geschäftsdrucksachen wie Briefpapier, Durchschreibesätze, u.s.w. werden noch deutlich abnehmen. Aber auch repräsentative Unterlagen wie Flyer und Kataloge werden im Umfang abnehmen. Das Alles vor allem aus Kosten- und Effektivitätsgründen, zunehmend aber auch für einige Institutionen aus Ökologischen. Große Kataloge sind einfach nicht mehr zeitgemäß und zu schnell veraltet. Verbraucher sind zunehmend von der Papier-Werbe-Flut der Anzeigenblätter genervt und Informationen zu Veranstaltungen, Öffnungszeiten, Preisen, Speisen, Produkten, Nachrichten, … für all das ist das Internet der schnellere und bequemere Kanal.
Ich bin auch ein Freund von Papier und edlen Drucksachen. Aber ich fürchte, dass wird langfristig ein Nischendasein fristen. Eine Druckerei muss sich heute Gedanken darüber machen, wie sich die Kommunikation von Printprodukten zu digitalen Kanälen ändert und möglicherweise in alternative, digitale Plattformen investieren, als nur die Geschäftsprozesse und Druckproduktion zu digitalisieren. Der Herausforderung dürften nur die Wenigsten gewachsen sein.