Irgendetwas war anders, als ich es von früheren Besuchen bei Heidelberger Druckmaschinen AG gewohnt war. Anfang April hatte Heidelberg zu einem „Digital Sneak Peek“ geladen und ein internationaler Mix aus Analysten, Kunden, Experten und Journalisten kam. Für mich nicht, aber für viele andere neu war die Führung durch die geheiligten Hallen der Entwicklung. Für mich neu war, was man da jetzt zu sehen bekommt. Es robotert.
Der Event drehte sich um Heidelberg Digital, also dem Digitalgeschäft des Maschinenbauers, der seine Meriten im Offsetdruck verdient hat – und auf absehbar längere Zeit den größeren Umsatzanteil mit Offset bestreiten wird. Aber Wachstum liegt woanders, und das will Heidelberg nun genau adressieren. Dabei geht es viel um Partnerschaften und ich sehe inzwischen ein genaueres Bild davon, was diese Partnerschaften in der Praxis bedeuten werden.
Digital ist für Heidelberg nicht neu, schon Mitte der 1990er Jahre wurden bei Heidelberg Druckplatten in der Druckmaschine digital bebildert. Es folgte eine lange Reihe an Digital-Erfahrungen: Quickmaster DI, NexPress, Linoprint L,… Aber Key-Player bei der Digitaldruck-Evolution war Heidelberg nie und wollte es auch nie sein. Bis vor kurzem.

Bei Digital-Partnerschaften und besonders den strategischen wusste man nicht wirklich, welchen Kurs Heidelberg dabei fährt und wie lange die Reise mit dem Partner dauern soll. Im Falle Landa Nano, das aber liegt nicht an Heidelberg, ist noch nicht einmal klar, wann die Reise starten soll. Entsprechend vorsichtig wird das Theme Landa heute behandelt. Die bestehende Partnerschaft mit Ricoh sehe ich trotz der zusätzlichen Entwicklungen vornehmlich als Vertriebspartnerschaft, bei der die Digitaldrucksysteme als Linoprint C in den Markt kommen. Heidelbergs Zutat dabei ist vor allem Integration. Die Mehrheit der bislang etwa 400 weltweit verkauften Maschinen ging an Offset-Bestandskunden. Keine Frage, Linoprint C eignet sich für komplementäre Hybrid-Geschäftsmodelle.
Nun gibt es aber eine eindeutige Ansage: Heidelberg sieht Wachstum in den Digital-Märkten und bündelt daher seine Wachstumsaktivitäten in einem Geschäftsbereich Digital. Das stellte Heidelberg-CEO Gerold Linzbach klar. Falls es Ihnen bis jetzt nicht aufgefallen ist, ich schreibe hier „Digital“ und nicht „Digitaldruck“. Denn Heidelberg will wohl auch das Silodenken beenden. Dieses Umdenken sollte nicht nur in die Zuständigkeit von Jason Oliver, dem Leiter der Business Unit Digital, fallen, sondern müsste den ganzen Konzern erfassen. Ein erstes Indiz dafür gab es Ende 2013 mit der Akquise von Neo7Even, einer Softwarefirma, die Multichannel Publishing und E-Business Print Lösungen anbietet (einen Eindruck des Leistungsumfangs vermittelt unsere EPOS Studie). Heidelberg ist damit, wenn auch nur mittelbar, Anbieter von Web-Publishing-Lösungen.
Etwa zur selben Zeit kündigte Heidelberg auch eine neue und selbstredend strategische Partnerschaft mit Fujifilm an. Nun ist Fujifilm, das ein wesentlich größeres Unternehmen ist als Heidelberger Druckmaschinen, aber auch mit Xerox unterwegs. Vieles deutete daher auf eine strategische Vertriebskooperation hin, und die gibt es in Teilen auch. Aber in meinen Augen ist das Kernstück der Heidelberg-Fujifilm-Partnerschaft ein anderes, lösungsorientiertes.
Willkommen in der Entwicklung.
Dort nimmt die neue Digital-Strategie schon Formen an und Basis ist Inkjet, wie Stephan Plenz, bei Heidelberg aktuell der Vorstandsmann für Equipment, beim Rundgang erläutert. Erste Ergebnisse dazu gibt es im Herbst 2014 zu sehen, wenn die Zusammenarbeit von Fujifilm, Heidelberg und Gallus ein erstes Produkt für den Etikettendruck mit kombinierter Flexo- und Inkjetechnik zur Folge hat. Der Etikettendruckmarkt steht noch vor seiner Digitalisierung und Wachstumschancen liegen hier bei Kleinauflagen und Individualisierung. Als nächstes werden durch diese Kooperation dann die Werbemitteldrucker im industriellen Maßstab angesprochen werden.

Zweites sichtbares Ergebnis ist die Heidelberger Jetmaster Dimension, ein Inkjet-Drucker mit steuerbarem Haltearm für das Bedruck-Produkt. Zu sehen gab es das in der Anwendung beim Bedrucken von Sportbällen. Soll heißen: Heidelberger bedruckt auch dreidimensionale Produkte und bewegt sich damit in den Bereich Industrieller Druck. Und nimmt vielleicht seine Bestandskunden mit. Das verpackt das Unternehmen kommunikationstechnisch in den Begriff „4D“-Druck. Für mich ist das ein ziemlich offener Begriff, der sich zumindest von dem üblichen 3D-Druck-Hype absetzt. Ich bin gespannt, wie Heidelberg diesen Begriff weiter kommunizieren wird. Nur den Aufdruck alleine als vierte Dimension ins Spiel zu bringen, erscheint mir etwas zu kurz gefasst. Da gibt es noch mehr, printed electronics, Beacons, Interaktivität,… Und: Kommen da noch olfaktorische und haptische Eigenschaften ins Spiel?
Die Message: Heidelberg entwickelt jetzt lösungsorientiert Druck-Anwendungen gemeinsam mit Kunden – das ist ein 180-Grad-Schwenk in Denken und Handeln dieses Konzerns. Ob es die Rettung ist, wird sich zeigen.
– Bernd Zipper
Die praktische Anwendung ist mal wieder wenig überraschend für mich: Heidelberger hält nach einem potentiellen Erstanwender Ausschau, der sich bereits als industrialisierte Druckerei bewährt. Eine Onlinedruckerei traut sich, dieser Pilotkunde zu sein. Die Flyeralarm GmbH mit ihren vielen Sportsponsorings etwa bei Fußball und Basketball scheint mir allerdings auch – sozusagen aus Eigeninteresse – sehr gut geeignet, einen 3D-(Be)drucker für Sportbälle in das Sortiment aufzunehmen. Ob sie dann auch das Bedrucken von Sportbällen, wie es in der Heidelberg-Entwicklung zu sehen war, im Herbst 2014 in ihrem Onlineshop den Kunden anbietet, auf eine solche Aussage wollte sich die Firma Flyeralarm von mir einfach nicht festnageln lassen. Sie backen noch an einer Überraschung für den Herbst.
Die Message dabei ist jedoch nicht, dass Heidelberg jetzt Sportballbedruckmaschinen herstellt. Die Message ist, dass Heidelberg anfängt, lösungsorientiert Druck-Anwendungen zu entwickeln. Und das zusammen mit Kunden.
Ein von Heidelberg dazu erdachter Kernbegriff dabei ist „Synerjetix“. Mit verschiedenen Partnern werden Inkjet-Technologien für den digitalen Akzidenz-, Verpackungs-, Dekor- usw. Druck entstehen (setzen Sie ihre eigene Applikation hier ein). Nun würde ich aber gerne nach diesen Begriffsprägungen auch eine über die Zeit belastungsfähige Strategie und schließlich Taten (beim Kunden) sehen…
Dr. Gerold Linzbach ist als studierter Chemieingenieur keiner, der mit der Druckindustrie aufgewachsen ist, aber er steht für eine Idee des „German Engineering“ und für eine straffe, lösungsorientierte Umsetzung. Mir gefällt es, wenn ich sehe, wie er in der Entwicklung gestandenen Heidelberger-Ingenieuren vermittelt, das eigene Know-how als ziemlich gute Basis der Fortentwicklungen zu sehen, aber auch nicht mehr. Und schon gar nicht: Sich damit abzugrenzen.
Sein Plan: Heidelberg soll fokusierter, schneller, kooperativer und flexibler werden. Und dass Heidelberg dabei den Ausbruch aus dem Silodenken schaffen kann, glaube ich beinahe, wenn ich höre, wie dieser Ingenieur über Pay-per-Klick und andere Geschäftsmodelle spricht. Ich vermute auch, dass Heidelberg über Managed Print Services nachdenkt, wenn ich den Aussagen von Stephan Plenz folge. Inhouse beim Möbelhersteller beispielsweise. Heidelberg nimmt ausdrücklich industrielle Anwendungen ins Visier und das auch inline in der – ich strapaziere das Wort noch einmal – industriellen Fertigung. Wenn Sie das für etwas weit hergeholt halten: In einer Ecke der Heidelberg-Entwicklung sah ich die Autotüre eines Porsche Boxster – und daneben einen Industrieroboter mit Druckkopf.
Discussion2 Kommentare
das zeigt der Trend – in Zukunft werden sämtliche Oberflächen digital „dekoriert & funktionalisiert“
Die inkjet Technologie und die richtigen Tinten bzw. die Vorbehandlungen der Oberflächen wird entscheidend für den Erfolg sein – das macht schon viel Sinn alles in „Weiß“ zu produzieren und am Ende zu individualisieren – die Zukunft bleibt spannend …
Viel Erfolg!!!
Danke für den Artikel der einen guten Einblick in die Heidelberg-Forschung zeigt. Es ist ist nicht der erste Versuch dieses Unternehmens im Digitaldruck Fuss zu fassen bzw. wichtige Marktanteile zu gewinnen. War man früher zu teuer oder zu spät sieht das hier geschilderte, abgesehen von der technisch hochwertigen Komponente, auch im Marketing (endlich) so aus als ob man „mit und für“ den Kunden entwickelt (kundenorientiert). Früher sah das eher danach aus als ob das Kundenbedürfnis nicht im Vordergrund stand und HD eher eine hochwertige Maschine mit geringer Skalierbarkeit (für das es zu wenige Anwender gab) verkaufen wollte. Mit diesem neuen Ansatz („wir haben gelernt….“) könnte es besser klappen…