Interview: Automatisierung ist kein Hexenwerk

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Die Automatisierung von Prozessen ist das Ergebnis von Standardisierung. Das Ziel ist die Rationalisierung der Abläufe, beziehungsweise die Skalierung eines Geschäftsmodells. Jeder Mediengestalter, der mit offenen Daten, gleich welchen Formats, arbeitet, weiß, dass unzählige Parameter geklärt werden müssen. Das läuft unter Fachleuten schon nicht immer reibungslos ab. Kommen die Daten aber aus einem der Medienvorstufe fremden System, dann braucht der Zauberlehrling den erfahrenen Meister, damit ihn die Datenflut nicht fortspült. Einer dieser Meister ist Peter Kleinheider von calibrate. Er und sein Team leisten viel Vorarbeit, damit die Automatisierung gelingt. Es ist eben kein Hexenwerk, sondern viel Erfahrung, akribische Vorarbeit, Abstimmung aller Beteiligten und natürlich Programmierarbeit.

Peter Kleinheider, der 1990 erstmals einen Canon-Farbkopierer für die Ausgabe eines Farbproofs verwendete und 2015 die calibrate Workflow-Consulting GmbH gründete, hat große Erfahrung in der Automatisierung der Vorstufen-Workflows. Er ist ein anerkannter Fachmann und bringt seine Erfahrung in verschiedenen Expertengremien ein. 2021 erfolgte die Veröffentlichung der neuen Radix API mit den Ausbaustufen Preflight, Prepare, Create und Translate. Wir baten Peter Kleinheider um ein Interview, damit auch andere in der Druckindustrie von seinem Wissen profitieren. Ein spannendes Gespräch mit einem, der lieber arbeitet als spricht.

Max Spies: Woher kommen denn in der Regel die Daten, die ihr verarbeiten müsst?
Peter Kleinheider: Die Daten für die Ausgabe auf unterschiedlichen Medien können aus einem Webshop mit oder ohne Editor kommen, aber genauso kann ein ERP-, PIM-, MAM- oder DAM-System der Ursprung sein.

Max Spies: Das Ziel ist der störungsfreie, automatische und digitale Prozess, richtig? Aber wie gelingt die Kommunikation, wenn jeder eine andere Sprache spricht?
Peter Kleinheider: Richtig! Die Öffnung und Verbindung der Systeme ist die Herausforderung. Dieser Aufgabenstellung begegnen wir in jedem Projekt. Die Lösung der Aufgabe ist jedoch beinahe immer eine andere. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Digitalisierung dem analogen Weg folgt. Ist dieser Weg sehr komplex, wird auch die Digitalisierung ein komplexes Thema.

Max Spies: Habt ihr eine Art Übersetzer oder Landkarte oder Masterplan?
Peter Kleinheider: Von allem ein bisschen, würde ich sagen. Vor allem sind wir ein Team und arbeiten sehr eng mit der Impressed GmbH zusammen. Sie bieten Lösungen für die Bereiche Medien-Produktion und die digitale Druckvorstufe an. Die Technologien von Callas, Adobe, Colorlogic und Enfocus sind die Basis, von der aus gestartet wird und in weiterer Folge effiziente Anwendungen entwickelt werden. Calibrate steuert Software und Dienstleistungen bei.

Max Spies: Also ähnlich wie beim Autotuning? Ich kaufe einen BMW und ihr macht den schöner und schneller?
Peter Kleinheider: Ja, so ungefähr. Wir bauen dir sogar einen Autopiloten ein.

Max Spies: Kannst du euer Angebot aus Dienstleistungen und Software genauer erläutern?
Peter Kleinheider: Die Kunden wollen jemanden, der Verantwortung übernimmt. Damit geht es schon mal los. Calibrate bietet Dienstleistungen als gesamtes Projekt oder in einem Teilprojekt an. Wir nennen das Radix Project. Hier legen wir fest, welche Software-Bestandteile von der Stange oder aus dem Radix-Produktportfolio gebraucht werden.

Radix Project schafft also mit den Optionen Consulting, Support und Know-how die Voraussetzung für die Vernetzung. Die Radix Preflight Engine bietet automatisierte Prüfungen und Korrekturen im Produktionsprozess. Das Modul Radix Translate stellt die Schnittstelle zwischen Datensender und Datenempfänger her. Radix Prepare bereitet die Daten schließlich für unterschiedliche Druckverfahren vor. Dieses Modul kann je nach Bedarf um Radix Impose für eine regel-basierte Montage der Druckprodukte zur kosten- und produktionsoptimierten Ausgabe, und um Radix Create für die dynamische Erzeugung von PDFs zu der Druckausgabe oder entsprechendem Begleitmaterial erweitert werden.

Max Spies: Upps, das war ein wenig schnell für mich. Kann ich das auch irgendwo nachlesen?
Peter Kleinheider: Ja klar, wir haben gerade zu jedem unserer Module ein White Paper fertiggestellt. Die kannst du dir und selbstverständlich jeder andere auch als PDF von unserer Webseite herunterladen und die Informationen zu den Modulen detailliert nachlesen.

Max Spies: Das Drama beginnt im Prozess, wenn die PDF-Daten nicht mit den Metainformationen übereinstimmen. Beispiel: Ich bestelle DIN A4+ und sende ein PDF exakt 210 x 297 mm. Bang! Wie hilft mir da Radix weiter?
Peter Kleinheider: Sind die PDF-Daten mit den festgelegten Metainformationen nicht konform, erfolgt die Information sofort. Nun ist es möglich, die Korrekturen selbst auszuführen oder von radixAPI Preflight die Daten automatisch korrigieren zu lassen. Calibrate Radix ist dabei schneller als jeder Anwender und rund um die Uhr im Einsatz. Dabei zählen zu den Radix-Kernfunktionen der Datenabgleich SOLL/IST, die Definition von Hinweisen, Warnungen und Stopps, die automatische Anwendung von Korrekturen der PDFs, die automatische Aufbereitung der PDFs für unterschiedliche Druckverfahren, die elektronische Bogenmontage oder auch die LFP-Aufbereitung wie die Hohlsaum-Produktion oder das Aufbringen von Ösenpunkten.

Max Spies: Da wird es aber schnell sehr speziell.
Peter Kleinheider: Ja und jedes Projekt hat eigene Anforderungen. Es geht immer um eine maßgeschneiderte Umgebung für die Automatisierung im jeweiligen Unternehmen. Die gemeinsam erarbeiteten Konzepte setzen wir direkt um. Ganz allgemein kann man sagen, dass wir die Bereiche Farbmanagement, Prüfung und Korrektur, Montage, dynamische PDF-Generierung und Konfektionierung mit Radix adressieren.

Max Spies: Wenn ich Farbmanagement, Prüfung und Korrektur etc. im Zusammenhang mit Standardisierung höre, fallen mir immer Stichworte wie Templates oder Profile ein. Jobtickets sind ja sowas wie der Fahrschein für die Daten, oder?
Peter Kleinheider: Absolut. Von einer kompletten Vorlage oder Template sprechen wir, wenn alle Teile bekannt sind, die für die Produktion gebraucht werden. Der Prozess, in dem Druckdaten und Produktdefinition zusammengeführt werden, ist kompliziert, aber mit dem calibrate masterProfile beherrschbar, da die beeinflussenden Faktoren bekannt sind. Eine Vorlage definiert also alle erforderlichen Korrekturen, Prüfungen, Ausnahmen und namedFeatures. Das calibrate masterProfile wird mit einer Reihe von vordefinierten Vorlagen für ISO-Standards wie PDF/X-1a oder PDF/X-4, aber auch für Industriestandards wie GWG 2015 oder pdfxReady 2.0 geliefert. Für Kunden, die keine PDF/X-Dateien benötigen, liefern wir Vorlagen, die die Anforderungen an ein druckfähiges PDF definieren und immer ein Mindestmaß an Qualität prüfen.

Es ist grundsätzlich möglich, ein Jobticket an das calibrate masterProfile zu übergeben. Ein Jobticket definiert die Produktabsichten wie Abmessungen, Seitenzahl, Anzahl der Farben, Druckbedingungen und weitere spezifische Einstellungen. Basierend auf diesen Informationen aktiviert und konfiguriert das calibrate masterProfile automatisch alle erforderlichen Prüfungen.

Max Spies: Ich habe ja unter anderem auch mal Drucker/Offset gelernt (lange ist es her). Mach‘ das doch mal an einem Beispiel deutlich.
Peter Kleinheider: Bleiben wir doch bei deinem Formatthema von vorher. Gewünscht ist ein Flyer im Format DIN A5. Laut Anforderung für die Datenanlieferung ist ein Beschnitt von 3 mm nötig. Geliefert wird ein PDF aus Adobe Photoshop, welches im Format DIN A4 inkl. Beschnitt angelegt wurde.

In Photoshop ist je Datei nur ein Format möglich. In diesem Fall hat das PDF eine Dimension von 220 x 307 mm. Das calibrate masterProfile erkennt, dass es sich hierbei wahrscheinlich um ein A4-Dokument handelt, das mit 5 mm Beschnitt erzeugt wurde. Das Format DIN A4 wird somit proportional auf DIN A5 skaliert, wobei die 5 mm Beschnitt berücksichtigt werden.

Wäre die Datei zwar korrekt im Format DIN A5, jedoch ohne Beschnitt angelegt worden, verfügt das calibrate masterProfile über vier verschiedene Methoden, um mittels Korrektur die erforderlichen 3 mm Beschnitt hinzuzufügen. Wäre das Format nicht erkannt worden, dann hätte das calibrate masterProfile veranlasst, dem Anwender den Fehler zu melden.

Max Spies: Das ist sehr clever! Im Large Format Print gibt es noch ganz andere Herausforderungen. Gibt es hier auch so ein Masterprofil?
Peter Kleinheider: Ja, du hast recht – beispielsweise die Hohlsaumproduktion eines doppelseitig bedruckten Produktes. Für die Berücksichtigung von Hohlsaum oben links und rechts sowie unten geöst und randverstärkt bedarf es schon einiges an Know-how. Spannend im wahrsten Sinne des Wortes sind auch Poster auf Spannrahmen. Hierfür verwendet man Material, das beim Aufspannen auf den Rahmen gedehnt wird. Daher ist es notwendig, das Druckbild je nach finaler Kantenlänge zu verkleinern. Nur so ist gewährleistet, dass beispielsweise nach dem Dehnen ein Kreis auch wieder als Kreis erkennbar ist und sich nicht zu einem Oval verformt. Das masterProfile erlaubt, für unterschiedliche Materialien und Kantenlängen Skalierungswerte zu hinterlegen, die bei der Verarbeitung angewandt werden.

Max Spies: In der Vorstufe werden ja ziemliche Datenmengen bewegt. Brauche ich da einen Monsterserver oder läuft das alles in einer Cloud?
Peter Kleinheider: Die Applikationen können in einer kommerziellen Cloud, in einer privaten Cloud oder auf bestehenden Servern on-premise installiert werden. Entscheidend ist, wo sich die speicherintensiven Daten befinden oder von wo diese kommen.

Max Spies: Abschließend noch die Frage: Warum eigentlich der Name Radix?
Peter Kleinheider: Wir brauchten einen Namen für unser Produkt bestehend aus Dienstleistung und Software, damit es in der Kommunikation mit Kunden einfacher ist. Radix kommt aus dem Lateinischen und bedeutet in der Botanik „Wurzel“. In der Chemie steht das neulateinische Wort Radix für eine funktionelle Gruppe. Das hat uns gut gefallen. Die Funktionen der Radix-Gruppe bieten einen soliden Stand für den Prozess, eben eine tiefe Wurzel.

Max Spies: Ich weiß, dass du mit deinem Latein noch lange nicht am Ende bist, aber ich lese mir jetzt mal die White Paper durch.
Peter Kleinheider: Kann ich nur empfehlen! Für anschließende Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Max Spies: Besten Dank und weiterhin viel Erfolg mit der Automatisierung.

calibrate Workflow-Consulting GmbH

St. Pöltnerstraße 26 / A-3130 Herzogenburg

calibrate ist der zentrale Ansprechpartner für Unternehmen mit Medienproduktion – PDF WorkflowAutomation, Integration, Training, Service und Support aus einer Hand. calibrate bietet Beratung, Projektdefinition, Projektbegleitung sowie Umsetzung und Implementierung von individuellen Anforderungen. www.calibrate.at

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Beyond-print.de

Max Spies, ein echter Schweizer Degen, ist Drucktechniker und Betriebswirt. Als ERP-Spezialist der zipcon consulting GmbH recherchiert er entlang der gesamten Wertschöpfungskette und steigt in die Tiefen der Unternehmensbereiche ein. Menschen, Prozesse und Werkzeuge sind ihm bei seinen Betrachtungen in gleichem Maße wichtig. Mit Neugier, Rückgrat und einer Portion Allgäuer Streitlust erarbeitet er sich die Informationen. Seine verständlichen Expertisen sind die Grundlage für ergebnisorientierte Konzepte in den Kundenprojekten. Max Spies ist seit 35 Jahren in der Druckindustrie, war als Journalist bei „Deutscher Drucker“ tätig und schreibt Gastbeiträge für die Fachmagazine „Druckmarkt“ sowie „Grafische Revue Österreich“. Vor seiner Zeit bei zipcon war er für einen ERP-Software Anbieter in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig und ist als aktiver Netzwerker in diesem Wirtschaftsraum bestens orientiert. (Profile auch bei Xing, LinkedIn)

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