Im Interview mit Balthasar Mayer / SIP spricht Bernd Zipper über den Onlinedruck im deutschsprachigen Raum. Wie er die wirtschaftliche Gesamtsituation betrachtet, welche Trends den Onlinedruck bestimmen werden und welche Rolle das Online Print Symposium dabei spielt.
Balthasar Mayer: Herr Zipper, zu Beginn erst einmal eine Begriffsklärung: Was ist Onlinedruck, was ist Web-to-Print?
Bernd Zipper: Lassen Sie uns das eins nach dem anderen betrachten – zuerst den Onlinedruck. Es gibt den klassischen Druck, und es gibt Onlinedruck. Wobei Onlinedruck sehr unscharf definiert ist. Deswegen differenzieren wir bei zipcon consulting zwischen zwei Begriffen: Da ist einmal der online-getriebene Print-Umsatz, der OGPU. Dieser umfasst alles, was in irgendeiner Art und Weise online in eine Druckerei gespült wird. Selbst bei einem klassischen Drucker, der zum Beispiel Aufträge über ein Portal oder eine API bekommt, handelt es sich in diesem Fall um einen online-getriebenen Print-Umsatz. Zum anderen sprechen wir von Pure-Online-Printern. Das sind die, die mindestens 70 Prozent ihres Umsatzes allein über ihren Onlineshop oder ihre E-Commerce-Plattform machen. Der OGPU ist also die Obermenge und schließt den Pure-Online-Print mit ein.
Web-to-Print im Gegenzug ist für uns nichts anderes als die technische Grundlage, eine Druckvorlage online zu gestalten. Hier gibt es zwei Verfahren: einmal „Upload and Print“ – ich lade ein PDF hoch, sehe vielleicht eine Vorschau und kann es drucken lassen. Und eben den Online-Editor, bei dem ich zum Beispiel Bilder in ein Template einfüge oder mit einem Indesign-ähnlichen Editor ganze Dokumente gestalten kann. Das war die Kurzfassung. Diese Begriffe muss man alle fein auseinanderhalten.
Balthasar Mayer: Wo steht Web-to-Print beziehungsweise der Onlinedruck Ende 2020?
Bernd Zipper: Ende 2020 stehen wir natürlich alle unter dem Schock von Covid-19. Natürlich ist der Pure-Online-Print über das ganze Jahr massiv eingebrochen. Denn viele Veranstaltungen, die normalerweise beworben werden, wie zum Beispiel Konzerte, sind ausgefallen. Wir bei zipcon consulting gehen von knapp zwei Milliarden Euro aus, die im deutschsprachigen Raum 2020 nicht umgesetzt worden sind. Das ist dramatisch. Auf der anderen Seite ist es so, dass andere Menschen Onlineprint ordern – nämlich die, die vorher vielleicht mit einer normalen Druckerei zusammengearbeitet haben, aber erkannt haben, dass man gerade in Zeiten von Home Office viel über eigene Bestellwege machen kann, auch wenn man nicht im Büro ist und hochflexibel sein muss. Da gibt es einen klaren Trend, dass neue Kunden kommen.
Balthasar Mayer: Sind Onlinedruckereien grundsätzlich besser durch die Coronakrise gekommen als traditionelle Druckbetriebe?
Bernd Zipper: Das kann man so nicht sagen. Jeder, der produziert, ob Druck, Schuhe oder etwas anderes, hat während der Coronakrise Einbußen erlitten. Da kann man nicht trennen zwischen Online und Nicht-Online. Wenn die Anlässe nicht da sind, die es zu bewerben gilt, wirst du keinen Auftrag bekommen, egal ob online oder klassisch. Ich schätze, dass wir da kurzfristig keine Erholung sehen. Mag sein, dass es im Januar besser ist, dass wir besser mit der Situation zurechtkommen. Was wir sehen: dass sich der zweite Lockdown nicht ganz so heftig auswirkt wie der erste. Viele Unternehmen können froh sein, wenn sie durch das Weihnachtsgeschäft gerade noch auf Null kommen. Aber es gibt eben keinen Unterschied. Alle leiden gleich.
Balthasar Mayer: Gibt es Druckereien, die es aufgrund ihrer Ausrichtung nicht so schlimm erwischt hat?
Bernd Zipper: Es gibt ein paar, bei denen es aufgrund ihrer Spezialisierung besser aussieht – die Labels machen, Etiketten, Verpackungen. Auch diejenigen, die End-Consumer-Produkte herstellen, also in dem Fall Fotobücher, personalisierte Kinderbücher oder Canvas-Bilder fürs Wohnzimmer, kommen gut weg; denn die Leute hatten und haben viel Zeit, für die Oma ein Erinnerungsbuch zu gestalten. Es gibt im B2C-Bereich also einige, die im Frühjahr mehr Umsatz gemacht haben als im Vorjahr.
Balthasar Mayer: Das von Ihnen veranstaltete Online Print Symposium 2020 war ja eine der letzten Veranstaltungen, die noch als Präsenz-Event stattgefunden hat …
Bernd Zipper: DIE letzte Veranstaltung! (lacht)
Balthasar Mayer: Wenn Sie nochmal zurückblicken: Wie stand der Onlinedruck zu diesem Zeitpunkt da – vor Corona?
Bernd Zipper: Eigentlich ganz gut. In unserem Online-Print-Index sind die Top-Five-Player, die wir im deutschen Markt sehen, zusammengefasst, also Cewe, Flyeralarm, Cimpress, Onlineprinters und United Print. 2019 sind diese zusammengenommen auf einen Umsatz von rund 1,7 Milliarden Euro gekommen. Und wir sehen für 2019 eine durchschnittliche Wachstumsrate von 9,5 Prozent. Wir haben daraus eine Prognose für das Jahr 2020 entwickelt: Vor und auch noch während des Symposiums haben wir Wachstumsraten von 7,1 Prozent im B2C-Bereich und 8,5 Prozent im B2B-Bereich angenommen. Das trifft so nicht mehr zu. Im B2C-Bereich haben wir sicherlich ein Wachstum dieses Jahr; ich würde sogar sagen zwischen 10 und 12 Prozent, genaue Zahlen gibt es noch nicht. Im B2B-Bereich haben wir aber definitiv ein Minus, ich würde sagen um die 12 bis 18 Prozent.
Vor Covid-19 hatten wir noch einen Forecast, dass wir im Jahr 2020 rund 8,74 Milliarden Euro im online-getriebenen Print-Umsatz in der DACH-Region sahen. Dafür berücksichtigten wir alles, was online generiert wird – dazu gehört der Pure-Online-Print, aber auch B2B-Portale und Online-B2B-Angebote von klassischen Druckern, plus die Umsätze ausländischer Online-Anbieter, die in Deutschland gemacht werden. Diese 8,74 Milliarden Euro müssen wir revidieren. Auch durch den zweiten Lockdown angetrieben, werden zwischen 1,6 bis 1,8 Milliarden Euro aus dem Markt abfließen – Umsatz, der auch nicht wiederkommt. Das ist schon relativ krass, weil gerade Onlinedruck immer frisches Geld benötigt, um neu investieren zu können.
Balthasar Mayer: Kann man schon eine Einschätzung für den Onlinedruck in der Nach-Corona-Zeit wagen?
Bernd Zipper: Es ist schwierig. Wir haben kürzlich für den Onlinedruck 2021 eine Prognose veröffentlicht. Wir haben gesagt, die online-getriebenen Umsätze nur in Deutschland werden nach dem ersten Lockdown ungefähr 4,9 Milliarden Euro betragen. Eigentlich wäre es deutlich mehr gewesen. 2021 sehen wir aber, dass sich der Markt erholt, und zwar mit einem Umsatz von 6,7 Milliarden Euro – wiederum nur in Deutschland. Es werden einige den Markt verlassen, vor allem wenn Anfang Januar die Meldepflicht für Insolvenzen wieder aufgenommen wird. Aber viele haben gelernt, dass man die Zeit, in der nichts anderes funktioniert, nutzen kann, sich digital besser aufzustellen, digitale Strategien zu entwickeln. Denn wenn die Anlässe langsam wiederkommen, wegen denen jemand etwas drucken lassen will, oder wenn es neue, erklärungsbedürftige Anlässe gibt, wird Print davon profitieren. Wenn ich im Frühjahr zu einer Digitalkonferenz einlade, werde ich unweigerlich auch auf Print kommen. Weil Print eine gewisse Wertschätzung rüberbringt. Niemand meldet sich zu einer digitalen Konferenz an, die 1.000 Euro kostet – zumindest zurzeit noch nicht –, wenn er nicht vorher etwas in der Hand hatte, was ihm Vertrauen gegeben hat. Denn die Währung im Internet ist definitiv Vertrauen, aber nur im Internet sowas aufzubauen ist schon ein wenig problematisch. Und deswegen glauben wir, dass im Frühjahr Print leicht anziehen wird; sobald wieder eine Normalität eintritt, wird es auch einen Boom geben. Denn Leute wollen Geschäfte machen, sie wollen ihre Veranstaltungen positionieren. Viele Kulturevents zum Beispiel, die jetzt ausfallen, werden nicht nachgeholt, aber in einer neuen Form dargeboten. Und diese muss beworben werden. Deswegen sehen wir im nächsten Jahr ein Niveau deutlich über dem jetzigen – sofern es nicht zu einem weiteren Lockdown kommt. Dann sehen wir die Gefahr einer großen Wirtschaftskrise, das wird auch kein Staat mehr auffangen können. Aber ich glaube an die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft und an den Überlebenswillen der Unternehmen. Den sehe ich bei vielen. Sie wollen und werden einen Weg finden.
Balthasar Mayer: Also wird sich auch in Zukunft immer mehr online abspielen. Mit einem Online-Auftritt und auch einem Webshop ist es aber nicht getan. Was muss sich in Unternehmen ändern, damit sie eine Onlinedruckerei werden?
Bernd Zipper: Pardon, aber das ist die falsche Frage. Die richtige Frage wäre: Was muss eine Druckerei tun, um so schnell wie möglich digital zu transformieren. Unternehmen müssen nicht zwingend Onlinedrucker werden. Jetzt mal von heute auf morgen Flyeralarm oder Saxoprint zu werden, das geht überhaupt nicht. Die Druckereien haben gar nicht die Mittel dazu. Wozu sie aber die Mittel haben: Das Mindset muss sich ändern. Weg vom „Ich wehre mich gegen Digitales“ hin zu „Ich nehme Digitales an, um mein Unternehmen voran zu bringen“. Es gibt immer noch Unternehmer, die nach einem Prinzip wie in den 50er-Jahren unterwegs sind: Herrsche und mache Kohle. Doch das ist nicht mehr der Weg. Der Weg ist ein kooperatives Miteinander. Und das steht vor jeglicher Digitalisierung. Denn die bringt natürlich auch erstmal Unwissenheit mit. Man muss etwas Neues lernen, man muss versuchen, in irgendeiner Art und Weise das Alte ein bisschen auszuschalten und einen neuen Weg mit digitalen Tools zu finden. Das Gegenteil ist aber meistens der Fall – ich habe den alten Weg und versuche, was Digitales herumzubiegen. Ein Beispiel: MIS-Systeme. Da wird monatelang herumgedoktert, bis ein super Tool auf den alten Prozess angepasst wird, um dann nicht zu funktionieren. Ich muss stattdessen den alten Zopf abschneiden und neu anfangen.
Balthasar Mayer: Was müssen die Unternehmer hierbei beachten?
Bernd Zipper: Es gibt einfache Regeln: Analysieren, wo ich heute stehe, was ich morgen tun will, und wie ich da hinkomme. Und dann auch einmal einen Berater fragen, ob der einen begleitet – jemand von außen, der einem sagt, schneide diesen Zopf ab, mach was Neues. Und wenn du dazu nicht die Möglichkeit hast, dann baust du zur Not in deinem Betrieb eine zweite Produktion auf, die anders funktioniert als die analoge. Und dann lässt du da eine Kultur entwickeln, die auch in die alte Welt rübergeht, und die auch die Kollegen an der Maschine überzeugt, dass dieses System besser sein kann. Wenn ich als Unternehmer digitalisieren möchte, ist das schön und gut. Aber wenn das Team nicht mitzieht, die Firma, die Kollegen und auch die Familien dahinter nicht mitziehen, dann wird es problematisch.
Balthasar Mayer: Haben eventuell Druckdienstleister Sorge, dass sie durch einen unpersönlichen Webshop den Kontakt zu ihren Kunden verlieren?
Bernd Zipper: Ich bin absolut für die persönliche Beziehung zwischen Kunde und Drucker. Aber man braucht keine persönliche Beziehung, wenn man mal wieder Briefpapier oder Flyer drucken lässt. Erst wenn es komplex wird, braucht man Beratung. Und diese Beratung ist auch ganz wichtig, Standardprodukte kann der Kunde online bestellen, für alles andere hat er einen Ansprechpartner. Je persönlicher, desto besser – die unpersönliche Website oder der Online-Shop ist ein Werkzeug, genauso wie die Tastatur des Handys. Und zwar um schnell einen Preis zu bekommen. Und das Handy, das wird in Zukunft noch eine ganz besondere Rolle im Bereich Onlinedruck und Web-to-Print spielen.
Balthasar Mayer: Inwiefern?
Bernd Zipper: Das Handy ist der Informationssammler schlechthin für uns geworden. Alle Kontakte, alle Social-Media-Kanäle, alle News-Kanäle laufen auf dem Handy zusammen. Ich habe dadurch jederzeit Zugang zu Informationen, beispielsweise was ein Ticket, ein Mietwagen oder eben ein Flyer bei verschiedenen Anbietern kostet. Und auf diese Weise wird das Handy auch die Schaltzentrale für Beschaffungen im B2B-Bereich. Wenn jemand beispielsweise auf Social Media positiv auffällt, dann transportiert man das mit an den Arbeitsplatz oder in die Aufgaben, die man in einem Unternehmen übernimmt. In diesem Fall nutzt man das Handy auch, um zu kalkulieren, um zu sehen, welche Anbieter es gibt. Außerdem kann ich Informationen schnell verlinken. Wenn ich als Chef unterwegs bin, und etwas Interessantes entdecke, schicke ich den Link ins Büro und lasse es mir bestellen. Wenige werden einen Druckauftrag auf dem Handy erteilen, schon gar nicht für etwas Komplexes. Aber sie leiten die Produkt- und die Preisinformation an denjenigen weiter, der es nachher realisiert. Und dass das Handy im Printbereich grundsätzlich funktioniert, sehen wir jeden Tag – bei Fotobüchern, bei Postkarten, bei all diesen Produkten, die mittlerweile über eine App beziehbar sind.
Balthasar Mayer: Passend dazu ist das Motto des nächsten Online Print Symposiums, das am 8. und 9. Juni 2021 stattfindet, „Start Up and Print Online!“ Was kann man sich darunter vorstellen?
Bernd Zipper: Wir wollen alle, die sich nicht als Teil der Druckindustrie fühlen, aber trotzdem mit Print unterwegs sind – die App-Hersteller dieser Welt, die mypostcards dieser Welt – zusammenholen und einem größeren Publikum vorstellen. Ich darf noch nicht zu viel sagen, aber wir haben wirklich interessante Gäste. Wir werden einen Pitch-Nachmittag veranstalten: Start-ups können sich vorstellen und live ihre Idee präsentieren. Da gibt es spannende Sachen, und dafür wollen wir eine Plattform bieten. Deshalb sind wir auch nicht mehr in einem klassischen Setup. Wir gehen in ein Start-up-Center, in die Design Offices Atlas in München. Hier haben wir die obere Etage samt Dachterrasse gemietet, damit wir ab und zu an die Luft kommen und abends ein Grillfest feiern können – sofern es die behördlichen Umstände zulassen. Wir gehen allerdings davon aus, dass wir nächstes Jahr im Sommer eine andere Situation haben. Zudem können wir mit frischer Luft arbeiten, können das entzerren. Ich glaube, dass wir ein schönes Event hinbekommen.
Balthasar Mayer: Warum ist für eine Branche wie den Onlinedruck das persönliche Zusammenkommen wichtig?
Bernd Zipper: Viele wissen es nicht, aber es gibt die Initiative Online Print. Den gemeinnützigen Verein habe ich vor elf Jahren mit einigen Mitstreitern gegründet. Anfangs ging es nur um ein Patent, seit acht Jahren ungefähr wollen wir uns vor allem austauschen – der kleine mit dem großen, der mittlere mit dem anderen mittleren, der Large-Format-Printer mit dem B2B-Drucker – und dazu brauchen wir ein Habitat. Und dieses Habitat ist in erster Linie die Initiative Online Print, in der 45 Unternehmen sich zusammengeschlossen haben – übrigens mit fast 4,2 Milliarden Euro Gesamtumsatz. Und dann gibt es das Online Print Symposium, wo andere dazustoßen können. Wir legen bei der Konferenz großen Wert auf Kommunikation. Gerade wenn ich ein komplexes digitales Projekt realisiere, egal ob eine neue Funktion im Online-Shop oder eine App oder einen Editor, brauche ich jemanden als Sparringpartner, und den finde ich da. Und ein wenig ist es auch eine Talentbörse: Man sieht, die jungen Leute haben die oder die Idee, vielleicht können mir die auch helfen. Ich behaupte auch, dass einige Entwicklungen im Onlinedruckmarkt nicht so gelaufen wären, wenn es das Symposium nicht gegeben hätte. Weil die richtigen Leute zusammenkommen.
Balthasar Mayer: Ich erinnere mich, dass Sie 2013 auf dem Symposium gesagt haben, LFP sei im Onlinedruck ein Nischenmarkt. Wie sieht das heute aus?
Bernd Zipper: Im Onlineprint-Mix ist LFP mittlerweile eine feste Größe. In den vergangenen Jahren hat sich enorm viel getan. Die meisten großen Anbieter, egal ob Onlineprinters oder Flyeralarm, haben ihre eigenen LFP-Abteilungen. Es gibt auch immer wieder neue Applikationen im LFP-Bereich, zum Beispiel individuelle Großverpackungen. Das Thema Acrylglas ist ebenfalls hochinteressant.
Balthasar Mayer: Die LFP-Produktionen der Onlinedruckereien sind auch oft Musterbeispiele an technischer Ausstattung und Prozessoptimierung.
Bernd Zipper: Absolut. Auch das Thema Robotik hätte wahrscheinlich ohne den Onlineprint nicht solch eine Dynamik aufgebaut. Die Onlinedrucker sind die ersten, die nach Lösungen suchen, wie man zum Beispiel eine 2-mal-3-Meter-Platte am besten auf einen Drucker befördert. Die Logistik ist hier auch ein großes Thema. Es gibt Anbieter, die gerade in den vergangenen Jahren enorm gewachsen sind, zum Beispiel Probo in den Niederlanden. Die haben in ihrem Werk sogar einen Workflow mit einem Laufband, auf dem sie Riesenplatten durch die Firma befördern. Das ist schon faszinierend, was da passiert ist.
Balthasar Mayer: Ein anderer Bereich, der online einen großen Boom hatte, war der Textildruck, im Speziellen der T-Shirt-Druck. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?
Bernd Zipper: Das, was wir im Textildruck sehen, ist im Prinzip der Beginn der Mass-Customization-Ära auf breiter Ebene. Der Kunde gibt Geld aus, um eine Botschaft auf ein T-Shirt zu drucken – oder eine Tasse oder einen Kugelschreiber et cetera. Der Kunde hat ein Ziel, nämlich eine Botschaft zu verteilen. Und mittlerweile kann er es sich auch leisten. Individuelle Shirts waren früher teuer, heute ist es ein industrieller Prozess. Wenn ich beispielsweise bei Spreadshirt sowas mache, habe ich innerhalb von drei Tagen mein T-Shirt. Und das ist erst der Anfang. Mit Massenkollektionen bin ich niemand Besonderes, wenn ich das trage. Aber mit einem personalisierten T-Shirt schon. Diesen Ansatz der Mass Customization sehen wir in vielen Sachen, zum Beispiel im Interior Design für Hotels. Large Format und Textildruck sind da nicht mehr wegzudenken. Stoffe, Wandbespannungen, Teppiche, all das hat mittlerweile einen festen Stellenwert in der Innenarchitektur, in der Gestaltung von Räumen. Das heißt, wir sind im Textildruck noch relativ am Anfang, viele Sachen sind noch sehr unpraktisch; da muss man nochmal drüber nachdenken, wie man die Usability und die Zugänge besser gestalten könnte. Aber das ist ein Prozess, und der dauert noch ein wenig – doch es wird noch viel passieren. Ob ich jetzt aber von heute auf morgen in den T-Shirt-Druck einsteigen würde, das weiß ich nicht. Da sind die Kundenzugänge gut verteilt, da gibt es ein paar Große, die natürlich auch clevere Systeme dahinter haben, wie Spreadshirt. Übrigens hat Spreadshirt während der Covid-19-Krise relativ gute Umsätze gemacht. Weil auch hier die Leute Zeit hatten, etwas zu gestalten.
Balthasar Mayer: Den Großformatdruck integriert, den Textildruck ebenfalls – wird es bei den Onlinedruckern eine Vermischung der verschiedenen Branchen geben?
Bernd Zipper: Es wird insgesamt eine Vermischung stattfinden. Flyeralarm zum Beispiel ist ja nie der eigentliche Pure-Online-Printer gewesen, für den wir ihn immer gehalten haben. Das Unternehmen bietet viel mehr – ob digitale Services, Videos, das Gestalten von Websites et cetera. Es ist eigentlich ein klassischer 360-Grad-Anbieter. Aber sie benutzen Online-Plattformen, um zum Kunden zu kommen. Das sehen wir immer mehr. Es gibt vielleicht noch Firmen wie Saxoprint, die als Pure-Online-Player unterwegs sind; aber die meisten Anbieter, die wir sehen, sind dabei, viel umfassendere Dienstleistungen und Services anzubieten. Das zeigt, dass die gesamte Branche Richtung online geht. Weil unsere Branche in Richtung Automatisierung transformiert: einfache Auftragsannahme, einfache Kalkulation, einfache Logistik hintendran – vieles wird zurzeit noch analog gemacht, per Turnschuh-Netzwerk innerhalb der Firmen. Doch über kurz oder lang wird alles digital, was digital werden kann. Im Bereich Print bleiben eigentlich nur noch der Prozess des Druckens und die Weiterverarbeitung. Langfristig gesehen – und da rede ich von den nächsten fünf Jahren – werden wir die Trennung Online-Drucker versus Offline-Drucker nicht mehr haben, sondern wir werden ausschließlich transformierende Druckunternehmen sehen.
Das Interview erschien zuerst im Fachmagazin SIP und wurde vom Chefredakteur Balthasar Mayer geführt. Siebdruck, Digitaldruck und Textildruck sind die Kernthemen der Fachzeitschrift. Sechsmal im Jahr informiert sie umfänglich über Large Format Printing, industriellen Druck und Textilveredelung.
www.sip-online.de
