An einem unfassbar heißen Tag haben sich „Best of BEYONDPRINT“ und „Best of BE.BEYOND“ getroffen. Dass dies spannend ist, bleibt nicht der Alliteration geschuldet. Spannend ist das aktuelle Thema „Erfolg vor, während und nach Krisenzeiten“, welches Bernd Zipper mit André Hausmann aufarbeitet. Die meisten kennen BE.BEYOND eher unter dem Namen LEAD-PRINT. Man könnte fast sagen, so eine Art „hidden Hero“ – aber so „hidden“ ist dieses Unternehmen gar nicht. Wir haben von Seiten BEYONDPRINT gesagt, wir müssen BE.BEYOND noch besser kennenlernen und was gibt es Besseres als ein Gespräch dazu. Bernd Zipper hat André Hausmann, Inhaber und Geschäftsführender Gesellschafter von BE.BEYOND GmbH & Co KG in Willich gesprochen. Herausgekommen sind essenzielle Erkenntnisse zur Verbesserung der aktuellen Lage für die Betreiber von Web Shops im Allgemeinen und Druckereien im Speziellen.
Lesen Sie hier eine kürzere Fassung des Interviews, eine längere in beyondprint unplugged oder hören Sie das Gespräch in voller Länge im Podcast auf zippers insights oder Spotify.
Bernd Zipper: Du bist ja schon ein alter Hase in der Branche.
André Hausmann: Das stimmt. Wir haben jüngst das 20-jährige gehabt. Genau genommen haben wir zwar die ersten ein bis zwei Jahre kein klassisches Web-to-Print gemacht, aber seit 18 Jahren beschäftigt uns die online Druckdatenerstellung.
Bernd Zipper: LEAD-PRINT, um das klarzumachen, ist das Produkt und BE.BEYOND ist das Unternehmen dahinter.
André Hausmann: Die wenigsten kennen BE.BEYOND, sondern die Marke LEAD-PRINT. Ich möchte die Firma jedoch nicht umbenennen, mein Herz hängt sehr an dem alten Namen. Der so viel wie „sei weiter“ bedeutet und das ist unser Credo.
Bernd Zipper: Das Produkt ist eine Shop Lösung. Ihr seid da so ein „hidden“ Hero, macht nicht so viel Lärm wie andere, die da unterwegs sind. Tatsache ist, dass Ihr in zahlreichen Systemen seit Jahren gut verankert seid.
André Hausmann: Das stimmt und wir sind sehr froh darüber. Wir sind, nach all den Jahren, immer noch auf jede Installation stolz. Ich denke das ist eines unserer Geheimnisse. Gerade im Closed Shop Bereich sind wir sehr stark und da wünschen die Betreiber meist keine Pressemitteilung. 1600 Portale allein in Unternehmen in Deutschland. Das ist eine Zahl, die sich sehen lassen kann. Darin enthalten sind sehr viele Open Shops im Druckshop Bereich.
Bernd Zipper: Ich glaube Discountdruck24 ist mit Euch unterwegs.
André Hausmann: Ja, im Closed Shop. Wir bleiben eigentlich im Hintergrund. In der Regel herrscht Stillschweigen. Wir unterstützen die Druckerei das Geschäft zu machen, zu multiplizieren und letztendlich deren Kunden zu binden.
Bernd Zipper: Eure Produktline besteht aus dem Online Druckshop – klar der Online Shop. Online Creator – das klassische Web-to-Print – ich habe ein Template und befülle da was. Die Print Lounge brauche ich, um das Ganze zu managen. Habe ich das korrekt zusammengefasst?
André Hausmann: Richtig. Natürlich muss man den Kindern Namen geben. Wir trennen es nach Kundengruppen. Unser Closed Shop ist B2B und hat alles was ich brauche, um Firmenkunden an mich zu binden. Der klassische Open Shop, der Online Creator, ist ein virtuelles Produkt. Er wird aus beiden anderen Produkten gebildet und ist für den Endkundenmarkt. Unsere Kernkompetenz ist klar der Closed Shop für die Druckerei.
Bernd Zipper: Aber dann schon mit Druckdaten-Check und allem was dazu gehört, damit das ein sauberer Prozess ist?
André Hausmann: Ja, bis hin zu Bestellungen und die Integration in andere Systeme ist der Prozess systemgestützt und sauber. Verdient wird das Geld am Ende mit der Ersparnis der Druckerei, sagt man. Dabei geht es immer darum, wie der Auftrag durch die Druckerei oder durchs Unternehmen geht.
Bernd Zipper: Im Umkehrschluss heißt das, dass Ihr andere Editoren einbinden könnt.
André Hausmann: Wir haben eine offene Rest-API. Damit lässt sich grundsätzlich jeder Editor anbinden, wenn der Editor das erlaubt. Für B2B ist unser Editor perfekt, da brauchen wir in der Regel keinen anderen. Für B2C gibt es andere Anforderungen, wenn es um „fancy“ geht.
Bernd Zipper: Stellst Du das eigentlich auch fest, dass die Anforderungen an einen Editor für B2B und B2C immer mehr zusammen rutschen?
André Hausmann: Ja, die Anfragen werden komplexer, was uns vor Herausforderungen stellt. Wir haben die PDF Library im Einsatz und rändern auf PDF-Basis. Ganz klassisch, was man sieht ist hundertprozentig das was man bekommt. Bei komplexen Produkten, Broschüren oder Tabellen, ist das schon nicht so einfach. Die Komplexität hat in allen Bereichen zugenommen.
Bernd Zipper: Du hast mir vor Jahren mal gesagt: „bei uns gibt es den Shop erstmal so und wenn die Anwender den nutzen, berechnen wir eine Gebühr pro Job.“ Daraus sind eine Menge von Lizenzmodellen im Markt entstanden. Wie sieht es denn heute bei Euch aus? Kaufe ich die Software bei Euch? Habe ich Pay per Click? Habe ich einen Mix?
André Hausmann: Die meisten unserer Kunden fangen mit der klassischen SaaS Lösung an. Eine kleine Lizenzgebühr und eine Mindestgebühr, also pro Order bezahlt man Geld und feste Gebühren. Ab etwa 800 bis 900 Bestellposten im Monat lohnt sich eine Kaufversion. Niemand möchte tausende von Euros für eine Web-to-Print Anbindung ausgeben, ohne zu wissen ob es sich rechnet.
Bernd Zipper: Rechnen wir mal für einen mittelständischen Drucker, mit etwa 1000 Jobs im Monat. Der möchte euer Backend mit dem Editor und will ein Komplett-Paket haben. Was kostet das circa?
André Hausmann: Initial mit den entsprechenden Schulungen „ready to run“ rund 8000 €. Dazu kommen bei 1000 Aufträgen pro Monat ungefähr 600 € monatlich.
Beim Kauf ist es dann davon abhängig, ob Closed Shop oder Open Shop. Wir trennen das konsequent. Die Prozesse bei B2B und B2C sind zu unterschiedlich. Im Closed Shop liegt man realistisch bei knapp 20000 € plus Wartung. Die meisten unserer Kunden bleiben auf unseren Servern, weil wir die Vorgaben der DSGVO mehr als einhalten und ISO zertifiziert sind. Das Hosting liegt bei 249 €. Das ist mehr als ein eigener Server kostet, aber wir bieten den Service dazu.
Bernd Zipper: Was mir über die Jahre gefallen hat, ist eure Entwicklung. Am Anfang hattet Ihr einen kleinen Shop. Da habe ich selbst noch gesagt, mal schauen was draus wird. Ihr habt euch grandios entwickelt und jetzt gibt es Schnittstellen Richtung Magento, xt:Commerce, Shopware und Cosmoshop. Cosmoshop kenne ich gar nicht.
André Hausmann: Cosmoshop ist sehr erfolgreich, die haben eine eigene Shopware Linie. Einen Shop, der bei großen Firmenkunden, beispielsweise Unitymedia oder Avia zum Einsatz kommt. Die bilden komplette Prozesse ab. Das muss man sich so vorstellen: die ganzen Ladenlokale sind schon vermessen und die Werbeplätze sind dort integriert. Die hatten den Wunsch gehabt Druckdaten zu generieren. Da geht es nur um den Editor und teilweise um die Ausgabe. Wir unterstützen „dropshipping“. (Anmerkung der Redaktion: dropshipping zu Deutsch Streckengeschäft, bei dem ein Händler Ware von Lieferanten erwirbt und sie an Kunden weiterverkauft, ohne physischen Kontakt mit der Ware zu haben.) Die Aufgabe ist andere Onlinedruckereien anzubinden, dazu muss man den Output und das Order Management im Griff haben. Silvan Dolezalek von Cosmoshop hat schon mehrere gute Referenzen im Closed Shop Bereich – aber ohne Druckdatengenerierung.
Bernd Zipper: Klingt sehr interessant. Was ist denn mit Shopify? Warum macht Ihr da nichts?
André Hausmann: Weil Shopify klassische Stock Ticker sind. Unsere Kunde haben in der Regel ein internes Bestellsystem. Dort können wir unseren Editor in die Prozesse integrieren. Es geht um Freigaben und SAP-Schnittstellen, wie den Zugriff auf externe Produktkataloge (Open Catalog Interface = OCI Punchout). Wir bekommen sehr viele Anfragen für Magento und Shopware, für den Open Shop Bereich. Das war gar nicht unsere Absicht. Wir wollen Kunden, die einen B2B Closed Shop haben und jetzt einfach eine anständige Druckdatenerstellung mit allem Drum und Dran brauchen.
Bernd Zipper: Shopify ist für viele ein Thema. Die kommen jetzt an die Limitierungen, wie maximal 100 Positionen oder Varianten und ähnliches. In dem Zusammenhang Danke an Lasse Harder, der Shopify genauer unter die Lupe nimmt. Er hat schon einiges herausgefunden. Auf der anderen Seite hat Shopify den Vorteil eines unschlagbaren GUI und ist sofort mobile verfügbar. Da bin ich mal gespannt.
André Hausmann: Ich auch. JTL ist ein deutscher Hersteller, bei dem es hieß, der wird durch die Decke gehen. Mit Sicherheit haben die genug Installationen. Wir selbst haben damit eher selten zu tun. Man muss immer sehen, wo die Anfragen herkommen.
Bernd Zipper: Der Hammer ist allerdings: Wusstest Du, dass Shopify einen 10-fach höheren Unternehmenswert, Stand Juni 2020, als BMW hat?
André Hausmann: Nein, schon wieder etwas gelernt.
Bernd Zipper: Ein anderes Thema. Jetzt haben wir verschiedene Shops, kommen in eine Druckerei und die haben da ein MIS System aus den 60er Jahren mit Lochkarte und mit Taschen, die gedruckt und rumgetragen werden. Die Anforderungen: „Wir wollen nur einen Onlineshop, das MIS und die IT sollen bleiben, wie es ist.“
André Hausmann: Die Anfrage bekomme ich sehr häufig. Wir fragen dann: „Warum? Was willst Du? Willst Du die Rechnung damit schreiben?“ Hier unterscheiden wir wieder in Open Shop und Closed Shop. Bei Open Shop, habe ich die proprietäre Bezahlung im Shop und den nachfolgenden DATEV Export. Das MIS kann man umgehen. Man braucht nicht jeden Kunden, der einen Aufkleber bestellt im MIS haben. Muss es sein, dann nutzen wir unsere XML Output Stellen. Meistens macht man das einmal im Monat für den Abschluss. Im Closed Shop Bereich haben wir andere Anforderungen, da muss ich Sammelrechnungen schreiben, da möchte ich eventuell die Bestellungen immer gesammelt in meinem MIS haben, da müssen wir uns das wirklich genau anschauen. Es gibt eine Grundregel: Wenn das andere System irgendwie etwas reinlässt, kriegen wir das da rein. Über die Jahre haben wir mit fast 250 Druckereien Erfahrungen sammeln können. Die klassischen Schnittstellen zu MIS Systemen haben wir. Wir haben Printplus, PaginaNet und seit neuestem Keyline.
Bernd Zipper: Ja, aber ist das jetzt Import/Export oder ist das eine bidirektionale Kommunikation?
André Hausmann: Nicht bidirektional. Wir haben keine Schnittstelle für den Open oder Closed Shop Bereich, mit der wir Preiskalkulationen aus dem MIS System herausnehmen. Sehen wir noch nicht den Nutzen drin.
Bernd Zipper: Also Ihr habt eine eigene Kalkulation im eigenen System und wenn ich jetzt Kunde bin muss ich jetzt trotzdem beides pflegen.
André Hausmann: Das MIS muss ich eigentlich nicht pflegen, denn ich übernehme die Preise, die ich online gepflegt habe ins MIS.
Bernd Zipper: Das sieht der Sachbearbeiter, der mit dem MIS arbeitet, anders.
André Hausmann: Das muss man differenzieren. Wenn man die im MIS System kalkulierten Preise in einen Open Shop stellt, bekommt man keinen Auftrag, das kann man sein lassen. Im Open Shop haben wir in der Regel keine linearen Staffeln. Kalkuliert wird mit einem Auge auf den Wettbewerber. Da ist meiner Meinung nach das MIS raus. Im Closed Shop Bereich besteht das Problem auch nicht. Da gibt es in der Regel wenige Preise, oft nur 2 bis 3 Staffeln pro Produkt. Grundsätzlich wäre eine volle Integration schön, scheitert aber häufig daran, dass die Anwendungen zu sind.
Bernd Zipper: Oft müssen diese zu sein, damit das System funktioniert – ein altes Dilemma. Wir sind immer noch auf der Suche nach diesem Transporter in der Mitte, der in beide Richtungen übersetzt. Ziel muss sein flexibel zu bleiben, doch der alten und neuen Welt gerecht zu werden ist gar nicht so einfach.
André Hausmann: Ich glaube, dass wir kein Problem haben aus einer standardisierten Umgebung die Preise herauszunehmen und darzustellen.
Bernd Zipper: Oft behaupten Unternehmen ein System zu haben, das alle benutzen. Ich habe aber noch nie davon gehört. Kennst Du das auch?
André Hausmann: Sehr schön bei Lagersystemen. Es gibt sehr viele Druckereien, die Werbemittel einlagern. Ein Closed Shop bietet ja mehr als nur Druck. Wir haben sehr, sehr viele Unternehmen mit Lagerbestandsystemen, alle selbstprogrammiert, teilweise noch auf einer AS 400.
Bernd Zipper: Ihr habt eine Mailinganbindung mit der Post, respektive Dialogpost. Was steckt denn dahinter?
André Hausmann: Es ging einfach darum, dass man im Closed und Open Shop Bereich der Druckerei einräumt den Kunden nicht nur das gedruckte Druckprodukt darzustellen, sondern die Möglichkeit bietet zu sagen: „ich kümmere mich darum, dass deine Werbung beim Kunden ankommt.“ Das ist die Kür! Je mehr Werbung beim Kunden ankommt, desto mehr drucken die Leute, desto glücklicher sind unsere Kunden, nämlich die Druckereien. Die Post bietet mit Postaktuell die Möglichkeit, dass der Kunde direkt seinen Verteilraum anhand der Straße oder PLZ wählen kann. Die Postaktuell Schnittstelle zählt die möglichen Briefkästen und ich habe dann das Potenzial. Beispielsweise, wenn ich in Essen in der Innenstadt für meinem Laden werbe, finde ich dort 23000 Haushalte. Ich bekomme einen Preis und kann dann Werbung für einen gewissen Zeitraum buchen. Die Druckerei druckt und liefert an die Post. Die Post verteilt dann drei Tage plus minus in dem Gebiet. Die Onlinedruckerei kümmert sich also für den Kunden um die Verteilung. Das ist für uns als Softwarehersteller perfekt. Wir versuchen immer, dass unsere Kunden Umsatz generieren und zu ihren Endkunden Unique Selling Points haben. Die haben jetzt eine klassische Vollpersonalisierung in der Print Lounge und da passt Postaktuell perfekt dazu.
Bernd Zipper: Ein sehr interessantes Konzept. Ich war letzte Woche bei sourc-e. Die haben mir gesagt, dass sie was mit euch zusammen machen. Was genau, sollst Du mir sagen.
André Hausmann: Mit sourc-e sind wir jetzt seit einem dreiviertel Jahr dabei. Die haben eine innovative Software für die Druckkalkulationen von komplexen, gebundenen Produkten sehr vereinfacht. Ich will nicht zu viel verraten, aber wir werden den sourc-e Kalkulator in unsere Software integrieren. Die Druckerei kann damit auch komplexe Produkte anbieten. Das angesprochen Problem mit der MIS Kalkulation umgehen wir damit.
Bernd Zipper: Wird es das zur drupa21 geben?
André Hausmann: Wir sind jetzt in der Betaphase. Geplant ist eine Markteinführung im August/September. Zuerst stellen wir es unseren Anwendern vor, um ein Feedback zu bekommen. Wir sind keine Druckerei, das bedeutet wir versuchen schon unsere Kunden mitzunehmen und aus der deren Sicht zu urteilen.
Bernd Zipper: Wenn Du auf E-Commerce Print schaust, hättest Du gedacht, dass es sich mal so verändert?
André Hausmann: Ich bin der Meinung, dass bestimmte Punkte endlich sein müssen. Das muss entweder stoppen, gleichbleiben oder komplett verändern. Dass sich das in diese Richtung bewegt und dass Deutschland so treibend ist im Print E-Commerce hätte ich tatsächlich nicht gedacht.
Bernd Zipper: Wir haben früher über Visitenkarten oder über Flyer geredet. Heute geht es darum, wie wir den runden Rücken eines Buches in Abhängigkeit des Papiervolumens kalkulieren. Wir sprechen von Registerstanzen und Packaging und was weiß ich nicht alles – Hättest Du gedacht, dass wir in diese Dimension überhaupt vorstoßen?
André Hausmann: Das was Du jetzt skizziert hast, ist tatsächlich nur ein Bruchteil der Anforderungen. Wenn ich die Möglichkeiten der unterschiedlichen Drucktechniken berücksichtige, muss man sagen: Nein, hätte ich nicht gedacht. Es ist schwierig Software vorauseilend zu entwickeln. Manchmal überholt man sich selbst oder manchmal entwickelt man komplett am Markt vorbei. Wir müssen so schnell reagieren, wie es irgendwie geht.
„Am Anfang wurden Visitenkarten oder Flyer in Web Shops angeboten. Heute geht es darum, den runden Rücken eines Buches in Abhängigkeit des Papiervolumens zu kalkulieren und um Mass Customization. Das müssen Online Systeme zukünftig können. Die doppelte Pflege der Kalkulationsgrundlagen ließe sich vermeiden und mit leistungsfähigen Werkzeugen können dann ertragsstarke Märkte, wie der der Werbemittel, erschlossen werden. Es ist jetzt die Zeit sich auf den Restart Print vorzubereiten.“ – Bernd Zipper
Bernd Zipper: Wenn Du eure Wettbewerber anschaust: Wo würdest Du euch da positionieren? Bist Du jemand der mit allen arbeitet? Wo siehst Du Dich da im Marktumfeld?
André Hausmann: Ich glaube in den letzten 5 Jahren haben wir uns sehr viel mit den Mittbewerbern gemessen und versucht uns irgendwo einzuordnen. Das haben wir aufgehört, denn jeder hat einfach seine Stärken. Im klassischen B2C ist Cloudlab mit dem Editor eine echt schöne Sache. Wir verweisen die Kunden darauf, wenn wir merken, dass der Kunde mit uns nicht glücklich wird. Es gibt Anbieter mit richtig guter Automation, haben wir nicht. Wir sagen immer zum Kunden, wir sind in der Midrange. Sprich in dem Brot und Buttergeschäft, was bei der Druckerei zu 80% in der Firmenkundenbetreuung passiert. Wir sind perfekt für den Closed Shop Bereich. Ich bin überzeugt davon, dass wir jeden Open Shop, den es draußen gibt, mit unserer Software abbilden könnten. Konkret sehen wir uns im Open Shop Bereich an der Spitze positioniert. Im Closed Shop Bereich würde ich kein Ranking machen, sondern sagen wir können das Massengeschäft. Der ist bei uns richtig, der Firmenkunden an sich binden will, die nicht zu komplexe Anforderungen haben. Beispielsweise Broschüren zusammenstellen oder Übersetzungen in x Sprachen machen wir nicht.
Bernd Zipper: Großes Thema ist Mass Customization, also das Zusammenführen von unterschiedlichen Teilen. Wie Funke mit Smartpaper und andere. Wie sieht es denn mit Mass Customization aus bei Euch?
André Hausmann: Bei Web-to-Print muss man den Anforderungsbereich berücksichtigen. Wir sind mit den Visitenkartenportalen vor 15 Jahren gestartet. Mit unserem dropshipping, welches mehrere Dienstleister zusammenfassen kann, sind wir im Thema Mass Customization gut dabei.
Bernd Zipper: Ihr habt einen sogenannten Think Tank gegründet mit Custom Gateway. Was verbirgt sich dahinter?
André Hausmann: Die machen viele Editoren, sind aber etwas anders gelagert als wir. Custom Gateway verkauft keine Software in dem Sinne, sondern die gehen hin und haben ganz, ganz viele Produzenten. Man kann sich im Werbemittelbereich als Produzent dort anmelden. Als Druckerei kann man diesen Pool nutzen oder sich selbst anbinden. Und das ist etwas, was wir nicht haben. Wir haben keine Produzenten in dem Sinne, wir haben Druckereien, aber wir arbeiten nicht selbst in der Produktion. Das ist eine Sicht der Dinge, die für uns interessant ist. Wir wollen unseren Kunden die Möglichkeit geben für spezielle Produkte, wie etwa Stickereien, diese Editoren zu nutzen. Custom Gateway ist in der Werbetechnik aktiv und da sehe ich noch eine gute Marge.
Bernd Zipper: Ich sehe da sogar einen richtig großen Markt. Ein Markt, der sehr langsam transformiert. Es gibt da noch viele kleine Händler.
André Hausmann: Die Druckerei hat zwar den Kontakt und doch nimmt sie das Geschäft nicht mit. Man muss nicht alles selbst produzieren, einen Kugelschreiber wird man nie selbst produzieren, aber man kann den Kontakt herstellen und die Zentrale sein. Das vergessen die Druckereien sehr oft. Die Druckerei kann die Zentrale für alle Werbemittel sein und das ist außerhalb vom Druck noch viel.
Bernd Zipper: Hängt aber damit zusammen, dass ein Drucker sich nicht als Händler sieht. Nehmen wir mal eine Druckerei mit 10 Mio. € Umsatz. Dann haben wir für Papier und anderes einen Wert in Höhe von rund 2 Mio. € zwischenfinanziert im Lager. Wenn man dann nicht so gutsteht, kann ich nachvollziehen, dass die nicht noch für 200 000 € Ware ins Lager legen.
André Hausmann: Es geht ja darum, andere Werbemittelhersteller anzubinden. Ich will doch das gar nicht bei mir im Lager haben, das wäre nicht clever heutzutage. Dafür gibt es einfach viel zu viele Möglichkeiten. Ich biete einfach dem Kunden an, du kannst deine Bestandspartner bei mir in mein Web-to-Print Bestellportal einbinden. Ich bekomme eine Gebühr je Order oder monatlich dafür. Es geht einfach um Reputation und derjenige zu sein, den man anruft, wenn irgendeiner was braucht. Als Hub praktisch. Dafür muss die Software bereit sein – wir nennen das Dienstleisterfähigkeit. Wenn man das hinbekommt, kann man als Generalunternehmer nicht mehr so leicht gekippt werden, wie nur als Druckerei. Nur Werbemittel einkaufen und dann wiederverkaufen und verschicken macht keinen Sinn.
Bernd Zipper: Jetzt bist Du ja bei vielen großen Playern mit dabei. Die wollen immer gerne alles exklusiv haben. Wie gehst Du mit sowas um?
André Hausmann: Schwierig. Es ist so, keiner möchte ein funktionierendes System gerne teilen. Ich sehe aber, dass diese Einstellung sich gerade ändert. Kein gutes System wird sich exklusiv an einen Onlineprinter hängen, gerade im B2B nicht. Wie soll das wirtschaftlich gehen? Es selbst zu entwickeln, macht meiner Meinung nach überhaupt keinen Sinn mehr, dafür fehlt der Druckerei die Erfahrung. Das heißt, das Umdenken der „großen Onlineprinter“ ist da, glaube ich, andere Systeme zu nutzen und die Stärke nicht im System zu suchen. Eine gute Software allein nützt nichts. Das Geheimnis ist die eigene Leistung und die eigenen USPs mit einer guten Software zu verknüpfen und daraus was richtig Cooles zu machen, etwas das andere Druckereien nicht können. Ich glaube, dass die großen Anbieter das verstanden haben.
Bernd Zipper: Lass und noch auf die aktuelle Situation mit COVID-19 schauen. Wie seid Ihr denn davon betroffen?
André Hausmann: Druckereien im Onlineprint hatten teilweise 70 – 80% Umsatzeinbrüche, weil die Unternehmen und die Endkunden sich zurückgehalten haben. Wir haben mal mit einigen Geschäftsführern gesprochen, die waren bedrückt, aber nicht verzagt. Überwiegend sagten die Leute, es ist halt, wie es ist. Wir haben eine COVID-19 Initiative gestartet und kostenfrei Schulungen angeboten. Zusätzlich boten wir an, die Portale anzusehen und gegebenenfalls zu optimieren. Haben nicht alle, aber sehr viele genutzt. Wir haben den Vorteil, dass wir auch außerhalb der Druckindustrie angesprochen werden. Im Closed Shop Bereich kommen derzeit acht von zehn Anfragen nicht von Druckereien, sondern von anderen Unternehmen, die sagen meine Druckerei ist zu langsam. Die Unternehmen haben die Zeit einfach genutzt und haben auf Homeoffice umgestellt. Wir konnten unsere Einbußen damit abfangen.
„Wir bekommen für den Closed Shop Bereich acht von zehn Anfragen von Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen, die sagen meine Druckerei ist zu langsam. Das sollte die Druckereien eigentlich motivieren proaktiv einen Shop anzubieten.“ – André Hausmann
Teilweise haben Druckereien angefragt, ob wir die Gebühren in den nächsten sechs Monaten einfach halbieren oder stornieren können. Wir haben versucht, jede Druckerei soweit möglich zu unterstützen. Aber ich würde lügen, wenn ich sage wir sind unbeschadet durchgekommen. Wir planten ein bis zwei Leute einzustellen und waren aber dann froh alle Mitarbeiter halten zu können. Wir hatten einen Monat 20 % Kurzarbeit. Wachstum konnten wir keines erzielen.
Bernd Zipper: Wie ist denn so Deine Einschätzung zum Web-to-Print Markt? Die einen sagen B2B wird sich wieder erholen. Dafür wird B2C, wo relativ viel los war während der ersten 10 Wochen der Krise, bis kurz vor Weihnachten wieder etwas runterfahren. Wie siehst Du das?
André Hausmann: Für uns gibt es noch was zwischen B2B und B2C. B2C ist ja echter Endkundenmarkt. Flyeralarm, wir-machen-druck, saxoprint und ähnliche sind für mich kein klassisches B2C. B2B ist wirkliche Firmenkundenbetreuung. Die Firmenkundenbetreuung, wird ganz normal wieder anlaufen. Die Leute sind jetzt schon wieder zurück, merken wir. Es ist eher so, dass die Anforderungen der Automation und des Onlinebringens von Prozessen durch die Corona Krise stärker wird. Die Leute haben im Homeoffice gemerkt, dass einfach mehr elektronische Prozesse notwendig sind. Wir erwarten, gemäß der eingehenden Anfragen, im B2B einen Anstieg. Zum richtigen B2C Markt, beispielsweise Fotobücher, kann ich gar nicht viel sagen. Da haben wir vielleicht 10 bis 20 Shops, nicht die größten, das kann ich nicht als Referenz für den Markt nehmen.
Bernd Zipper: Aber glaubst Du denn, dass der Markt sich wieder erholen wird?
André Hausmann: Ich glaube der Bedarf an Drucksachen wird wieder genau zu dem gleichen Punkt kommen, wenn die Gastronomie und die Events wieder da sind, doch das dauert. Ehrlicherweise muss man sagen, jeder hat Masken verkauft und bewundernswert schnell auf Corona Produkte umgestellt, die haben aber bei Weitem nicht die erhofften Umsätze gebracht.
Bernd Zipper: Weil es dann immer noch zu lange gedauert hat und andere schon im Markt waren.
André Hausmann: Zwei oder drei waren schnell, die konnten Geld verdienen. Dann gab es zwei Wochen, wo es jeder hatte und die Umsatzzahlen waren relativ mau. Auch so ein spannendes Thema wie Postaktuell, ist durch die Corona Zeit etwas gebeutelt. Obwohl man denkt: die sind jetzt alle zuhause, eigentlich genau der richtige Zeitpunkt. Doch die Investitionsfreude in Werbung ist zurzeit eher gering.
Bernd Zipper: Was ist denn jetzt so Deine Idee Print wieder zu starten? Beispielsweise für den Mittelständler der halbe/halbe Kunden hat und bei dem es nicht so großartig läuft. Hast Du da eine Idee, wie so ein Restart Print aussehen könnte?
André Hausmann: Also ich sag immer, wenn wir mit unseren Mittelständlern reden, ihr müsst eure Kunden informieren. Auch wenn sich das so einfach und lächerlich anhört, die Kunden wissen nicht, dass die Druckerei diese Art von Bestellmöglichkeit hat. Also lautet die Devise: Proaktiv die Kunden informieren. Ich bin sicher, dass im B2B Markt langfristig Kunden an sich zu binden, der richtige Weg ist. Wer kontinuierlich Geld einnehmen will, braucht Verträge und das geht nur mit B2B. Und das bekommt man nur, indem ich meine Kunden informiere. Wären die Druckereien aktiver, dann kämen nicht acht von zehn Anfragen aus Nicht-Druckereien. Die Unternehmen wissen oft gar nicht, dass die Druckerei das anbietet. Aktiver zu sein ist ein Knackpunkt bei der ganzen Sache.
Bernd Zipper: Wenn die Drucker fragen, wie sollen wir das machen sage ich: schickt eure Außendienstler in eine Schulung, drückt denen ein Tablet in die Hand, Shop responsive drauf und raus damit zum Kunden.
André Hausmann: Man muss jedem Kunden eine Demo machen und zeigen, „das könnte Dein Shop sein“. Es gibt teilweise sehr einfache Methoden. Die Druckereien, die es verstanden haben, bekommen die wirklich großen Kunden mit Verträgen. Einfach weil sie sagen was sie haben – eigentlich normal.
Bernd Zipper: Eine Sache zum Thema Corona Krise treibt mich noch rum. Glaubst Du, dass wir bald nur noch große Druckereien haben und alle kleinen sind weg?
André Hausmann: Ich möchte mir das nicht vorstellen und würde es nicht ganz so hart sagen. Es wird immer kleinere Spezialdruckereien geben, jedoch wird sich die Anzahl verringern. Ich glaube aber, wenn die kleineren Druckereien mit den großen Produzenten offener zusammenarbeiten, sie mehr annehmen und mehr nutzen, können diese es schaffen. Wie sagte der Chef von Cimpress, Robert Keane, so schön „Coopetition“ und meinte die Dualität von Konkurrenz und Kooperation in unserem Markt ist möglich. Ich glaube, dass da ein bisschen Wahrheit dabei ist. Die großen Anbieter machen die Preise der kleineren Unternehmen kaputt. Doch jede Druckerei hat Stärken, wo sie noch genug Geld verdienen und mit zusätzlichen Services außerhalb vom Gedruckten punkten kann. Die Frage ist, ob die Druckereien diesen Schwung kriegen. Man kann diese großen Druckfabriken für seinen Vorteil nutzen.
Bernd Zipper: Das muss man glaube ich einzeln bewerten, aber es ist ein Ansatz, über den man nachdenken kann. Meine Abschlussfrage an Dich: Was ist die schönste Sache, die Dir letzte Woche passiert ist?
André Hausmann: Das war eine private Sache. Ich habe mich mit meinem 18-jährigen Sohn getroffen und wir haben geredet, ein Bierchen getrunken und ein bisschen Playstation gespielt.
Bernd Zipper: Erwachsene Kinder sind was Schönes! Ich bedanke mich für das aufschlussreiche Gespräch. Ich hoffe die Druckereien kommen in Schwung und dass ich bald mal wieder was von Euch höre.
