Die Marken Spreadshirt Create Your Own, Spreadshirt Marktplatz, Spreadshop, TeamShirts sowie SPOD (Spreadshirt Print-On-Demand) kamen in der Spread Group unter ein Dach. Das Unternehmen hat stark in Produktionskapazitäten investiert. Funktioniert das Geschäftsmodell noch und was hat die Pandemie mit dem Shooting Star des Merchandisings gemacht? CEO Philip Rooke spricht offen über die Zukunft des Unternehmens und hat manch kühne Idee in petto. Bernd Zipper spricht mit dem erfolgreichen Strategen Rooke über die Hintergründe der Umbenennung.
Bernd Zipper: Die Druckindustrie wurde durch die Pandemie hart getroffen. Aber Spreadshirt hat nur gute Nachrichten, oder?
Philip Rooke: Ja, größtenteils. Die Verbraucher, die aufgrund des Lockdowns zu Hause bleiben mussten, haben sich Kleidung und andere schöne Dinge gegönnt. Bei den vielen Videochats ist es eben wichtig, was man oberhalb der Taille trägt und so gingen bedruckte T-Shirts und Kapuzenpullover sehr gut. Die Geschäftsbereiche, welche individuelle Bestellungen oder spezielle Geschenke anbieten, stiegen im Vergleich zum Vorjahr um über 100 Prozent.
Bernd Zipper: Also hauptsächlich Endkunden?
Philip Rooke: Ja, aber auch unser direktes Merchandising, welches in den sozialen Medien die Fans der Influencer zum Kauf anregt, ist im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent gestiegen und entwickelt sich sehr positiv. Andere Unternehmensteile, wie unsere Marke TeamShirts, sind rückläufig. Veranstaltungen von Vereinen und andere Events finden einfach nicht statt. Jedoch erholt sich das Geschäft allmählich wieder. Jetzt sind es halt kleinere Veranstaltungen mit fünf oder sechs Teilnehmern und nicht mit sechzig oder hundert Personen.
Bernd Zipper: Ihr habt aktuell das Umsatzziel zu 60 Prozent überboten.
Philip Rooke: Ja, und das noch vor Weihnachten. Wir haben mehrere Millionen in neue Hochgeschwindigkeitsdrucker von Kornit investiert und eine neue Fabrik in Polen gebaut. Zu Weihnachten betreiben wir zwei Fabriken in Polen.
Bernd Zipper: Hinsichtlich der weiteren Marktentwicklung im Jahr 2021, was sind eure Erwartungen an Spreadshirt?
Philip Rooke: Ich erwarte, dass mit Impfstoffen auch Großaufträge zurückkommen. Wir wollen uns doch alle wieder in größeren Gruppen treffen oder zusammen ausgehen. Die Sport-, Team- und Firmenveranstaltungen werden wiederkommen. Ich denke jedoch nicht nur an die Umsätze, sondern an die Rolle von Druckerzeugnissen und maßgeschneiderten Produkten für Einzelpersonen. Die Menschen haben sich daran gewöhnt und wurden unsere Kunden, das wird nicht wieder verschwinden. Das Verbraucherverhalten hat sich geändert.
Bernd Zipper: Stimmt und gilt auch für Heimdrucksachen, wie Leinwand und ähnliches. Wie man hört, stehen bei Spreadshirt große Veränderungen an. Ihr investiert, zur Abwicklung großer Aufträge, massiv in neue Drucker. Ändert sich euer Geschäftsmodell?
Philip Rooke: Bei der ursprünglichen Marke Spreadshirt ging es um Einzelpersonen, die ihre eigenen Sachen herstellen und kaufen oder vielleicht über das Shopsystem und die Marktplätze an andere Leute verkaufen. Ohne Covid hätten wir mit Gruppen und Vereinen die Hälfte unseres Umsatzes gemacht. Für uns sind das die Großaufträge. Wir bieten dafür auch Stick an, hier müssen wir aber weiter investieren, damit wir nicht nur Schriften, sondern auch Bilder darstellen können. Wir haben außerdem Partnerschaften mit Siebdruckern, um diese Großaufträge erfüllen zu können. Zusätzlich haben wir in die Verarbeitung von Garn und Polyester investiert. Auch hier richten wir uns in erster Linie an Sportvereine. Wir gehen davon aus, dass das Wachstum hier im Jahresvergleich mehrere hundert Prozent betragen wird. Selbstverständlich müssen wir unsere Produktpalette massiv erweitern.
Philip Rooke: Wir haben derzeit etwa 300 Produkte. Wir planen unser Lager auf 5.000 Plätze zu erhöhen. Unsere Absicht ist es, in den nächsten zwei bis drei Jahren auf zwei- bis dreitausend Produkte zu erweitern. Für Sportmannschaften oder für Firmenevents benötigt man eine riesige Auswahl an Farben, Größen und Passformen in einer breiten Palette von Produkten. Wir investieren also nicht nur in die Drucktechnologien, sondern in die gesamte Lieferkette und die Lagersysteme.
Bernd Zipper: In dem Markt gibt es eine Menge Konkurrenten. Auch kleinere Unternehmen nutzen die sozialen Medien, um ihre Produktideen zu verbreiten.
Philip Rooke: Wir haben buchstäblich tausende von Konkurrenten. Es gibt keine genauen Zahlen. In den USA sind es etwa 18.000 Druckereien und 24.000 Händler, in Europa wird es ähnlich sein. Jedes kleine Geschäft, das Druckerzeugnisse verkauft, jeder Spezialist, der eine bestimmte Sportart fokussiert, ist ein Konkurrent. Jedoch glauben wir, dass wir mit einer sehr breiten Palette von Produkten und Druckarten hier mithalten können und äußerst wettbewerbsfähig sind. Ein Stück weit müssen wir unsere Ansprüche differenzieren, weshalb wir die Originalmarke Spreadshirt und jetzt TeamShirts als Zweitmarke haben. Vielleicht müssen wir weitere spezialisierte Marken einführen. Deshalb haben wir unser Geschäft in Spread Group umbenannt, weil wir bereits Spreadshirt, TeamShirts, Spreadshop, das Shop-System und SPOD, das Fulfillment-Geschäft, haben. Um eine gute Skalierbarkeit und Qualität sowie den richtigen Kundenservice zu erreichen, verwenden alle die gleichen Abläufe. Ganz gleich, ob man einen oder tausende von Artikeln bestellt, alle werden über das gleiche Back-End abgewickelt.
Bernd Zipper: Ihr werdet in Zukunft mehr Produkte haben. Bedeutet das, dass ihr andere Dinge wie Kleidung oder das Bedrucken von Kleidung macht? Vielleicht etwas in Richtung Verpackung oder Papier?
Philip Rooke: Wir führen Aufkleber ein und haben uns bei Postern verbessert. Wichtig ist, dass wir gerade begonnen haben, mit spezialisierten Druckereien zu kooperieren. Wir sind Bekleidungsexperten und können auch Plakate, Aufkleber und andere Drucksachen herstellen. Wir haben aber Verkäufer, die noch breiter aufgestellt sind. Beispielsweise Heimtextilien und Zuschnitte. Hier fehlt uns die Erfahrung. Aus diesem Grund testen wir eine Reihe von Integration mit Drittanbietern, also Fulfillment-Unternehmen. Um uns zu entlasten, planen wir in den nächsten zwei Jahren die Zusammenarbeit mit Lieferanten auszubauen.
Bis vor sechs Monaten haben wir alles, was wir verkauften, auch produziert. Ich denke wir werden auch zukünftig den Großteil selbst herstellen, aber es gibt halt Spezialisten. Die Anforderungen reichen vom Siebdruck mit hohem Volumen bis hin zu individuellen Duschvorhängen, von denen wir beide nicht wissen, wie man sie herstellt.
Bernd Zipper: Das ist ein großer Plan. Ich habe mich immer gefragt, warum ihr keine Verpackungen macht. Wer ein individuelles T-Shirt als Geschenk gestaltet, möchte doch auch eine passende Schachtel dazu haben.
Philip Rooke: In einigen Geschäftsbereichen bieten wir das an. Die Schwierigkeit ist, dass das ziemlich umfangreich werden kann. Aufkleber passen in einen Umschlag, doch für Kapuzenpullis brauchen wir eine große Schachtel. Dies auf alle unsere Produktionsstätten in ausreichender Qualität auszudehnen, ist komplex. Es hat für uns nicht so eine hohe Priorität. Die meisten Leute bestellen direkt zu sich nach Hause und verschenken es dann.
Bernd Zipper: Kannst du nochmal auf euer Konstrukt eingehen, gibt es nun fünf Unternehmen oder fünf Teile eines Unternehmens?
Philip Rooke: Spreadshirt ist das, was wir als Kerngeschäft bezeichnen. Verbraucher, Gruppen und Vereine wählen aus Millionen vorgefertigter Ideen aus und verwenden diese. Dieser Markt wird durch die Künstler und Designer bestimmt, die ihre Motive hochladen. Auch wenn wir zusammenarbeiten, müssen wir das Geschäft mit getrennten Teams betreiben. Es gibt sehr unterschiedliche Saisonabhängigkeiten, unterschiedliche Produktanforderungen und unterschiedliche, technische Anforderungen. Drei Geschäfte sind aus der ursprünglichen Marke Spreadshirt hervorgegangen: Spreadshirt Create Your Own, Spreadshirt Marktplatz und Spreadshop. Wir haben TeamShirts hinzugefügt. Im letzten Jahr kam dann SPOD (Spreadshirt Print-on-Demand) hinzu. Dort sind die meisten Leute auf Shopify und nicht auf unserer Plattform. Sie haben aber Zugang zu unseren Fabriken. Konkret haben wir vier Marken, in Wirklichkeit sind das fünf Unternehmen.
Bernd Zipper: Du bist jetzt seit elf Jahren bei Spreadshirt und hast das Unternehmen sehr erfolgreich weiterentwickelt. Ihr habt mehr als 600 Prozent Wachstum in fünf Unternehmen und immer noch neue Ideen. Warum gehst du nach elf Jahren?
Philip Rooke: Ich denke, bei der Entwicklung einer Organisation bringt jede Führungskraft einen bestimmten Wert ein. Ich konnte von der Kultur über die Art und Weise, wie wir die Dinge bearbeiten, bis hin zum Wachstum des Unternehmens einen großen Teil beisteuern. Allerdings bekommt man irgendwann das Gefühl, dass der Mehrwert, den man hinzufügen kann, immer geringer wird. In all den Jahren musste ich auch Kompromisse bezüglich der Führung oder der Art und Weise, wie wir Abläufe regeln, eingehen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass eine neue, frische Führungspersönlichkeit einige der alten Probleme, die wir hatten und die ich ungelöst gelassen habe, angehen würde.
Ich habe erlebt, wie der CEO, unter dem ich angefangen hatte, ging. Sie hatte großartige Arbeit geleistet, auf der ich aufbauen konnte. Auch unser Chief Operations Officer ging, nachdem er unser Produktionsnetzwerk mit 5 Fabriken hervorragend etabliert hatte. Auf ihn folgte Hanne und sie setzte sowohl Sachen fort, als dass sie auch Dinge veränderte und den Kundenservice übernahm, als sie Chief Customer Delivery Officer wurde. Ich sehe, wie unser neuer CTO kam und das gleiche gelang. Meine logische Schlussfolgerung ist, dass ein neuer CEO das Geschäft auf die nächste Stufe heben kann. Ich habe eine Basis geschaffen, darauf kann mein Nachfolger aufbauen.
Bernd Zipper: Habt ihr die Suche nach deinem Nachfolger schon abgeschlossen?
Philip Rooke: Im ersten Quartal wird jemand Neues anfangen, und ich bleibe für das erste Quartal, um ihn in das Geschäft einzuführen bzw. an ihn zu übergeben. Wir gehen davon aus, dass wir das in den nächsten Wochen veröffentlichen.
Bernd Zipper: Ihr entwickelt gerade mehr Konzepte für Großkunden. Was ist da im Detail geplant?
Philip Rooke: Wir suchen nicht nur Lieferanten, sondern Unternehmen, die für uns arbeiten. Zum Beispiel Spreadshop. Wir haben eine große Partnerschaft mit YouTube gestartet. Dort sind wir direkt in die YouTube-Plattform eingebettet. Social Media Influencer können auf YouTube einen Shop eröffnen und Produkte, die sie in ihren Spreadshop gestellt haben, direkt unter ihren Videos und im YouTube-Kanal auflisten. Das ist ein gutes Beispiel für die künftigen Partnerschaften, an denen wir arbeiten.
Wir haben Partnerschaften im Einzelhandel geprüft. Gerade sind wir dabei, eine Partnerschaft mit Lidl zu testen. Spreadshirt wird in die Lidl-App eingebettet. Wenn es Covid nicht gegeben hätte, hätten wir im April unseren ersten Offline-Shop gestartet. Es gibt ganz neue Möglichkeiten, Geschäfte zu machen. Mehr als Werbung bei Google und Facebook. Wir versuchen, unser Geschäft dorthin zu bringen, wo unsere Kunden sind. Wenn also die Kunden und die Verkäufer auf YouTube sind, gehen wir eine Partnerschaft mit YouTube ein. Wir arbeiten an einer Reihe von großen Partnerschaften mit anderen Plattformen, anderen Einzelhändlern und anderen Organisationen. Im vergangenen Jahr sind wir eine Partnerschaft mit der Frankfurter Buchmesse eingegangen.
Bernd Zipper: Richtig groß wäre eine Partnerschaft mit Microsoft.
Philip Rooke: Haben wir noch nicht, aber wie cool wäre es, dass du nicht nur deinen Hintergrund in Microsoft-Teams verändern kannst, sondern auch dein T-Shirt wechseln könntest. Und wenn Dir das T-Shirt gefällt, kannst Du es kaufen.
Bernd Zipper: Ja, das wäre wirklich cool. Wenn ihr also diese großen Partnerschaften im Sinn habt, so zeigt mir das, dass auch die großen Marken verstanden haben, dass Mass Customization wirklich da ist und die Leute es nutzen. Wie seht ihr die Perspektive von Mass Customization?
Philip Rooke: Nun, ich denke, es hat sich viel geändert. Als ich bei Spreadshirt ankam, betrachteten wir uns selbst als ein Mass Customization Portal. Leute, die sich für die Personalisierung interessierten, kamen zu uns. Heute ist die Auswahl an Produkten entscheidend. Dem Kunden ist unter Umständen gar nicht bewusst, dass es sich um ein Mass Customization Produkt handelt. Er sieht ein T-Shirt auf dem YouTube Kanal der Europäischen Weltraumorganisation ESA, welches in vielen Farben und Größen erhältlich ist. Verbraucher wissen nicht, dass das Print on Demand ist. Müssen sie auch nicht wissen. Der Kunde geht davon aus, dass es irgendwo ein Lagerhaus mit all diesen Auswahlmöglichkeiten gibt. Wir haben das Gleiche beim 3D-Druck erlebt. In den ersten Tagen waren wir alle vom 3D-Druck begeistert. Einige hatten sogar einen 3D-Drucker zu Hause. Es wurde viel experimentiert. Aktueller Stand, meine Frau hat gerade einen Zahnersatz bekommen. Der kam aus einem 3D-Drucker. Niemand sprach davon, dass es ein 3D-Druckzahn ist. Es ist nur ihr neuer Zahn. Produkte werden in den Alltag eingebettet. Man weiß nicht, dass es sich um eine Individualisierung handelt, es ist einfach nur eine Entscheidung des Einzelnen. Genau hier hat sich das Geschäft in den letzten zehn Jahren hin zu Massenangeboten entwickelt.
Bernd Zipper: Vielen Dank für das Interview und beste Grüße nach Leipzig. Bleibt gesund und ich hoffe wir sehen uns.
