Interview: Web-to-Print muss auch mobil funktionieren

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Die Welt funktioniert in vielen Bereichen digital. Und doch – oder gerade deswegen – hat Print einen besonderen Stellenwert in der Gesellschaft. Druck transportiert nicht nur Informationen, sondern kann aus einem beliebigen ein persönliches Produkt machen. Einer, der weiß, wie das geht, ist Alexander Sperrfechter, Gründer und CEO der Software-Schmiede rissc. In der neuen Folge der Zippers Insights spricht er über E-Commerce, Headless Web-to-Print, die Bedeutung des Smartphones als Touchpoint, das Metaverse und Mass Customization. Reinhören lohnt sich!

Lesen Sie hier eine leicht gekürzte Fassung des Podcast-Interviews oder hören Sie sich das Gespräch in voller Länge auf ZIPPERS INSIGHTS oder auf Spotify an.

Bernd Zipper: Wir sitzen hier zusammen mit Alexander Sperrfechter von rissc. Hallihallo, grüß‘ dich! Deine Firma heißt rissc, R-I-S-S-C. Man kennt euch als Spezialisten für das ganze Thema Web-to-Print, Web-to-Publish – was heißt denn rissc eigentlich?

Alexander Sperrfechter: Es gibt uns jetzt gut 20 Jahre. Damals haben wir uns gedacht, dass wir die Anfangsbuchstaben von Tätigkeiten, die wir ausführen wollen, einfach in einen Firmennamen packen. Dabei kam rissc heraus. Vor 20 Jahren hatten wir uns relativ eng mit Research befasst – da kommt das R her. Und zusammen mit Information Software Service und Consulting ergibt sich rissc.

Bernd Zipper: Ihr seid ein richtiger Hidden Hero. Wer nicht zum Online Print Symposium geht oder auf ein Branchenevent, wo es um E-Commerce geht oder Onlineprint, der wird euch vermutlich nicht treffen. Denn ihr macht keine großen Kampagnen, sondern ihr findet eure Kunden – schwäbisch zurückhaltend – entweder über Mundpropaganda oder auf Branchenevents.

Alexander Sperrfechter: Ja genau. Ich glaube, wenn wir eines nicht können, ist es aggressives Marketing. Das kann gut und schlecht sein. Für uns war das nicht schlecht, die letzten Jahre. Aber natürlich gibt es immer wieder Leute, die fragen, „Wer seid ihr eigentlich?“, „Woher kommt ihr, warum kennen wir euch nicht?“. Daran kann man sicher arbeiten.

Bernd Zipper: Auf eurer Webseite schreibt ihr, ihr habt rund 5.000 glückliche Nutzer. Woher kommen die? Wer nutzt den Printformer, die Printformer Service Software?

Alexander Sperrfechter: Klingt fast wie glückliche Hühner… aber nein. Glückliche Nutzer heißt, wir haben über die Jahre extrem viele Anwender, die die Software aktiv nutzen, in unterschiedlichsten Umfeldern, ob das B2B, B2C oder auch intern in Unternehmen ist, wo Workflows organisiert werden. Und überwiegend habe ich das Feedback, die sind glücklich. Deswegen gibt es da eine Zahl. Die ist übrigens auch nicht mehr ganz aktuell. Ich glaube, es sind mittlerweile mehr.

Bernd Zipper: Kurz zur Erklärung, ihr habt mit einem Web-Editor angefangen. Den Printformer kann man als Web-to-Print-Editor bezeichnen, oder?

Alexander Sperrfechter: Ja, absolut. Wo kommen wir eigentlich her? Wir haben uns vor 20 Jahren gegründet und vor allem Daten erhoben in einem Web-Umfeld. Das war damals total hip. Wir haben Tablets benutzt, die es eigentlich noch gar nicht gab. Wir waren bei Automobilherstellern, bei anderen Unternehmen und haben Research betrieben. Wir haben Daten erhoben zu allen möglichen Themen. Zum Web-to-Print-Thema, da kamen wir, wie das wahrscheinlich oft bei Unternehmen ist, indem einer auf uns zukam und sagte: „Wenn ihr Daten erheben könnt, dann könnt ihr die auch drucken?“ So kamen wir zum Thema Web-to-Print. Wir haben dann für uns selbst relativ schnell entschieden: Wenn wir das tun, dann wollen wir es mit einem Fokus tun – und haben alles andere gelassen. Weil wir das Potenzial in diesem Umfeld sahen.

Wenn man das heute zurückrechnet, 20 Jahre zurück, wen gab es da? Da gab es nicht viel. Aber auch damals war es nicht so, dass uns jeder kannte, aber wir machen dieses Ding seit 20 Jahren und das in komplett unterschiedlicher Art. Damals war Formular wichtig, dann war Flash wichtig, dann wieder Formular, usw. Aber tatsächlich ist es so, dass wir auf das Thema ursprünglich nicht aus der Print-Welt kamen. Wir sind klassische ITler mit einer Research-Kompetenz, haben aber dieses Thema spannend gefunden. Der erste Kunde, den wir hatten, der hat tatsächlich ganz klassische Geschäftssachen produziert, zum Beispiel Visitenkarten in verschiedenster Ausprägung. Da waren zwei Personen beschäftigt, die haben nichts anderes gemacht – und das sollte optimiert werden. So kamen wir zu diesem Thema, daraus entstand Printformer. Im ersten Step war das also einfach ein individuelles Projekt aus dem ein Produkt wurde, das es nun seit 20 Jahren gibt.

Bernd Zipper: Jetzt sind rund um den Editor auch verschiedene Webumgebungen hinzugekommen, auch in Sachen E-Commerce. War das am Anfang schon Magento?

Alexander Sperrfechter: Nein, am Anfang waren das proprietäre Systeme, die wir teilweise selbst entwickelt und teilweise Partner entwickelt haben. Wir haben von Anfang an geplant – vielleicht anders als andere Anbieter in dem Umfeld –, dass wir einen Fokus auf dem Web-to-Print-System haben wollen. Ein Teil davon ist ein Editor, aber da kommt natürlich noch ganz viel dazu, was vor und hinter dem Editor passiert. Aber wir wollten nie ein E-Commerce-System, ob eigen- oder fremdentwickelt, haben, das angepasst ist auf einen speziellen Umstand. Denn wir waren schon immer davon überzeugt, dass E-Commerce ein Markt ist, der sich schnell ändert  und wo viel passiert. Wir wollten da nicht in irgendeiner Weise an eine Tür laufen, wo wir sagen: Jetzt wird es unsicher, jetzt müssen wir etwas tun. Unsere Software war schon immer separat, von Anfang an. E-Commerce ist für uns ein Vehikel, das heißt, unser System arbeitet, wenn es zum Endkunden oder auch zum B2B-Kunden geht, natürlich häufig oder fast immer in einem E-Commerce-Umfeld: Man will etwas verkaufen und da gibt es ein Mass-Customization-Tool, wo man etwas gestaltet. Und dann gab es den Zeitpunkt, an dem wir gesagt haben: Okay, eigenentwickelte Systeme oder auch von anderen Partnern, die nicht Standard sind, machen keinen Sinn. E-Commerce entwickelt sich zu einem Standard, da gibt es ein paar Standardsysteme, wir müssen uns für eines entscheiden. Und das erste, für das wir uns entschieden haben, war Magento.

Bernd Zipper: Und bereut?

Alexander Sperrfechter: Nein, auf Basis der Zeit damals auf gar keinen Fall. Es hat sich herausgestellt, dass Magento ein unglaublich komplexes System ist – das hat Vor- und Nachteile. Man kann unglaublich viel damit machen, aber es hat natürlich auch Nachteile dahingehend, wie hoch der Aufwand ist, um irgendetwas individuell dranzubauen. Aber bereut auf gar keinen Fall. Wir haben bis heute hervorragend erfolgreiche Magento-Projekte. Aber die Zeit geht weiter, und deswegen mussten wir, oder wollten wir, an irgendeinem Punkt sagen, es gibt noch eine Alternative. Mittlerweile machen wir sehr viel mit Shopify, aus Überzeugung. Aus meiner Sicht als Geschäftsführer und Gründer: Du bist umgeben mit Fachleuten. Unsere Jungs sind alle hochgebildet, hochqualifiziert. Wenn von denen jemand ein anderes IT-System, das er nicht selbst programmiert hat, für gut befindet, ist das etwas Besonderes. Das passiert sehr selten in so einem Kosmos.

Bernd Zipper: …die Entwicklereitelkeit.

Alexander Sperrfechter: Na ja, die schauen natürlich auch anders drauf, haben einen anderen Fokus, da geht es um Codequalität und solche Dinge. Shopify kam bei uns vor mindestens drei oder vier Jahren in den Fokus. Und plötzlich sagen die eigenen Leute, aus eigenem Impuls heraus: Das klingt gut, sieht gut aus, funktioniert gut und hat die und die Vorteile. Und deswegen sind wir von Anfang an auf diesen Zug aufgesprungen und sind hochzufrieden, das gemacht zu haben. Dass es so ein Hype werden würde, konnte damals ja noch keiner wissen.

Bernd Zipper: Ja, im Moment ist ja Shopify ein bisschen angeschlagen. Wenn ich mich daran erinnere, vor zwei Jahren waren die noch 8-mal so hoch bewertet wie BMW. Aber gerade rappelt es im Karton. Wir haben auf Beyond-Print.de darüber berichtet, brauchen wir jetzt also gar nicht ausführen. Aber, was mit Shopify aufgekommen ist, ist das Schlagwort Headless Commerce. Was verstehe ich darunter?

Alexander Sperrfechter: Ich glaube, das wird sicher unterschiedlich sein. Wir verstehen darunter, dass man Dinge tun kann in einem Umfeld, in kleinstteiligen Umfeldern, ohne dass ein riesiges System drum herum gebaut ist und dass man das Gefühl hat, in einem Shop zu sein. Wenn ich ein Headless-Commerce-System angucke, nehmen wir ein einfaches Beispiel, wo wir sagen, wir haben ein einziges Produkt, das ich verkaufen oder personalisieren will, dann kann ich das plötzlich in einem Umfeld tun, wo es dem Endkunden gar nicht mehr auffällt, dass er gerade in einem Shop-Umfeld dasteht. Ein Shop ist definiert und sieht oft aus wie Amazon. Und alles, was anders aussieht und sich anders anfühlt, hat einen gewissen Charme, weil man mehr oder weniger einfach Dinge verkauft und anbietet. Und letztlich komme ich zu einem Warenkorb und mache einen Checkout. Aber was davor passiert, wie das aussieht, wie es sich anfühlt, kann eben komplett raus sein aus einer Shop-Logik. Und das macht Spaß, vor allem bei vielen Produkten.

Aber man muss unterscheiden. Wir machen auch Headless Web-to-Print, das ist etwas ganz anderes. Da sehe ich keinen Editor mehr, da passiert etwas im Hintergrund. Aber Headless E-Commerce bedeutet: Ich kaufe, mache einen E-Commerce-Prozess, aber letztlich sehe ich ihn eigentlich nur noch, weil ich irgendwo ganz zum Schluss eine Kreditkartennummer eingebe und sage: Ich will es haben.

Bernd Zipper: Headless Web-to-Print, was verstehe ich da drunter?

Alexander Sperrfechter: Web-to-Print ist ein großes Feld. Wir haben das 2001 Web-to-Print genannt, weil wir ein System davor hatten, das nannte sich Audit-to-Web, aber nun ging es um Print. Daher war die Frage: Wie nennen wir das? Ich kann dir nicht sagen, ob es 2001 den Begriff Web-to-Print schon gab. Weiß ich nicht. Wir kannten ihn nicht. Wir haben gedacht, er kommt von uns. Wenn es so wäre, dass er von uns kommt, hätten wir darüber reden sollen. Heute glaube ich, wissen alle Hörer, was es ist, und um was es geht. Im Prinzip gibt es zwei unterschiedliche Arten. Die eine ist, ich habe einen Editor und designe irgendetwas. Ob ich das im Consumer-Umfeld mache und ein T-Shirt gestalte oder eine Gummibärenpackung oder einen Adventskalender oder im professionellen Umfeld, wo es um andere Produkte geht – es ist ein Editor im Spiel. Ein Editor kann aber auch „headless“ im Spiel sein. Da reden wir z. B. von der Automobilindustrie, die ein Handbuch produziert zu einem Fahrzeug. Das ist heute hochgradig individuell. Du hast dein letztes KFZ sicherlich nicht von der Stange bestellt, sondern ausgewählt: Ich will das, das und das Zubehör. Und es macht großen Sinn, die Dokumentation an das Zubehör anzupassen, dann habe ich nämlich nicht immer „Es geht weiter auf Seite 17“, sondern ich habe mein Buch. Das wäre ein Beispiel. Das passiert während der Produktion und da ist kein Editor im Spiel. Früher hätte man wahrscheinlich Databased Publishing dazu gesagt. Und das mit ein bisschen mehr Intelligenz ist eben Headless Web-to-Print.

Bernd Zipper: Ich habe Mitte, Ende der 90er Jahre einen Artikel im Seybold Report über PDF on the fly geschrieben. Da ging es darum, dass ich eben PDF nutzen kann, um Druckvorlagen zu erzeugen, auch „on the fly“, damals nicht über einen Editor, sondern über HTML und JDF-Kommentare, also schon XML. Da habe ich zum Abschluss geschrieben, „aus PDF on the Fly wird Web-to-Print“. Und Fun Fact: Vor fünf, sechs Jahren habe ich mich mit einem jungen Projektmanager einer US-Firma getroffen, die auch Web-to-Print-Systeme anbietet. Und im Gespräch sagte er: „Ja, und dann hat im Jahr 2004 mein Vater Web-to-Print erfunden.“ Ich glaube, jeder ist da irgendwie ein bisschen Vater von. Mir persönlich ist es komplett wumpe, ehrlich gesagt. Ich behaupte es natürlich sehr, sehr gerne, dass ich es erfunden habe, aber das ist wahrscheinlich auch nicht wahr. Denn es liegt ja nah, Web-to-Print. Das ist genauso wie Luft-zum-Atmen, ja? Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Web-to-Print und Web-to-Publish?

Alexander Sperrfechter: Ich glaube, nachdem Web-to-Print zu einem mehr oder weniger normalen Begriff wurde, gab es unglaublich viele Web-to-Print-Systeme, -Anbieter usw. und viele davon waren im Prinzip Druckereien, die irgendetwas gemacht haben, über ein Formular, und das hieß Web-to-Print.

Dann gab es einen Versuch von allen Web-to-Print-Systemanbietern, wie man sich differenzieren und was die Erweiterung von Print sein kann. Dabei ging es eben mehr um Publishing. Wir unterscheiden das letztlich so: Publishing-Systeme, die wir haben, sind deutlich komplexer als einfache Web-to-Print-Systeme. Einfaches Web-to-Print, das sind Flyer, Poster, irgendwelche Produkte, Werbemittel. Doch wenn es um Publishing geht, geht es um Vielseiter, geht es um Bücher, geht es um Kataloge. Ich glaube, da kommt der Unterschied her. Letztlich ist es das Gleiche, aber in unterschiedlicher Ausprägung.

Bernd Zipper: Bei Web-to-Publish könnte man also auch InDesign nehmen und IDML oder was auch immer und etwas zusammenbauen.

Alexander Sperrfechter: Genau.

Bernd Zipper: Das könnte ich ja dann entsprechend auch.

Alexander Sperrfechter: Unterm Strich benutzen wir IDML und InDesign aber auch für ganz klassische, einfache Geschäftsdrucksachen. Natürlich gibt es mehrere Möglichkeiten, einen Katalog auszuschießen, teil- oder vollautomatisiert oder auch ganz von Hand. Ich mache eine Planung von einem Werbemittel, von Dokumenten, bei denen es viele Menschen sind, die an so einem Dokument arbeiten, die Produkte reinplanen, sie grob oder auch fein reinsetzen. Und zum Schluss wird es eben publiziert.

Bernd Zipper: Wie siehst du eigentlich Web-to-Print auf dem Handy? Ist das cool oder uncool?

Alexander Sperrfechter: Nein, das ist cool. Wir gehen ganz viele unserer aktuellen Projekte und Systeme genau nach der Maßgabe an, es muss auf dem Handy funktionieren. Ich glaube, man muss unterscheiden, welche Zielgruppe es ist, was passiert da und wird nachher auf dem Handy gekauft oder auch nicht? Ich glaube, viele komplexere Web-to-Print-Produkte werden auf dem Handy nicht gekauft, aber es wird sich darüber informiert. Man guckt, bei den Kollegen, man guckt im Meeting, man probiert das aus, es muss also funktionieren. Und je Consumer-lastiger das Produkt wird, umso eher wird es auf dem Handy gekauft. Ich glaube, ein personalisierter Adventskalender wird wahrscheinlich auf absehbare Zeit, ohne dass ich jetzt Zahlen kenne, nur noch auf dem Handy gekauft. Weil die Leute zu Hause eh keinen Laptop mehr haben oder ihn nicht mehr benutzen. Wenn jetzt der Geschäftskunde sagt, er will 2.000 Adventskalender personalisiert haben, dann wird der wahrscheinlich nicht auf dem Handy designt und gekauft. Aber angeguckt wird er, und es wird recherchiert. Aber wenn ich an einem Punkt bin, wo das nicht geht, da bin ich mir ziemlich sicher, dass auch nachher der professionelle Geschäftsprozess nicht stattfindet. Dann schaut man sich nach einem anderen Anbieter um, andere Webseiten gibt es viele, hunderte, wo man das kaufen kann. Dann guckt man halt, wo geht es.

Bernd Zipper: Ich stelle vermehrt fest, dass das Handy ein Trigger ist. Ein Digital Native im fortgeschrittenen Alter so wie ich, hat ja mittlerweile um die sieben Messenger der unterschiedlichsten Couleur. Dann gibt es Instagram, Facebook, TikTok, das ich gerade sehr interessiert beobachte, weil auch immer mehr Software-Anbieter da unterwegs sind, die einfach und spielerisch erklären, wie etwas funktioniert. Glaubst du, dass sich dieses Spielerische so langsam in unserer Gesellschaft durchsetzt und ein Eye-Opener für manche sein kann? So nach dem Motto: „Hey, ich kann ja auch eine Software oder einen Shop dafür nutzen?“

Alexander Sperrfechter: Ich glaube, es ist ultrawichtig, dass der Kanal funktioniert. Wenn ich von unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ausgehe, dann glaube ich, benutzen die ab dem Moment, wo sie das Büro verlassen, nichts anderes mehr außer ihr Handy. Und wenn ich ganz ehrlich bin, mache ich das auch so. Also wenn ich abends auf dem Sofa sitze, hole ich keinen Laptop mehr raus. Die Handys sind groß genug, man kriegt alles rein und kann nebenher recherchieren. Der Zugang ist super einfach und deswegen bin ich sicher, dass der spielerische Ansatz dazu animiert, weiterzugucken. Wenn der spielerische Ansatz geploppt ist, weil es mobil nicht funktioniert, dann wird das in vielen Fällen eben dazu führen, dass man sagt: Okay, ich suche nach etwas anderem. Ich probiere einen anderen Anbieter oder einen anderen Shop aus. Aus unserer Software-Anbieter-Sicht sagen wir unseren Kunden daher: „Du musst mobil sein.“ Dann gibt es viele im B2B-Umfeld, die sagen: „Na ja, ich werde auf gar keinen Fall per Handy einen Katalog verkaufen.“ Da stimme ich zu, das wird nicht passieren. Aber derjenige, der recherchiert, der guckt, der mal ausprobiert, der einfach nur mal abends schnell gucken will oder auch tagsüber, der möchte den Zugang haben.

Bernd Zipper: Und es tut sich ja noch mehr. Jetzt kommt ja dieses Metaverse von einer Firma namens Meta, die vorher Facebook hieß. Wie bewertest du das?

Alexander Sperrfechter: Wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich wahrscheinlich in einer Altersgruppe, wo ich darüber nachdenken muss, wie geht das eigentlich, wie interessant wird das? Jetzt komme ich aus einer Branche, die da sehr offen ist. Wahrscheinlich wird das schon das neue Ding, und wir werden uns sehr viel in virtuellen Welten bewegen. Was man da beobachtet, und das ist sicherlich noch ganz am Anfang, aber wir beobachten, wir gucken uns das an, wir lernen, dass die Luxusmarken da Grundstücke kaufen für utopische Summen und Geschäfte eröffnen, alles in einer virtuellen Welt. Man muss einfach sagen, dass man sich wahrscheinlich, oder ganz sicher, nicht davor sperren kann. Man muss einfach offen sein und prüfen, für wen passt das? Macht das Sinn oder macht das keinen Sinn für die einzelne Person oder den einzelnen Geschäftszweig. Aber interessant ist das allemal.

Bernd Zipper: Ich habe letztens einen Artikel in der Wirtschaftswoche gelesen, ein Interview mit einer klugen Frau über Web 1.0, Web 2.0, Web 3.0. Web 2.0 war getrieben von Social Media und und Web 3.0 wird davon getrieben, dass die Dinge miteinander vernetzt sind, mit Menschen und allem Drum und Dran. Ich fand diese Einordnung gar nicht so schlecht. Das dauert mit Sicherheit noch einen Moment. Aber weil eben nicht nur Meta hingeht und sein eigenes Ding macht, sondern auch Microsoft mitmischt, Amazon mitmischt und, und, und – darum könnte ich mir vorstellen, dass es fast so eine Art digitaler Gesellschaftskonsens wird, in diese Richtung zu denken. Ich bin gespannt, wie Web-to-Print dann aussieht. Wahrscheinlich trage ich dann virtuell eine Überschrift von links nach rechts.

Alexander Sperrfechter: Und ganz zum Schluss wollen wir nachher trotzdem ein gedrucktes Produkt zu Hause haben.

Bernd Zipper: Eben, ja. Und vielleicht sogar Geld damit verdienen. Jetzt glaube ich, wir müssen in diesem Podcast nicht erklären, wie Web-to-Print funktioniert. Wenn ich dir jetzt sage, du hast 30 Sekunden Zeit, um dein Produkt mir gegenüber zu pitchen. Wie würdest du das tun? Schwäbisch zurückhaltend, nach dem Motto: Schau’s dir einfach an. Oder wie?

Alexander Sperrfechter: Um die Hörer mitzunehmen, versuche ich es eher mal damit, zu erklären, wo wir uns zu einem klassischen oder zu einem anderen Web-to-Print-System unterscheiden oder wo wir einen anderen Fokus haben. Es geht darum, dass wir ein Produkt anbieten, das aus einem Editor und einem dazugehörigen Workflow-System, wir nennen das jetzt so, besteht, um ein personalisiertes Produkt zu erstellen. Ob das auf Papier gedruckt wird, auf Holz, auf Kunststoff, vollkommen egal. Auch die Einbindung ist uns egal. Wir legen großen Wert darauf, dass es eine Lösung ist, die überall reinpasst. Wir geben alles dafür, dass wir ein integratives Produkt erstellen, das unabhängig von einem Shop, unabhängig von einem Portal und unabhängig von einem Einsatzzweck ist. Das ist es, wenn man alle Funktionalitäten außen vorlässt, woran wir arbeiten.

Bernd Zipper: Jetzt habt ihr mehrere Module. Wir reden immer über den Printformer, aber der Printformer ist ja mehr als nur der Editor. Ich habe von einem Produzentenmodul gehört, dann gibt es einen Workflow, auch Logistik. Ich stelle mir das also wie einen Baukasten vor.

Alexander Sperrfechter: Es ist absolut ein Baukasten. Es passiert eigentlich Folgendes: Der Baukasten beginnt schon im Editor. Es gibt Editor-Projekte, da geht es darum, ein Logo auf einem T-Shirt oder auf einer Verpackung zu platzieren. Und es gibt Editor-Produkte wie beispielweise einen Katalog. Man kann sich vorstellen, das sind komplett unterschiedliche Dinge. Bei uns ist aber alles ein Produkt. Das heißt, wir müssen modular denken, sowohl im Frontend, also im Editor ganz vorne, als auch im Backend. Und da legen wir großen Wert darauf, dass das eben in allen Bereichen modular ist. Das hat praktische Gründe für uns, denn wir wollen nicht mehrere Software-Arten und -Versionen pflegen. Das hat aber natürlich auch gute Gründe für den Kunden, weil er nur das kaufen muss, was er braucht. Er muss nicht die All-in-, Full-was-auch-immer-Version kaufen, sondern genau die Teile, die er haben will. Und genau da wird es interessant. So belastet er sein Budget und auch die Usability nicht mit Dingen, die er nicht braucht.

Unabhängig vom Budget ist die Usability, glaube ich, der wichtigste Punkt. Wenn ich eben nur ein Logo oder ein Bild auf einem T-Shirt platzieren will, brauche ich keine Tools, um Schriften auszurichten, ich brauche keine Tools, um zu vektorisieren. Ich brauche nichts davon, also will ich den Button auch gar nicht sehen und nicht benutzen. Und deswegen gibt es einen Baukasten.

Bernd Zipper: Das heißt, dass man alles bedarfs- bzw. zielgruppengerecht aufbereiten kann. Wenn ich beispielsweise einen Sportverein ausstatten möchte, denen brauche ich mit Ausschießen oder Unterschneiden oder so was gar nicht kommen. Sie haben dann einfach die Möglichkeiten, ihren Namen einzutippen, sehen das auf dem Trikot und fertig.

Alexander Sperrfechter: Exakt.

Bernd Zipper: Jetzt sind Labels und Packaging gerade das große Thema. Inwieweit seid ihr denn auf Commercial Print festgelegt? Oder seid ihr auch im Packaging und Labeling unterwegs?

Alexander Sperrfechter: Das ist genau das, was ich gerade ausgeführt habe. Unser Editor kann Packaging, kann Geschäftsdrucksachen, kann Möbel. Wir sind nicht produktgebunden. Der Ansatz ist ganzheitlich, was das Produkt betrifft. Es gibt für jeden Produktzweig eine Ausgestaltung, wo es Spezialitäten gibt. Wenn man jetzt den Bereich Packaging anspricht, dann geht es natürlich darum, dass man 3D-Modelle zur Verfügung stellen kann. Denn selbst einem versierten Laien fällt es durchaus schwer, auf komplexen Verpackungen zu wissen, wo man das Logo platzieren muss und in welche Richtung – und am Ende steht es doch auf dem Kopf. Dazu muss ich dem Kunden, unseren Kunden oder den Kunden unserer Kunden eine Möglichkeit geben, das Produkt im Raum zu sehen, in 3D, und sich bewegend. Man muss sehen, wo gefaltet wird, wo das Produkt eventuell zugeht, wie es nachher aussieht. Und natürlich ist das eine Variante, die wir für das Packaging anbieten. Es macht wenig Sinn, eine Visitenkarte in 3D zu zeigen – das geht und kann auch Spaß machen, ist aber nicht notwendig.

Bernd Zipper: Das stimmt. Ich war ja ein Fan davon, dass man möglichst viel drehen kann, um virtuell Haptik abbilden zu können.

Alexander Sperrfechter: Wenn es um ganz hochwertige Produkte geht, ist das auch super sinnvoll. Wenn wir Letterpress-Produkte haben, die eine wunderbare Haptik haben und ich will das einem Kunden verkaufen, der gar nicht weiß, wie das sein kann, weil er das noch nie gesehen hat oder noch nie in der Hand hatte, dann ist das ein super, super Conversion-Bringer. Dann kann ich einfach meinem Kunden zeigen, was andere nicht zeigen. Wenn ich jetzt aber eine ganz klassische 250g, 50×80 große Visitenkarte habe, dann ist es zu viel.

Bernd Zipper: Gerade von den großen Anbietern sind viele gerade dabei, zu sagen: „Wir machen kein Web-to-Print, wir machen Datei-Upload. Wir erklären unserem User, wie er die Datei anzulegen hat.“ Dann wird die Datei hochgeladen, automatisiert gepreflightet, vielleicht sogar direkt auf einen Bogen gestellt, und so nachher praktisch ausgeschossen. Jetzt habt ihr auch Workflow-Tools dabei, nutzt ihr den Datei-Upload mit Preflight auch?

Alexander Sperrfechter: Wir würden das gar nicht unterscheiden. Für uns ist Web-to-Print nicht die Begrenzung auf den Editor. Denn der Upload in ein Umfeld mit Preflight, ohne Preflight, mit einer Darstellung eines Produktes, ist letztlich nichts anderes als ein anders gelagerter Editor. Also für uns gibt es bei jedem Produkt einen Upload, und Upload mit Editor. Also zwei Varianten. Und letztlich zeige ich jedem Kunden, der unsere Systeme benutzt, nach dem Upload das Produkt, ob das jetzt im Packaging-Bereich tatsächlich in 3D ist oder im Raum oder ob es einfach eine 2D-Darstellung ist von irgendeinem Flyer oder Poster. Aber wenn ich einen Upload mache und eine Druckdatenprüfung, die hängt aus unserer Sicht da zwingend mit dran, dann muss ich ganz zum Schluss demjenigen, der da online was bestellt, auch sagen: So sieht es aus und genauso bekommst du es nachher auch. Und ob das dann im Editor selbst designt wurde oder vorher eine Druckvorlage erstellt wurde von der Agentur, von ihm selbst und er lädt die nur noch hoch, der Workflow ist derselbe.

Bernd Zipper: Aber macht ihr Preflight denn selber oder nutzt ihr auch Third Party Tools?

Alexander Sperrfechter: Nein, wir nutzen im Preflight tatsächlich in erster Linie ein Produkt der Firma Calibrate. Wir haben auch PitStop, Callas, alles angebunden. Aber unser Favorit ist Calibrate, weil da einfach Logik mit drin hängt und die machen das sehr gut. Die haben wir angebunden bzw. sogar vollständig integriert. Das bedeutet, der User, der dieses Tool nutzt, erhält sprechende Fehler, bekommt erklärt, was nicht stimmt und das in Echtzeit. Das ist uns zum Beispiel sehr wichtig. Wenn der Kunde uns fragt, wie er die Dinge angehen soll, würden wir immer sagen: Du musst den Fehler in dem Moment zeigen, wo er auftritt, und nicht sagen: Okay, ich schicke dir irgendwann eine Mail, wo drin steht, deine Druckdaten waren doch nicht so gut. Denn das setzt immer voraus, dass derjenige, der die Druckdaten hochlädt, zum Zeitpunkt des E-Mail-Eingangs auch noch verfügbar ist. Und wenn das externe Menschen sind, Agenturen oder was auch immer, dann zieht sich das. Also warum nicht gleich, die technischen Möglichkeiten gibt es, wenn man mit den richtigen Tools arbeitet. Das heißt, in dem Moment, in dem meine Daten hochgeladen werden, will ich wissen, geht das oder geht das nicht. Und wenn es nicht geht, warum?

Bernd Zipper: Ja, das ist die beste Logik, die man da aufzeigen kann. Das ist ein großes Thema. Du hast vorhin noch ein anderes Stichwort genannt: Schnittstellen. Wenn ich mir das angucke, jetzt auch mit Shopify, mit Magento und mit all diesen Themen, dann frage ich mich immer wieder, muss man heutzutage, wenn man Web-to-Print-Anbieter ist – ich rede vom Drucker, der das seinen Kunden anbietet –, muss man da eigentlich einen eigenen Programmierer für APIs haben? Oder realisiert ihr das direkt über den Printformer, respektive dann Shopify?

Alexander Sperrfechter: Also wir haben eine offene API, und zwar sowohl im Front- als auch im Backend. Das müssen wir gleich noch mal vertiefen, das ist jetzt zu komplex. Aber für uns ist es so: Wir bieten zwei Referenzsysteme an, das ist einmal Magento und einmal Shopify. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Zielgruppen, unterschiedliche Komplexitäten, unterschiedliche Invests. Ganz wichtig, da haben wir eine fertige Integration, die bieten wir an. Aber auch jedes andere Shop-System, jedes andere Portal lässt sich anbinden über unsere API, das muss dann im Zweifel der Anbieter selbst tun. Oder er hat einen Partner, der das tut. Aber für die beiden Varianten Shopify und Magento bieten wir eine fertige Integration an. Und wer die nutzt, hat eine Lösung „out of the box“.

Bernd Zipper: Angenommen, ich habe früh angefangen mit Web-to-Print, bin jetzt also ein Online-Drucker, ein kleinerer. Ich habe mir vor Jahren einen Shop zusammengedengelt, mit ShopWare oder Magento oder ähnlichem, und habe da jahrelang hineininvestiert. Und jetzt muss ich einen neuen Shop machen. Reiße ich die Bude dann ab? Oder kann ich hingehen, mir ein Shopify davorsetzen und so iterativ umsteigen?

Alexander Sperrfechter: Ich glaube, das ist tatsächlich einzelfallabhängig. Grundsätzlich sage ich, ich würde immer versuchen, das Neue parallel aufzubauen und das Alte Stück für Stück abzulösen. Manchmal gibt es auch Situationen, in denen man sagt, ich benutze das Neue, um das Alte zu befeuern, also in das alte System in irgendeiner Form Daten zu liefern. Du hast vorhin das Produzentenmodul angesprochen. Das eignet sich zum Beispiel dafür, weil ich in einem neuen Shopify-Shop ein Produkt bestelle, das gedruckt wird. Ganz zum Schluss kommt da eine Druckvorlage heraus. Das Endergebnis wird irgendetwas sein, was ich drucken will, im optimalen Fall ein perfektes PDF.

Nun habe ich ein altes System, in dem ganz viel Logik drinsteckt, an dem meine Abrechnung dranhängt – und dieses System kann wahrscheinlich mit einer Druckvorlage umgehen. Dann könnte man sagen, man nimmt das neue System, um modern, um aktuell zu bleiben, um ein gutes SEO-Ranking zu bekommen oder was auch immer die Gründe sein könnten. Und ganz zum Schluss schiebt unser Produzentenmodul das fertige Druck-PDF genau an die Stelle ins alte System, um quasi einen Übergang zu schaffen, das Altsystem weiter zu benutzen und nicht sofort alles abzureißen. Wir sind mittlerweile bei der Generation 4. Ich weiß nicht, ob du da meiner Meinung bist.

Bernd Zipper: Absolut.

Alexander Sperrfechter: Wir reden von Generation 4 eines Web-to-Print-Systems, das heißt ich würde sagen, der überwiegende Anteil unserer Kunden, der bestehenden und auch der potenziell neuen Kunden hat Erfahrung mit Web-to-Print. Es gibt immer noch Fälle, wo einer neu anfängt, aber das ist die Ausnahme. Und es ist fast unmöglich, immer alles abzureißen. Wir reden von Generation 4, das heißt, wenn er bis heute viermal den Anbieter gewechselt hätte, gibt es den Laden wahrscheinlich nicht mehr. Das heißt, man muss immer gucken, was macht Sinn, in welcher Form können wir die integrative Option, die wir bieten, nutzen, um ein altes System noch leben zu lassen, um es mit Daten zu versorgen, weil eben der nachgelagerte Workflow absolut funktioniert und okay ist. Und ab welchem Punkt steigt man dann einfach schrittweise um in das Neue.

Bernd Zipper: Das ist auch das, was ich unseren Beratungskunden immer sage: Lasst uns erst einmal beurteilen, ob ihr den alten Shop überhaupt richtig abreißen müsst, oder ob wir den nicht weiter als Engine nehmen können, um euer Unternehmen weiter zu befeuern. Die Kunden, die ihren Shop jetzt so mögen, die sollen ihn ja auch gerne weiter benutzen und trotzdem moderne Technik, sprich Shopify oder sonst was, einsetzen können, um zum Beispiel all die modernen SEO-Marketing-Möglichkeiten nutzen zu können.

Alexander Sperrfechter: Ich glaube, es ist ultrawichtig, reagieren zu können und gegebenenfalls ein Produkt, ein einziges Produkt in einen Shop packen zu können, um hundertprozentig zielgruppenorientiert zu arbeiten. Das ist mit einem alten System, selbst mit einem großen Magento nahezu unmöglich; gehen tut das, aber es ist einfach nicht wirtschaftlich. Und deswegen muss man sehen, was es für Optionen gibt.

Bernd Zipper: Ein anderes großes Thema ist natürlich Mass Customization, die Personalisierung. Wenn ich damit anfange, kriege ich da Hilfestellung bei euch?

Alexander Sperrfechter: Klar, unser Geschäft lebt von Personalisierung. Das ist das, was wir tun wollen. Wir sind nie angetreten, um einfach nur E-Commerce-Shops anzubieten, bei denen es egal ist, was da drüber läuft. Bei uns geht E-Commerce immer in Verbindung mit personalisierten, individualisierten Dingen. Da brauchen wir Unterstützung von euch, von dir oder von deinem Team oder von anderen Menschen, die in diesem Umfeld arbeiten. Als Software-Anbieter haben wir natürlich die Kompetenz, in das eine oder andere beratend einzugreifen. Aber man wird ja immer sagen: Na ja, klar sagt ihr das, denn ihr wollt ja eure Software verkaufen. Das ist sicherlich nicht falsch, wir wollen unsere Software verkaufen. Wir wollen unsere Software aber immer in einem Umfeld verkaufen, in dem unser Kunde davon profitiert. Wir arbeiten schon Jahre, Jahrzehnte mittlerweile, in einer Cloud. Früher hieß das anders und es war auch schwieriger, den Leuten klarzumachen, dass das gut ist. Aber das heißt, unsere Bezahlmodelle, alles, was wir liefern, hängt davon ab, dass beim Kunden etwas funktioniert.

Wir werden keinen Erfolg haben, wenn es beim Kunden nicht funktioniert, im Gegenteil. Und deswegen haben wir großes Interesse daran, unseren Kunden klarzumachen, ob wir das dann selber können oder Unterstützung von externen Beratern brauchen oder auch uns wünschen. Zu sagen, was hast du denn für Vorteile, wenn du in diesen Bereich einsteigst? Was gibt es denn für einen Vorteil von der Auflage 1? Vor zehn Jahren brauchte man über Auflage 1 gar nicht reden, da hieß es, das lohnt sich niemals. Doch, das kann sich schon lohnen, wissen wir alle heute. Und wir wissen heute auch, dass ein Kunde gegebenenfalls bereit ist, exorbitant mehr Geld für Auflage 1 auszugeben, und damit gar keinen Schmerz hat, weil er es gerne hätte. Bis heute ist Auflage 1 ein gutes Beispiel dafür, dass es bis heute ultraschwierig ist, dem einen oder anderen das nahezubringen, weil er sagt: Auf gar keinen Fall, das passt nicht in meinen Prozess. Und das ist sicherlich so, zumindest in einem konventionellen Umfeld ist es ultraschwierig, einen Prozess auf Auflage 1 anzupassen. Aber alle, die es machen, die profitieren auch.

Bernd Zipper: Wenn sie es richtig machen, ja. Denn gerade in der Mass Customization werden so viele Fehler gemacht. Und es gibt unterschiedliche Ansätze, von den Kollegen etwa der Ansatz Programmatic Printing, wo es darum geht, das direkt in der Produktion und in einem großen Stil zu realisieren, sodass auch da wieder Masse, aber jeweils in Auflage 1 rauskommt. Und es gibt andere Ansätze. Wir bei zipcon überlegen auch, wie wir da Hilfestellung geben können in Zukunft. Aber weiter: Mass Customization und DSGVO. Bist du da irgendwie into?

Alexander Sperrfechter: Ja, das ist ein Thema, das glaube ich, alle Anbieter von Software die letzten Jahre beschäftigt und geärgert hat. Die Frage ist immer, wo sind persönliche Daten wie verarbeitet und wo liegen die wirklich. Wir haben zum Beispiel ganz häufig Kunden, bei denen das überhaupt nicht relevant ist, weil die eigentlichen persönlichen Daten nie bei uns liegen. Das gibt unsere Software von Anfang an her, das heißt, die arbeitet als ein Zwischenglied. Bei uns speichert man nicht viel oder nichts Persönliches, da ist es kein Problem. Und bei allen anderen muss man eben die Vorschriften, die diese DSGVO vorschreibt, eben einfach beachten.

Wir haben wenig anpassen müssen. Das eine oder andere, weil man zum Beispiel nicht darüber nachgedacht hat, dass es einen definierten Löschzeitpunkt und was auch immer gibt. Wir kommen aus der IT, wir hassen es, Daten zu löschen. Nicht, weil wir sie sammeln wollen, sondern weil wir immer Kunden haben, die sagen: Ich habe doch da vor sieben Monaten das Produkt X gelöscht und ich hätte es jetzt gerne wieder. Da hängt ja meistens auch etwas dran.

Das heißt man muss da eben einen guten Mittelweg finden und die Mechanismen dafür schaffen, dass es konform ist. Wir haben noch nie ein Problem gehabt, auch bei Audits nicht, die bei unseren Kunden stattgefunden haben, wo unsere Software mitüberprüft wurde. Da hat es nie ein Problem gegeben, das dafür spräche, dass Web-to-Print nicht geeignet ist, um konform zu arbeiten.

Bernd Zipper: Ihr arbeitet ja nicht nur für Drucker, sondern auch für große Brands. Was mich interessiert: Wenn ihr jetzt seit 20 Jahren im Geschäft seid, macht man viele Projekte. Hast du ein Beispiel für ein Projekt, das du mal so richtig in den Sand gesetzt hast?

Alexander Sperrfechter: Da muss ich drüber nachdenken. Aber ja, die gab es auch. Ich kann ein Projekt nennen, den Brand dazu aber nicht. Ich hatte es vorhin ja angesprochen, vor 20 Jahren haben wir Daten erfasst. Rein technologisch gab es keine Alternative zum Formular, später wurde Flash programmier- und individualisierbar. Wir haben uns tatsächlich lang dagegen gewehrt, denn wir fanden die Technologie nicht so prickelnd. Aber es gab irgendwann den Druck von außen, wo die Leute gerne ein Blinken wollten und WYSIWYG, und kein Formular mehr. Da sind wir also in dieses „Flashgame“ eingestiegen und das hat uns viele Nerven gekostet. Einfach weil das Zusammenspiel von dem, was wir uns erwartet haben oder was wir wollten und dem, was zum Kunden hätte sollen, nichts mit dem zu tun hatte, was da rauskam. Also man hat ein tolles Buch und tolles Projekt designt, aber gedruckt wurde halt nicht das, was da war. Und das ist, glaube ich, bis heute die größte Herausforderung oder das, wo wir am meisten reininvestieren: drucksatzverbindliche Dokumente zu erstellen, denn ein Webbrowser bleibt ein Webbrowser. Der ist heute viel besser als vor 20 Jahren, aber es ist ein Webbrowser. Und der ist nicht dafür gemacht, dass gedruckt wird. Also müssen wir das kompensieren und das ging in diesem Fall grandios schief.

Eine zweite Anekdote kann ich erzählen, da ging es tatsächlich um Masse. Da hat ein sehr großer Anbieter von individuellen Artikeln eine Sonderaktion gemacht, da ging es um Bücher zum Valentinstag, sehr individuell mit Gedichtchen für die Liebste zuhause. Und man hat uns nicht gesagt, dass der Link zu dem Tool in einem Newsletter auftauchen würde, und zwar direkt, ohne vorgeschaltete Landingpage und so. Und der Newsletter ging an 1,8 Millionen Haushalte im ersten Slot. Es hat 14 Minuten gedauert, dann hat da keiner mehr ein Buch bestellt. [lacht]

Bernd Zipper: Wenn du dir die Onlineprint-Welt anguckst, siehst du da Major Trends?

Alexander Sperrfechter: Wir arbeiten ja tatsächlich nicht druckereigetrieben, haben wir noch nie. Wir waren schon immer sehr divers, was unsere Kunden angeht. Wir arbeiten mit vielen Herstellern in allen möglichen Umfeldern und Branchen. Deswegen haben wir einen zweigeteilten Blick. Wir denken nicht nur in Print und nicht nur in Onlineprint, sondern wir denken immer in einem breiteren Feld, wo geht was hin und wo wird was wie produziert.

Wenn du nach Major Trends im Onlineprint-Business fragst, dann ist es, glaube ich, noch immer so, dass wir noch nicht flächendeckend bei einer individuellen Auflage sind, ob das 1, 5 oder 25 ist. Wir haben immer noch ganz viele Bereiche, wo ich 100 oder 200 oder 500 bestellen muss. Der Trend wird sicherlich in ganz vielen Bereichen auch dazu gehen, noch mehr Produkte, noch mehr Materialien, noch mehr Elemente zu personalisieren, zu individualisieren in möglichst keiner Auflage. Das wird uns noch weiter begleiten. Der eine oder andere Onlineprinter zeigt das schon heute in einer unglaublichen Vielfalt, aber ich glaube, das ist noch nicht am Ende, es wird noch mehr. Und wahrscheinlich auch noch professioneller, weil heute ist Individualisierung keine Spielerei mehr, sondern normal. Dazu eine Anekdote aus dem Büro: Da ging es darum, dass der kleine Junge vom Kollegen in den Kindergarten kam. Und da war es vollkommen klar, dass der eine beschriftete Tasse hat. Und zwar nicht wie früher bei uns eine mit einem kleinen Namensschildchen mit Kleber unter die Tasse geklebt. Sondern das muss da drauf stehen. Und genau das ist über ganz viele Produkte hinweg mittlerweile normal. Und es wird, glaube ich, auch in professionelleren Umfeldern, ob es Möbel sind, ob es Textilien sind, normaler. Ich persönlich habe ein Hobby, da geht es um Möbel, ums Schreinern. Wenn ich sehe, welches Potenzial es da gibt, und was da schon möglich ist hinsichtlich eines individuellen Designs auf einem Stück Holz, dann glaube ich, wird das einer der Trends sein, in die plötzlich auch ganz andere Branchen involviert sind. Denn die Schreinerei selber kann nicht drucken, also es wird dann eben einer der großen oder auch kleineren, wenn sie sich spezialisieren, Online- oder auch Offline-Printer sein, die sich da hervortun.

Bernd Zipper: Wir haben jetzt so viele Themen angesprochen. Zeit für einen Abschlusssatz. Wie lautet deiner?

Alexander Sperrfechter: Wir sind ja im Printumfeld unterwegs, daher würde ich einfach sagen: Druckt mehr, weil es macht Spaß. Wir sind voll digital, wir arbeiten papierlos im Büro, und trotzdem freuen wir uns über jedes gedruckte Produkt, das, zu welchem Anlass auch immer, auf unserem Tisch landet. Also denkt drüber nach, was kann ich individuell für unsere Kunden oder für eure Kunden in dem Fall machen. Und setzt Software ein, weil das ist das, worum es geht in Zukunft.

Bernd Zipper: Ja cool. Alexander, ich danke dir.

Alexander Sperrfechter: Ja, vielen Dank.

Bernd Zipper: Alexander Sperrfechter von rissc war hier bei uns in Essen am Buchenhain. Wir sehen uns spätestens zum Online Print Symposium. Da kann man sich dann auch angucken, was rissc im nächsten Jahr dann an neuen Ideen mitbringt. Und ich glaube, das Thema Headless wird uns noch ein bisschen verfolgen.

Alexander Sperrfechter: Mit Sicherheit.

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Interview: Web-to-Print muss auch mobil funktionieren
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Interview: Web-to-Print muss auch mobil funktionieren
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Die Welt funktioniert in vielen Bereichen digital. Und doch – oder gerade deswegen – hat Print einen besonderen Stellenwert in der Gesellschaft. Druck transportiert nicht nur Informationen, sondern kann aus einem beliebigen ein persönliches Produkt machen. Einer, der weiß, wie das geht, ist Alexander Sperrfechter, Gründer und CEO der Software-Schmiede rissc. In der neuen Folge der Zippers Insights spricht er über E-Commerce, Headless Web-to-Print, die Bedeutung des Smartphones als Touchpoint, das Metaverse und Mass Customization. Reinhören lohnt sich!
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Beyond-Print.de

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