Interview: Zaikio – Die Paradigmen müssen wechseln

0

In der vierten Folge des Beyond Print Podcasts geht Bernd Zipper dem aktuellen Rätsel der Druckindustrie auf die Spur. Er überprüfte, was hinter Zaikio steckt und was das mit der Heidelberger Druckmaschinen AG, beziehungsweise mit Crispy Mountain zu tun hat. Er fragt nicht irgendjemanden, der was gehört hat, sondern recherchiert direkt bei den Akteuren. Christian Weyer (Mitgeschäftsführer bei Zaikio), Jürgen Grimm (Leiter Ecosystems Heidelberger Druckmaschinen AG) und Rainer Hundsdörfer (CEO Heidelberger Druckmaschinen AG) standen Rede und Antwort und führten aus, welche Paradigmen bei Zulieferindustrie und Druckereien wechseln müssen.

Lesen Sie hier eine kürzere Fassung des Interviews, eine längere in beyondprint unplugged oder hören Sie das Gespräch in voller Länge im Podcast auf zippers insights oder Spotify.

Bernd Zipper: Was muss ich mir in kurzer Form unter Zaikio vorstellen?

Christian Weyer: Die Druckindustrie steht unter einem ziemlichen Kostendruck. Effizienz lässt sich durch Digitalisierung und Automatisierung verbessern. Für die Automatisierung muss ich alle Prozesse in der Wertschöpfungskette vernetzen, alle Maschinen, jede Software, die Personen und alle Partner der Druckerei. Zaikio stellt die Software-Produkte für diese Vernetzung zur Verfügung.

Bernd Zipper: Gut, das sagen mir ja andere auch.

Christian Weyer: Ja, aber wir haben einen ganzheitlichen Ansatz. Wir vernetzen die verschiedenen Komponenten. Eine Druckerei hat heute viele verschiedene Software-Produkte im Einsatz, die aber in der Regel eher schlecht miteinander kommunizieren. Wir wollen mit Zaikio eine Plattform schaffen, die eben diese Kommunikation gemeinsam mit den Herstellern der unterschiedlichen Software-Pakete angeht und dafür sorgt, dass die Software miteinander spricht, ohne dass der Drucker sich aktiv darum kümmern muss. Er soll mit einem Klick in die Lage versetzt werden, dass seine Komponenten miteinander sprechen. Dadurch hat er eine Basis, auf der er einfach automatisieren und digitalisieren kann. Dabei sind wir aber kein Management Informationssystem (MIS).

Bernd Zipper: Jeder klassische IT-ler in der Druckindustrie wird jetzt skeptisch, weil er das schon ein paar Mal gehört hat. Keyline gibt es noch und das ist dann Teil des Ökosystems?

Rainer Hundsdörfer: Ich würde gerne auf einer höheren Flugebene anfangen. Wie spielen Zaikio, Keyline, Prinect und all die anderen Sachen hier mit hinein? Heidelberg konzentriert sich auf sein Kerngeschäft, das Bedrucken von Bögen von Daten bis zum fertigen Druck-Produkt. Wir wollen unseren Kunden alles anbieten: die notwendigen Maschinen, die notwendige Software, alle Verbrauchsmaterialien, alle Services. Das können wir nicht allein. Wenn wir es ernst meinen, dass wir Kunden, die im Wesentlichen mit uns arbeiten, erfolgreicher machen wollen als die, die es nicht tun, dann müssen wir weiterdenken. Und dann kommt man sehr schnell zu einer Plattform, die nur funktionieren wird, wenn sie wirklich einen Mehrwert für den Kunden schafft und nicht für Heidelberg. Das ist genau der Gedanke dahinter, zu sagen: „Lass uns einen Weg finden, dass wir unsere Kunden in die Lage versetzen, ihre Produktivität und ihre Effizienz zu steigern, indem alles, was sie tun, über ein und die gleiche Plattform läuft”. Dazu brauche ich andere Maschinenhersteller, andere Softwarehersteller, andere Lieferanten von Services oder von Verbrauchsmaterialien.

Bernd Zipper: Wir sprechen also über eine Infrastruktur-Plattform, ein Ökosystem, in das der IT-ler mehrere, nicht von Heidelberg oder Zaikio stammende Plug-Ins oder Applikationen, integrieren kann.

Christian Weyer:  Auf jeden Fall, ja.

Bernd Zipper: Damit der Drucker eine Infrastruktur hat, um in diesem Datenwahn zu bestehen.

Christian Weyer: Wir verwenden in verschiedenen Projekten Keyline eigentlich nur als Daten-Drehscheibe. Das haben wir weitergedacht und sind relativ schnell zu der Überlegung einer Plattform gelangt. Dabei haben wir realisiert, dass man das als kleines Unternehmen nicht schaffen kann, weil es nicht nur ein technologisches Problem ist, sondern man muss mit sehr vielen Partnern sprechen. Das war von unserer Seite der treibende Grund zu sagen: „Wir brauchen hier einen starken Partner, der viel Wissen in den Druckprozess mitbringt, von dem wir profitieren können, der uns aber auf der anderen Seite natürlich als Start-Up agieren lässt”.

Rainer Hundsdörfer: Wir haben erkannt, dass eine geschlossene Heidelberg-Welt beim Aufbau einer Plattform nicht funktioniert. Eine Plattform funktioniert nur, wenn sie für alle und zu gleichen Regeln zugänglich ist. Wir glauben, dass wir mit den Services, mit den Maschinen, mit den Produkten, alles, was wir dem Kunden anbieten können, uns hinreichend differenzieren. Dann brauche ich keine geschlossene Plattform. Das ist durchaus ein Paradigmenwechsel für Heidelberg.

Bernd Zipper: Geht denn jetzt Start-Up und Heidelberg in Kooperation?

Jürgen Grimm: Ja, es geht sehr gut. Und wie immer, wenn was gut geht, liegt das vor allem daran, dass man sich persönlich gut versteht. Wir haben die volle Rückendeckung vom Heidelberg Top-Management. Weiter ist die Definition unglaublich wichtig. Wir reden von einer Plattform, die kann man bauen. Ein Ökosystem muss entstehen. Zwischen den Start-Up Entwicklern und unseren etablierten Software-Entwicklern ist eine sehr erfreuliche Dynamik entstanden. Die gesamte Industrie steht an dem Wechsel von On-Premise Software zu Cloudsoftware. Aber Cloudsoftware wird nicht von morgen an On-Premise Software ablösen und deswegen: Ein ganz großes Kernelement von Zaikio ist die Möglichkeit, alle Softwaresysteme zu vernetzen. Unabhängig davon, ob sie On-Premise oder in der Cloud sind.

Bernd Zipper: Und das funktioniert jetzt schon?

Jürgen Grimm: Das klappt jetzt schon sehr gut. Wir haben die ersten On-Premise Systeme vernetzt. Das ist schon ein Riesenschritt. Heute ist der Integrationsaufwand immer bei dem Einzelkunden in der direkten Kombination der Software. Wir lösen das Problem teilweise ab, indem sich nur die On-Premise Software mit der Cloud vernetzen muss.

Christian Weyer: Alles kann miteinander vernetzt werden, wenn Ressourcen wie Zeit und Geld keine Rolle spielen. Das Problem ist, dass die Vernetzung der Druckindustrie heute nicht skalierbar betrieben wird. Der Drucker ist verantwortlich für das Integrationsprojekt. Er muss das bezahlen, er muss Zeit budgetieren und er muss mehrere Partner koordinieren. Das funktioniert nicht und ist nicht die Aufgabe des Druckers. Wir kümmern uns darum, wenn man Software A und B miteinander vernetzen will, dann sprechen wir mit dem Hersteller von Software A und Software B. Die können das so in ihre Produkte einbauen, dass das dann für jeden einzelnen ihrer Kunden funktioniert. Wir machen das skalierbar und das ist neu.

Jürgen Grimm: Das funktioniert natürlich nur, wenn es offen für alle Beteiligten ist. Es löst die Abgrenzung zum MIS auf. Wir bieten eine Vernetzungsmöglichkeit für die bestehenden MIS. Der Wechsel eines MIS ist wie die Operation am offenen Herzen. Das ist nicht notwendig. Wir können die schrittweise Integration auf anderer Ebene vorantreiben, ohne das MIS zu ersetzen. Wir können es mit der richtigen Offenheit, mit den anderen Partnern vorantreiben, ohne die Druckmaschine zu ersetzen. Hier stößt Zaikio in eine Lücke, die momentan nicht gefüllt ist.

Bernd Zipper: Was mir aber noch im Kopf rumgeht: Crispy Mountain, also Zaikio, hat seine Expertise im Logistikbereich, Zoll-Software und ähnliche Lösungen. Dann habt ihr Keyline für die Druckindustrie gemacht. Bei uns im Team kam sofort die Frage auf: Wenn die jetzt so pfiffig sind und so genial, warum gehen die dann in die Druckindustrie? Woanders kann man viel mehr Geld verdienen.

Christian Weyer: Ganz klar, wir kamen durch Zufall in die Druckindustrie. Die Druckindustrie produziert jedes weltweit ein Volumen im Wert von rund 420 Milliarden Euro. Der Markt ist nicht klein. Es stimmt also nicht, dass man in der Druckindustrie kein Geld verdienen kann. Ich gehöre zu den Millennials. Mir ist es wichtig, dass meine Arbeit einen Sinn hat und es nicht nur ums Geld verdienen geht. Wir haben eine Handwerkstradition und in Deutschland lässt sich Handwerk und Software besser kombinieren als in sonst einem Land auf der Welt. Die Amerikaner machen uns unglaublich viel vor in Sachen Start-Up und Venture Capital. Aber die haben nicht diese Handwerkskomponente drin. Ich glaube, wenn wir es in Deutschland schaffen, den Maschinenbau mit guter Software zu verbinden, dann haben wir da wieder eine wahnsinnige Marktposition. Für mich ist es großartig, dass ich etwas programmiere und ich sehe abends, wie ein Buch aus einer Produktionslinie rauskommt. Die Daten für das Buch, die sind durch unsere Software gelaufen. Das macht mich unglaublich stolz und deshalb finde ich die Druckindustrie so interessant.

Rainer Hundsdörfer: Ich möchte noch ergänzen: Der Maschinenbau ist die führende Industrie in Deutschland. Ich würde behaupten, im Moment sogar besser aufgestellt als unsere Vorzeige- oder ehemalige Vorzeige-Industrie Automobil. Druckmaschinen sind die Königsklasse des Maschinenbaus. Da gibt es nur Deutschland, ein bisschen Japan und der Rest der Welt ist außen vor. Die Druckbranche ist deshalb sehr interessant, weil man mit Daten ein Produkt erzeugt. Zwischendrin sind viele digitalisierte Prozesse, die aber nicht hinreichend vernetzt sind. Genau an dieser Stelle setzt eine solche Plattform an.

Bernd Zipper: Jetzt frage ich mich: Moment, jetzt sind doch gerade bei Heidelberg Produkte abgekündigt worden. Viel Neues ist nicht in Sicht und wir reden über Software. Wie geht denn das zusammen?

Rainer Hundsdörfer: Es gibt kaum ein Maschinenbauunternehmen, das auf der einen Seite im Markt so erfolgreich ist wie Heidelberg. Wir haben rund 70 Prozent Marktanteil in Deutschland, 45 Prozent in der Welt, über 50 Prozent in China und sogar 25 Prozent nachhaltig in Japan. Das ist die eine Seite. Doch wir müssen damit auch dauerhaft wirtschaftlich erfolgreich sein und das ist uns nicht immer gelungen. Was aber müssen wir anders machen, damit wir nicht nur der Nummer eins als Maschinenlieferant sind? Wie kriegen wir die anderen Stakeholder – Aktionäre und Eigentümer – dazu, Spaß an unseren Produkten zu haben? Das geht dadurch, dass wir unsere Kunden noch erfolgreicher machen, damit sie noch mehr Geschäft mit uns machen und wir damit unsere Profitabilität letztendlich auf ein für alle Beteiligten erfreuliches Niveau bringen.

Bernd Zipper: Man könnte also sagen, es geht um das Betriebssystem für das Ökosystem. Gleichzeitig ist da eine Menge alte Software, was passiert denn damit?

Jürgen Grimm: Prinect ist mit weitem Abstand das erfolgreichste System für On-Premise Vernetzung, das es heute gibt. Wir wissen, was es bedeutet, das vor Ort zu tun, Kunde für Kunde. Und die Funktionen von Prinect werden ja nach wie vor gebraucht. Im Druckereiprozess werde ich z.B. weiterhin ausschießen müssen. Aber muss ich dazu lokal in jeder Druckerei eine Ausschießsoftware installieren oder ist nicht an der Stelle ein Technologiewechsel abzusehen, indem ich in die Cloud gehe? Jetzt muss ich mich fragen: Will ich denn genau so mit Cloud-basierter Software arbeiten, wie ich momentan mit On-Premise-basierter Software arbeite? Bleiben wir beim Ausschießen. In der Cloud sehe ich den gesamten Funktionsumfang, den unsere Signa Station bietet, im Idealfall ohne User Interface. Warum sollte jemand manuell Schneidmarken setzen sollen? Ich glaube, das ist der Schritt, den wir mit Zaikio unterstützen. Es ist nicht der Anspruch, alle Leute dazu zu bekehren, nur Heidelberger Druckmaschinen und Heidelbergs Software einzusetzen.

Bernd Zipper: Die Signa Station kam um das Jahr 2001 auf den Markt. Das ist eigentlich ein Software-Oldtimer.

Jürgen Grimm: Natürlich ist sieweiterentwickelt worden, aber die Grundphilosophie, die aktuell Prepress Lösungen innewohnt, ist, dass jeder Nutzer entscheiden kann, wie er ein Problem lösen will. Sie können ein Ergebnis auf vielen verschiedenen Wegen erzeugen. Aber mittlerweile leben wir in einer Zeit, wo man durch Algorithmen repetitive Arbeiten von den Menschen wegnehmen kann, um ihnen Platz für wirklich wertschöpfende Tätigkeiten zu geben. Ich glaube, den Schritt hat die Druckindustrie noch nicht ausgereizt. Es ist kein Problem der künstlichen Intelligenz. Es ist ein Problem, dass die Systeme nicht vernetzt sind und die Spielregeln unklar sind. Und da wird sich eine große Paradigmenänderung einstellen.

Bernd Zipper: Jahrelang haben wir gesagt, JDF ist das Ding. Jetzt waren die ersten brav auf dem Online Print Symposium, bei dem das erste Mal von einem Vertreter von Heidelberg gesagt wurde: „Wir brauchen da mehr”.

Jürgen Grimm: Ich glaube, dass man klarstellen muss, was JDF geleistet hat. JDF ist eine wunderbare Begriffsdefinition. Dank JDF reden alle Hersteller über denselben Prozessschritt mit denselben Worten. Was JDF nicht geleistet hat, ist ein wirkliches Datenaustauschformat, unter anderem, weil es nie ein Produkt, nie eine Schnittstelle gab, auf die man zuarbeiten konnte. JDF ist die Grundlage, um On-Premise Vernetzung überhaupt zu ermöglichen. Es ist aber nicht klar und eingeschränkt genug, um eine automatisierte Vernetzung zu ermöglichen. JDF ist die Grundlage, auf der eine offene API mit einem einheitlichen Datenmodell, wie Zaikio sie anbietet, arbeiten kann.

Christian Weyer: Man muss den Hintergrund sehen. Als die Technologie startete, da sah das Internet noch ganz anders aus als heute. Über solche Vernetzungsgeschichten, wie wir das heute aus dem Stegreif machen, hat sich damals keiner Gedanken gemacht. Die heutigen Anforderungen sind andere, gerade die Architekturen, wie man Netzwerke baut und wie man das Messaging in Netzwerken macht, hat sich grundlegend verändert. In dem Bereich ist JDF nicht sonderlich gut gealtert.

Bernd Zipper: Es können alle mitmachen. Wie viele haben schon angerufen?

Jürgen Grimm: Das Interesse ist sehr groß, weil die Notwendigkeit erkannt ist.

Christian Weyer:  Es geht nicht darum, welche anderen teilnehmen können, sondern vielmehr darum, welche anderen teilnehmen müssen, damit wir zusammen erfolgreich sind. Es ist allen Beteiligten absolut klar: Wir können nicht andere teilnehmen lassen, das ist falsch herum formuliert. Wir sind hier die Bittsteller und fragen andere: „Wollt ihr teilnehmen?”.

Rainer Hundsdörfer: Es ist nicht nur für Heidelberg ein Paradigmenwechsel, sondern für die gesamte Industrie. Wir haben schon mit vielen in der Zulieferindustrie geredet. Das wird ein Weilchen dauern, bis die sich trauen, da mitzumachen. Die Notwendigkeit sehen alle. Jetzt ist die Frage: Schaffen sie den Paradigmenwechsel? Das geht nicht über Nacht. Mir wäre es recht, wenn ich sagen könnte: „Alle wesentlichen Spieler aus der gesamten Branche sind schon im Boot”. Das ist noch nicht der Fall.

Jürgen Grimm: Wir wollten bewusst nicht mit einem reinen Konzept losgehen. Sondern wir haben gesagt, wir gehen dann zu den Partnern, wenn wir schon ein bisschen was intern zeigen können. Wir wollten bei einem Partner die kommerzielle Diskussion anstoßen und direkt sagen können „Hier ist die Technik dazu, und du kannst das nächste Woche mit deinem Tech-Team ausprobieren”. Zaikio.com ist offen. Man kann sich anmelden und man kann dort abstimmen, welches die bevorzugten und wichtigsten Partner sind. Das bietet uns die Möglichkeit, ein bisschen zu testen, was Priorität hat. Die Anmeldezahlen sind sehr erfreulich und die Tendenzen sind sehr eindeutig. Wir können sagen „Okay, wir müssen diese dazu bekommen und jene”, aber für das Partnergespräch ist es wichtig, sagen zu können: „Guck mal, so viele Leute haben sich schon registriert und so viele Leute wünschen sich dich speziell auf der Plattform”. Wenn die Zeit reif ist, dann werden wir ankündigen, wer dabei ist.

Rainer Hundsdörfer: Es ist ein Prozess, der braucht Zeit. Das wissen wir aus ureigenster Erfahrung. Wir wissen, welch ein anspruchsvoller Prozess es ist, dies in die Köpfe hinein zu kriegen. Es ist eine völlige Umkehr der Heidelberg Denkweise. Das wird bei unseren Wettbewerbern auch so sein.

Bernd Zipper: Wenn ich den Tanker nicht bewegen kann, muss ich dem Tanker Impulse geben, dass er lernen kann, wie er sich bewegen könnte. Für mich ist die Frage: Kann denn diese kleine Unit genügend Impulse setzen?

Jürgen Grimm: Zwang funktioniert nie. Persönlicher Austausch, kennenlernen und überzeugen ist der bessere Weg. Wenn die Leute sagen „Ihr seid auf dem falschen Weg” liegt es daran, dass wir es nicht gut genug erklärt haben. Dann erklären wir es noch einmal. Es wird immer Leute geben, die einen neuen Weg aus unterschiedlichen Gründen ablehnen.

Rainer Hundsdörfer: Wir müssen zuhören und fragen: „Warum glaubt ihr, dass das nicht der richtige Weg ist?”. Auf die Art findet man sehr schnell Antworten. Vielleicht kann man das eine oder andere besser machen, als es jetzt angedacht ist.

Jürgen Grimm: Ich glaube, die Kombination von einem Großunternehmen und einem Start-Up, wenn man beiden ihre Identität lässt, ist der erfolgversprechende Punkt. Denn allein wird man als reines Start-Up nicht skalieren, und auf der anderen Seite werden wir aus dem Konzern heraus nicht genug Impulse haben. Das ist die gewinnversprechende Kombination.

Christian Weyer: Das beantwortet die Frage, was wir momentan eigentlich machen und warum wir nicht täglich neue Partner bekanntgeben. Wir entwickeln Software agil, das heißt, wir müssen ja erst mal mit den Partnern besprechen: „Was sind eure Anforderungen, was sind denn eure Probleme?”. Partner meine ich im Sinne von Softwareherstellern, Maschinenherstellern, Lieferanten oder Händlern und den Drucker natürlich. Ganz wichtig, er ist die zentrale Gestalt. Wir haben in unserer Keyline Historie viel mit Druckern gesprochen. Aber so viele Gespräche wie im letzten Jahr habe ich noch nie geführt. Ich wollte ein Gefühl dafür bekommen: „Was sind eigentlich eure Probleme, was stört euch im Alltag, was wollt ihr durch Digitalisierung verbessern?”. Dieses Zuhören und dann die Software in die richtige Richtung entwickeln, das kostet einfach Zeit. Aber das ist gut investierte Zeit, weil ansonsten baust du ein Produkt, das am Ende keiner nutzt.

Rainer Hundsdörfer: Wir haben versucht, von erfolgreichen und erfolglosen Industrieplattformen zu lernen. Warum waren die nicht erfolgreich? Eine klare Erkenntnis, die wir getroffen haben, ist: Eine Plattform und ein Maschinenbauer passen nicht zusammen. Was wir können ist Software, die direkt mit unseren Maschinen und unseren Prozessen zu tun hat, da gehört die ganze „Push to Stop“ Philosophie dazu. Versuche von Industrieplattformen in anderen Branchen habe sich teilweise nicht durchsetzen können. Da gibt es prominente Beispiele. Das war einer der Gründe, wo wir gesagt haben, „Nein, wir müssen anders denken, wir sollten nicht den gleichen Fehler machen wie schon andere namhafte Maschinenbauunternehmen in anderen Branchen, die das dann still und leise beendet haben”. Ich glaube, es ist genau der richtige Ansatz zu sagen: „Ja, dafür brauche ich Menschen, da brauche ich ein Team, das den Plattformgedanken wirklich lebt und versteht”. Wir dürfen uns daran beteiligten und unsere Geschäftsprozesse darauf abbilden, um dann damit in eine andere Welt zu kommen. Das ist wichtig, weil wir nach wie vor davon leben, dass wir die besten Maschinen bauen. Software allein wird es nicht lösen, sondern die Maschinen müssen nach wie vor zum Schluss einen Druck erzeugen, der hervorragend ist und das kostengünstig, schnell und flexibel. Dass die Vernetzung der ganzen Prozesse auf einer anderen Ebene erfolgt, ist ergänzend und kein Widerspruch.

Bernd Zipper: Da stimme ich zu. Die Beyond Print Leser und Hörer kennen meine Meinung: „Wir brauchen Plattformen, wir müssen uns vernetzen, wir müssen gucken, dass wir bereit sind für neue Technologien wie Robotik und Künstliche Intelligenz.“ Was entwickelt sich? Da muss man Vertrauen haben. Heidelberg ist in einer kritischen Situation, auch wenn sie sagen „Wir sind auf dem besten Weg”. Stimme ich auch zu. Wer Vertrauen haben möchte, muss die Basis dafür schaffen. Crispy Mountain heißt nicht mehr so. Es gibt die Heidelberg Digital Unit (HDU) und Digital Platforms heißt jetzt Ecosystem. Oder ist das wieder was anderes? Dann wurden zeitgleich die Ventures gegründet. Wenn da ein Drucker genau hinschaut, wer da überall unterwegs ist: Wie soll das mit Vertrauen zusammengehen? Ich weiß doch nicht mehr: Wer ist denn mein Partner? Wem muss ich vertrauen?

Rainer Hundsdörfer: Die Heidelberg Digital Unit ist unser Think Tank im Hinblick auf die Entstehung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Welche Geschäftsmodelle wir dann über die Plattform betreiben, hat ja zunächst mal mit der Plattform nichts zu tun. So wie Heidelberg seine Geschäfte zukünftig über die Zaikio Plattform abwickeln wird, können das ja auch andere tun. Das ist die Idee einer Plattform. Das mal vorangeschickt, aber das Wichtigste ist mir, dass ich noch etwas zum Thema Vertrauen sage. Warum machen wir das denn überhaupt? Weil ich glaube, der Partner mit dem größten Vertrauen in der Druckindustrie ist nach wie vor Heidelberg. Mit all den Schwierigkeiten, die wir in den letzten Jahren zu überstehen hatten, haben es am allerwenigsten unsere Kunden gespürt. Unsere Kunden sind unser größtes Asset.

Bernd Zipper: Es ist für mich als Drucker vielleicht neu, dass ich auf einmal nicht irgendwas kaufe, was ich mir in den Schrank stelle und mir in die Bilanz schreibe, sondern dass ich auf einmal was mieten soll, Pay-per-Views oder sonst was habe. Dann schaue ich drauf und weiß nicht, mit wem mache ich das Geschäft?

Jürgen Grimm: Wir vermitteln. Wenn jetzt ein Drucker eine Subskription für irgendeine Software über unsere Plattform tätigt, dann ist der Geschäftspartner des Druckers der Softwarehersteller. Wir wickeln lediglich die Zahlung ab.

Bernd Zipper: Die Plattform muss ich ja trotzdem mieten.

Jürgen Grimm: Die Plattform muss nicht gemietet werden. Der Drucker kann diese Funktionalitäten umsonst nutzen.

Rainer Hundsdörfer: Die Plattform bezahlt Heidelberg und alle Partner, die dabei sind. Wir wickeln unsere Dienste darüber ab. Kein Heidelberg-Kunde bezahlt heute die Infrastruktur direkt, sondern indirekt, indem er für unsere Produkte und Leistungen bezahlt. Genau das gleiche ist hier der Fall.

Jürgen Grimm: Eine Plattform ist kein Produkt. Ich kann eine Plattform nicht an einen Kunden verkaufen, denn das ist reine Infrastruktur. Davon hat der Kunde nichts. Die Plattform lebt von den Produkten und Diensten, die darüber angeboten werden. Das ist das Modell. Der Zaikio Account ist kostenfrei. Natürlich haben wir ein Wertschöpfungsmodell dahinter.

Bernd Zipper: Habt ihr eine eigene Cloud, die ich nutzen kann?

Jürgen Grimm: Zaikio stellt eine Infrastruktur zur Vernetzung zur Verfügung. Wir selbst betreiben keine Server, sondern wir mieten Cloud-Dienstleistungen an. Der Vertragspartner in dem Transaktionsgeschäft ist jeweils der Anbieter. Wenn ich über eine Software eine Maschine mit einem anderen Softwaresystem vernetze, sagen wir mal, ich behalte mein MIS, dann ist mein Vertragspartner dafür immer noch der MIS-Anbieter. Zaikio stellt die Infrastruktur zur Verfügung, rechnet diese Infrastruktur aber nicht mit dem Drucker, sondern mit dem jeweiligen Infrastrukturnutzer, sprich dem Hersteller, ab. Das ist dieses Grundprinzip der Vertragspartnerschaft. Natürlich muss Zaikio temporär Daten halten und übermitteln. Aber Zaikio speichert keine Daten. Das wäre dann zum Beispiel ein anderer Software-Anbieter, der ein Archiv anbietet. Der würde dann die Daten halten und dann wäre der Vertragspartner dort. Natürlich müssen wir dafür alle Datenschutzrichtlinien berücksichtigen. Manchmal fühlt sich das an, als hätten wir rechtlich genauso viel Entwicklungsaufwand, wie wir den technisch haben. Ein digitales Produkt kennt primär erst mal keine Grenze, sondern die Grenze wird durch Rechtsräume definiert. Und da sind wir mittendrin.

Bernd Zipper: „Wir demokratisieren“ bedeutet, dass ich als Drucker eine Erwartungshaltung habe. Wir haben viele Drucker, die das Kennen und die eigene Ideen haben. Aber es gibt viele, die gerade den Sprung über die Mauer noch schaffen.

Jürgen Grimm: Wir haben das klassische Problem, das jeder Plattformbetreiber hat: Unser User ist nicht unser Kunde, im monetären Sinn. Das heißt, wenn der Drucker nicht unser Kunde ist, sondern nur unser User, ist alles auf der Plattform darauf ausgelegt, dass der Drucker zu jeder Zeit die Kontrolle hat, wo seine Daten hingehen. Das ist uns wichtig. Das ist eigentlich der Grundstein des Authentifizierungssystems der Plattform, um es jetzt schon mal technisch zu sagen. Das Ganze betreiben wir bei Amazon Web Services (AWS) in Frankfurt. Da haben wir unseren eigenen Virtual Private Cluster. Das ist also noch mal eine abgegrenzte Cloud, in der nur wir laufen. Viel mehr kannst du nicht auf Sicherheit gehen. Und wir sind natürlich immer maximal bemüht, das so sicher zu machen wie möglich.

Bernd Zipper: Wir haben Applikationen draußen im Markt, ich habe ein E-Commerce-System, einen Web-to-print-Editor, eine Ausschießsoftware, einen hausgebastelten Workflow und dann habe ich noch irgendwas, was mir ein befreundeter Entwickler mal gemacht hat. Ich habe noch ein MIS irgendwo hintendran. Das miteinander zu verbinden ist so gut wie unmöglich. Dazu brauchen wir ein Tube-System, also ein System, das dazwischen hängt oder zumindest eine standardisierte API anbietet, damit Programme miteinander sprechen können.

Jürgen Grimm: Genau, durch die Standardisierung habe ich den Vorteil, dass jeder Anbieter nur eine API lernen muss, nämlich unsere und nicht unzählige APIs lernen muss, also die von allen anderen. Aber technisch gesehen, da sind wir beim Slogan „Demokratisieren wir die Druckindustrie“, können Apps über unser System direkt miteinander kommunizieren. Wir zwingen niemanden, über die Zaikio Produkte zu gehen. Wir sagen nur: „Wenn du das machst, dann wird es natürlich für dich als Software-Hersteller erheblich einfacher“.

Bernd Zipper: Technisch möchte ich hier nicht so tief gehen. Das ist kein Werbeblock, aber ich glaube, dass es der richtige Weg ist, insbesondere weil wir noch Aufwand in Sachen Datentransfer bekommen werden. Wir brauchen automatisierte Verfahren, wo Daten freigegeben werden können. Wer glaubt, er würde heute nur noch in seinem Nachbarschaftsviertel produzieren, der hat das ganze Thema Online-Print noch nicht mitbekommen. Aber wir haben zurzeit eine echt prekäre Situation. Wir haben viele Drucker, die haben echt andere Sorgen. Wie kriegt man das denn jetzt an den Mann, dieses Thema?

Rainer Hundsdörfer: Wir sehen, dass sich unsere Drucker die richtigen Gedanken machen. Alle sind sich mehr oder weniger bewusst, wir werden ein ganzes Weilchen noch mit der aktuellen Situation leben. Wie geht man damit um? Ein kleines Beispiel, ich habe letzte Woche einen unserer Kunden in Holland besucht. Was macht der? Der investiert, der sagt: „Ich will fertig sein, wenn das Geschäft wieder anzieht“. Wir haben hier nicht nur die Möglichkeit, neue Maschinen zu verkaufen, sondern neue Prozesse zu etablieren. Da sind wir genau bei Zaikio. Es gibt Gewinner in der Krise, die sind offen für das Thema. Dann gibt es welche, die es hart getroffen hat, die aber einen Plan haben. Die sind gesund und können investieren. Die sagen: „Ich nutze diese Zeit, wo mir 10 oder 15 Prozent Umsatz fehlen, um mich neu aufzustellen“. Und dann gibt es natürlich die, die es nicht überleben werden. Ein Virus verändert nicht die Welt, aber er ist ein Katalysator, der die Veränderungen vorantreibt. Vielleicht sogar gut, weil wir den Strukturwandel beschleunigt sehen und das ist besser, als würde es sich ewig lang hinziehen. Deshalb bin ich, wenn ich jetzt auf Heidelberg komme, relativ optimistisch. Wir sehen seit einigen Monaten, wie sich das Geschäft verbessert. Der Juli war schon ordentlich. August war nicht schlecht. Im September erwarten wir, dass wir uns so langsam wieder erholen. Das Geschäft erreicht wieder ein Niveau, mit dem unsere Branche in die Zukunft investieren und neue Dinge tun kann. Es geht nicht nur darum, Kapazitäten anzupassen und das Produktportfolio zu bereinigen, sondern um völlig neue Führungsstrukturen und eine neue Denke im Unternehmen zu etablieren.

Jürgen Grimm: Ich glaube, dass die Transformation in Richtung mehr Digitales, die jetzt beschleunigt auftritt, einem rein digitalen Produkt wie Zaikio nur entgegenkommen kann. Die Leute haben teilweise jetzt mehr Zeit, sich damit zu beschäftigen. Das heißt, wenn ich das über eine Website anbiete, ist vielleicht sogar das Zeitbudget, was die Leute aktuell dafür haben, größer, als wenn es keine Krise gibt.

Christian Weyer: Ich finde, das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Der größte Feind der MIS Implementierung in der Druckerei war immer das Tagesgeschäft. Das gilt bei Überlegungen wie: Wie sieht die Zukunft aus? So paradox das sein mag, durch die Krise haben viele Drucker die Gelegenheit genutzt, um sich in Ruhe zu überlegen: Wo geht es denn hin? Das war für uns auch so. Wir haben uns im Februar, März und April komplett einigeln können und haben nur an dem Produkt gearbeitet. Wann hat man denn mal so eine Gelegenheit? Das hat uns unserem Ziel viel schneller nahegebracht, als wir das ursprünglich geplant haben. Viele Drucker haben jetzt erstmals gemerkt, dass remote zu arbeiten gut funktioniert. Bei den Druckern ist auf jeden Fall ein Bewusstsein gereift, „Ich brauche Softwaresysteme, die von überall zugreifbar sind“. Man kann schlecht die Speedmaster bei sich im Wohnzimmer aufbauen. Das ist völlig klar. Es gibt aber eine Menge Jobs in der Druckerei, die man von zu Hause mit flexiblen Arbeitszeiten erledigen kann. Wenn wir sehen, dass die Druckbranche um Nachwuchs kämpft, dann sind das positive Argumente. Flexible Arbeitszeiten und andere Arbeitszeitmodelle. Die Software muss jetzt nachziehen.

Bernd Zipper: Wie sieht die Arbeitswelt eines Druckers in Zukunft aus? Das finde ich sehr spannend, insbesondere wenn man sich mit jungen Leuten unterhält, denen Nachhaltigkeit wichtig ist und die sehr familiär geprägt sind. Wo geht das hin? Wir brauchen eine Akzeptanz innerhalb der Branche. Gibt es einen Plan B, wenn das nicht funktioniert?

Christian Weyer: Wer mit einem Plan B arbeitet, investiert nicht genug Energie in Plan A. Man muss an seinem Ziel arbeiten und du hast es ja schon richtig gesagt, es ist keine technische Herausforderung. Die Technologien, die wir hier einsetzen, sind 10, 15 Jahre alt. Die Herausforderung besteht darin zu verstehen, wo die Anforderungen der Beteiligten liegen, um dann diese Probleme zu lösen. Dann wird sich das verkaufen. Da mache ich mir keine Sorgen. Die Erfahrung in den letzten fünf Keyline Jahren war, dass sich die Einstellung der Branche massiv gewandelt hat. Während es vor fünf Jahren teilweise schwierig war, ein Cloud-basiertes Produkt zu verkaufen, ist das heute einfach kein Thema mehr. Im Gegenteil, es wird sogar als positiv wahrgenommen, teilweise ist es sogar Voraussetzung. Ich bin von diesem Gedanken überzeugt: Irgendjemand wird das machen, wenn es uns nicht gelingt, wird es jemand anderen geben, was ich natürlich nicht hoffe. Ich hoffe, dass wir da schneller sein können.

Rainer Hundsdörfer: Wir würden es nicht tun, wenn man einen Plan B bräuchte. Wir sind fest überzeugt, dass es der richtige Weg ist. Ob die Ausprägung, wie wir den Weg jetzt gehen, richtig ist, weiß ich heute nicht. Aber das ist Agilität. Wir fangen an, und wir adaptieren und machen es so lange, bis es geht. Das ist für unsere typisch klassische, deutsche, konservative Maschinenbauwelt ganz was anderes. Bei Fehlertoleranz zu sagen: „Wir probieren, einfach mal schauen was funktioniert und passen es dann an.“ Der klassische Weg, dass wir von Anfang bis Ende etwas durchplanen, mit einem Reifegrad-Prozess, das funktioniert nicht in einer solchen Softwarewelt.

Bernd Zipper: Zusammenfassend, es ist eine Plattform. Auf diese Plattform kann ich beispielsweise meinen Shop, Keyline oder Prinect packen. Das heißt, ich rufe Sie an, Herr Grimm, Sie kommen vorbei und wir reden darüber oder wie funktioniert das?

Jürgen Grimm: Als Partner, ja klar. Man muss darüber reden, in welcher Form was zusammenpasst. Das machen wir schon mit relativ vielen Partnern. Und dann ist es wirklich ganz schnell Hands-on, praktische Integrationsarbeit an der API. Weil: Wir können lange drüber reden und Spezifikationen austauschen. Der beste Test ist immer noch, sende ich die Daten ab, kommen die Daten an? Und dann folge ich diesem Austauschformat.

Bernd Zipper: Heidelberg hat hier noch ein Thema. Es gibt die gestandenen Maschinenverkäufer, die in 80 Prozent aller Fälle den direkten Kontakt zum Kunden haben. Können die Zaikio an den Mann bringen?

Jürgen Grimm: Müssen Sie ja gar nicht. Zaikio ist ja kein Produkt, was man verkaufen muss. Das folgt nicht der Logik von Heidelberg Deutschland, Heidelberg Schweiz und so weiter. Was an Heidelberg Software darauf läuft, das kann man verkaufen, das funktioniert dann wieder. Wenn wir sagen würden, wir zwängen ein rein digitales Produkt in die etablierten regionalen Vertriebsstrukturen, tun wir weder der Vertriebsstruktur einen Gefallen noch den digitalen Produkten. Das ist genau der Punkt, wo Herr Hundsdörfer sagt: Der Gedanke ist ja nicht nur in der Entwicklung, der Gedanke ist im gesamten Ansatz. Im Idealfall verkauft ein Softwarewettbewerber Zaikio mit, promotet ein Shop-Anbieter oder ein MIS Anbieter das an seine Kunden. Wir wollen das Problem vor Ort lösen. Alltag: Wie kriege ich von einem Webshop und einem MIS meine Daten zusammen? Wir wollen weder der Shopsoftware, noch dem MIS das Geschäft wegnehmen. Wir wollen das Integrationsproblem lösen.

Christian Weyer: Wir agieren dort sehr im Hintergrund, und das ist okay. Der Endkunde muss nicht morgens aufstehen und überall Zaikio sehen, sondern er muss sich an seinen Produktionsworkflow setzen und der muss funktionieren. Wir sind eine Basis. Wir haben ein Thema, über das haben wir noch gar nicht gesprochen: Wir vernetzen auch im Procurement-Bereich die Händler und Hersteller von Konsumgütern, also Papier, Farbe und so weiter mit dem MIS der Drucker. Auch hier: Wir bauen da keinen Webshop. Ich gehe nicht auf ‘shop.zaikio.com‘ und kaufe da irgendwas, sondern wir sind die Datendrehscheibe, die dafür sorgt, dass ich in dem Einkaufsmodul meines MIS Systems aktuelle Preislisten direkt habe. Ich muss keine CSV-Datei mehr importieren, sondern es funktioniert über die Schnittstelle.

Rainer Hundsdörfer: Ich bin überzeugt, das kriegen wir hin. Irgendein Anbieter von Farbe oder sonstigem wird sagen: „Du kannst mit mir Geschäfte machen, aber bitte nur über die Zaikio-Plattform. Wenn du da noch nicht bist, dann bitte, geh dahin, bring deine Systeme da drauf, und damit kann ich dann automatisiert mit dir die Geschäfte abwickeln“. Das ist die Idee, und deshalb ist es ein bisschen wie eine Lawine. Die muss erst einmal klein anfangen. Aber die wird an Geschwindigkeit gewinnen. Wir schaffen einen Nutzen für unsere Kunden. Dann werden alle zunehmend im Nachteil sein, die diese Plattform nicht benutzen, weil der Kunde die Bequemlichkeit wollen wird. Das sind die gleichen Menschen, die im normalen Leben digitale Produkte benutzen. Und warum? Weil sie so bequem und angenehm sind. Das gleiche ist auch hier die Chance.

Bernd Zipper: Das heißt, das ist aber dann ein Teil des Business-Modells, für den Betrieb die Entwicklung und die Weiterentwicklung, dass man da zwischendurch provisioniert wird.

Christian Weyer: Dadurch, dass wir den Prozess Ende-zu-Ende digitalisieren, entsteht eine digitale Dividende. Sei es Zeit, sei es Geld, seien es Ressourcen. Diese Dividende müssen wir, das ist unsere Aufgabe als Plattform, an alle Mitspieler verteilen. Und es ist natürlich unser legitimes Interesse als Plattform, einen kleinen Teil dieser Dividende auf unserer Plattform zu halten.

Rainer Hundsdörfer: „last but not least“ für den Lieferanten: Wenn ich meine Geschäftsbeziehung mit meinem Kunden automatisiert abwickeln kann, dann spart das Vertriebsaufwand. Das ist dann ein Nutzen auf beiden Seiten.

Bernd Zipper: Das ist ein cooles Schlusswort! Ich muss noch einen Hinweis geben: Natürlich kann dieses Interview Spuren von Nüssen und Promotion enthalten, aber das ist eigentlich normal. Ich bedanke mich herzlich bei allen Beteiligten für die Zeit und die offenen Antworten. Es bleibt spannend. Glück auf!

Summary
Inteview: Zaikio – Die Paradigmen müssen wechseln
Article Name
Inteview: Zaikio – Die Paradigmen müssen wechseln
Description
In der vierten Folge des Beyond Print Podcasts geht Bernd Zipper dem aktuellen Rätsel der Druckindustrie auf die Spur. Er überprüfte, was hinter Zaikio steckt und was das mit der Heidelberger Druckmaschinen AG, beziehungsweise mit Crispy Mountain zu tun hat.
Author
Publisher Name
Beyond-Print.de

Max Spies, ein echter Schweizer Degen, ist Drucktechniker und Betriebswirt. Als ERP-Spezialist der zipcon consulting GmbH recherchiert er entlang der gesamten Wertschöpfungskette und steigt in die Tiefen der Unternehmensbereiche ein. Menschen, Prozesse und Werkzeuge sind ihm bei seinen Betrachtungen in gleichem Maße wichtig. Mit Neugier, Rückgrat und einer Portion Allgäuer Streitlust erarbeitet er sich die Informationen. Seine verständlichen Expertisen sind die Grundlage für ergebnisorientierte Konzepte in den Kundenprojekten. Max Spies ist seit 35 Jahren in der Druckindustrie, war als Journalist bei „Deutscher Drucker“ tätig und schreibt Gastbeiträge für die Fachmagazine „Druckmarkt“ sowie „Grafische Revue Österreich“. Vor seiner Zeit bei zipcon war er für einen ERP-Software Anbieter in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig und ist als aktiver Netzwerker in diesem Wirtschaftsraum bestens orientiert. (Profile auch bei Xing, LinkedIn)

Leave A Comment

Datenschutz
, Inhaber: (Firmensitz: Deutschland), verarbeitet zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in der Datenschutzerklärung.
, Inhaber: (Firmensitz: Deutschland), verarbeitet zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in der Datenschutzerklärung.