Kundenzentrierung: Wer sind die wichtigsten Menschen im Unternehmen?

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Ich habe es in meinem Blog zum Jahresbeginn schon erwähnt: Druckereien haben in Sachen digitaler Reife Fortschritte gemacht. Doch die Kunden verlangen mehr als interne Verbesserungen.

Die Arbeitsabläufe sind digitalisiert, die Workflows vernetzt und jetzt wird an der Integration dieser Tools mit digitalen Angeboten, Webshops, Live-Chats, Kunden-Touchpoints, Social-Media-Kanälen, mobilen Anwendungen etc. gearbeitet. Und warum das alles? Um es den Kunden so einfach wie möglich zu machen, Produkte bei uns zu kaufen. Und zwar nicht nur einmal, sondern möglichst häufig. In diesem Zusammenhang werden gleich zwei Begriffe relevant: Customer Journey und Kundenzentrierung.

Kein Schalter, den man umlegt

Customer Journey ist vielleicht eher eine Sache für Druckereien, die Online unterwegs sind, das andere gilt jedoch für alle. Sich kompromisslos auf bestehende und potenzielle Kunden auszurichten, fällt vielen Unternehmen allerdings noch immer ziemlich schwer. Zugegeben, es ist auch nicht ganz so einfach. Denn hierbei geht es nicht um interne Prozesse oder das Einrichten digitaler Verkaufskanäle, sondern darum, den Kunden ein optimales Erlebnis zu bieten.

Aber einmal angenommen, das Bewusstsein für eine stärkere Kundenbeziehung ist vorhanden – dann müssen aber auch Taten folgen! Denn was wir in den letzten Jahren erlebt haben, waren eher Lippenbekenntnisse: Zwar behauptet jede Druckerei, sie sei kundenorientiert und richte sich nach den Bedürfnissen der Kunden. Aber ist das wirklich so? Um ehrlich zu sein: Mal ja, mal nein.

„Technologien, Produkte und Geschäftsmodelle kommen und gehen. Nur eines ändert sich nicht: die Fähigkeit, Kundenbeziehungen aufzubauen und langfristig zu erhalten.“ – Bernd Zipper

Trotzdem: Auch Druckereien müssen sich von innen nach außen richten. Das Beschäftigen mit sich selbst ist zwar notwendig für interne Prozesse, führt aber nicht zum Ziel der Kundenzentrierung. Und Customer Centricity ist kein Schalter, den man umlegen oder einem Marketing-Automatisierungs-Tool überlassen kann. Customer Centricity: Hört sich vielleicht hochtrabend an, hat aber erstens leicht erklärbare Gründe und wird zweitens jeden von seiner Notwendigkeit überzeugen.

Früher kannte man seine Kunden

Für Kunden wird das Differenzieren zwischen Produkten oder Dienstleistungen immer schwieriger. Denn auch bei der Qualität lassen sich Unterschiede kaum mehr ausmachen. Das gilt auch oder gerade für Drucksachen. Die wirklichen Unterschiede gibt es jedoch beim Kundenerlebnis, beim Kundendialog und bei der Kundenbeziehung. Und es ist zweifellos eine hohe eine Kunst, mit Hunderten von Kunden einen relevanten, zudem vertrauensvollen Dialog zu führen.

Früher kannte man seine Kunden noch alle. Den Fritz, den Ingo, den Hotelier oder den Herrn Doktor. Man kannte auch deren Wünsche, Bedürfnisse, Vorlieben und Lebensumstände. In der zunehmend digitalisierten und zum Teil anonymer gewordenen Welt (inklusive Onlineprint) ist das schwieriger geworden, zumal sich die Zahl der Ansprechpartner erhöht hat.

Und: In dieser digitalen Ökonomie werden Kunden zunächst einmal auf eine IP-Adresse reduziert. Das bleiben sie auch, wenn die Adressen nicht mit personenbezogenen Daten angereichert werden. Ohne den Zugang zu diesen Daten und ohne die Fähigkeit, aus diesen Daten Einsichten über Kunden zu gewinnen, ist Kundenzentrierung nicht möglich. Erst danach weiß man (wie beim Beispiel oben), mit wem man es zu tun hat. Dies wird mit fortschreitender Digitalisierung der Kundenbeziehungen noch weiter an Bedeutung gewinnen.

Kein vorübergehender Management-Hype

Deshalb ist Kundenzentrierung auch kein vorübergehender Management-Hype. Kundenzentrierung ist eine klare und eindeutige Antwort auf die technologiebedingte Verschiebung der Verhältnisse zwischen Anbieter und Konsument. Denn der Konsument verfügt heute über eine Macht wie nie zuvor. Soziale Medien, Empfehlungsplattformen, Vergleichsdienste und andere Angebote machen die Verbraucher zu Partnern auf Augenhöhe: Kundenzentrierung ist also auch eine Antwort auf den immer schärfer werdenden Wettbewerb in den Märkten.

Schließlich agieren Unternehmen in einem Umfeld, in dem sich Innovationen jagen, in dem sich andauernd die Konstellationen ändern und vermeintliche Wettbewerbsvorteile sehr rasch verschwinden können. Technologien, Produkte und Geschäftsmodelle kommen und gehen. Nur eines ändert sich nicht: die Fähigkeit, Kundenbeziehungen aufzubauen und langfristig zu erhalten.

Zu einem perfekt gestalteten Kundenerlebnis gehören aber nicht nur analytische Kompetenzen bei der Interpretation der Daten, optimal gestaltete Kundenschnittstellen und ähnliches mehr, sondern auch soziale Kompetenzen. Nichts bindet Kunden stärker, als engagiertes, unbürokratisches und kulantes Verhalten von Unternehmen, wenn es einmal brennt. Dann werden Kunden zu Stammkunden, die die Leistung eines Unternehmens auch weiterempfehlen.

Kundenzentrierung ist Chefsache

Die Aufgabenstellung ist aber nur dann lösbar, wenn digitale Transformation und Kundenzentrierung Chefsache werden. Sonst bleibt Customer Centricity ein leeres Versprechen.

Bislang ist das Thema aber meist irgendwo im Unternehmen in Bereichen verankert, die zwar etabliert wurden, aber nicht wirklich ernst genommen werden. Da gibt es (wenn es denn hochkommt) einen CDO (Chief Digital Officer), der sich aber mit Grabenkämpfen einzelner Abteilungen und altbackenen Strukturen herumschlagen muss und der sich neben vielen anderen Aufgaben auch noch mit dem Kundenerlebnis beschäftigen soll. So kann das nicht funktionieren. Deshalb gehört eine solche Position in die Chefetage.

Natürlich stoßen (vor allem junge) Menschen, die Kundenzentrierung und Digitalisierung als Mindset adaptiert haben, immer öfter in Managementpositionen vor und hinterfragen dabei, ob das Unternehmen gerade seine Kunden in den Mittelpunkt stellt, oder ob es wieder um sich selbst oder die Technik kreist. Doch es sind noch zu wenige. Entsprechende Veränderungen in der Unternehmensphilosophie könnte die Rolle eines CDO dabei mittel- bis langfristig obsolet machen. Denn der Mindset sollte zur Selbstverständlichkeit werden – nicht nur in der Führungsetage, sondern bei allen Mitarbeitern.

Denn Digitalisierung (und die damit notwendig gewordene neue Form der Kundenbeziehung) hatte zwar einen Anfang, aber offenbar kein Ende. Es sind auch keine Projekte, die irgendwann abgeschlossen sind, sondern die geistige Einstellung, die die neue Funktionsweise der Geschäftswelt verinnerlicht hat.

Datengetrieben heißt nicht Datenhunger

Aber zurück zur Kundenzentrierung, die meist als konsequente Ausrichtung des Unternehmens auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden verstanden wird. Ist richtig, greift aber zu kurz. Kundenzentrierung meint die Beziehung zu den Kunden an sich. Und die wird künftig wichtiger sein als das angebotene Produkt. Unternehmen, die sich nur an ihre Produkte oder Dienstleistungen klammern, werden früher oder später von datengetriebenen Wettbewerbern, die Kundenbeziehungen zum Kern ihres Geschäftsmodells erheben, überrollt.

Aber bitte nicht falsch verstehen: Datengetrieben ist nicht gleichzusetzen mit unstillbarer Datenhunger als Folge der fortschreitenden Digitalisierung auch in den Kundenbeziehungen. Das Ausspionieren von Kunden ist sicherlich die schlechteste Lösung. Kundenzentrierung ist nur dann eine sinnvolle Strategie, wenn sie auf Transparenz, Fairness, Respekt und Wertschätzung gegenüber dem Kunden beruht.

My Take: Der Kunde ist König – wie früher immer beschworen – reicht heute nicht mehr. Kundenzentrierung ist ein strategisches Thema. Dies wird gerne vergessen. Es lässt sich auch nicht einfach an das Marketing delegieren, weil hier die Messgrößen für Kundenzufriedenheit oder Kundenloyalität erfasst werden. Kundenzentrierung ist eine Strategie, die tief im Geschäftsmodell, in der Unternehmenskultur, der Organisationsstruktur und an den Kundenschnittstellen verankert sein muss. Wer Prozesse optimiert, diese aber nicht auf die Kundenbedürfnisse abstimmt, wird dies zu spüren bekommen. Kunden nehmen dies schnell wahr. Deshalb: Aus Kundensicht zu denken ist Pflicht. Weil die Kunden die wichtigsten Menschen im Unternehmen sind.
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Ich habe es in meinem Blog zum Jahresbeginn schon erwähnt: Druckereien haben in Sachen digitaler Reife Fortschritte gemacht. Doch die Kunden verlangen mehr als interne Verbesserungen.
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beyond-print.de

Gründer und CEO von zipcon consulting GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen für die Druck- und Medienindustrie in Mitteleuropa. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater und sein Team aktiv die praktische Umsetzung. Er entwickelt Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure der unterschiedlichsten Branchen. Seine Fachgebiete sind u.a. Online-Print, Mass Customization, Strategie- und Technologie Assessment für Print, sowie die Entwicklung neuer Strategien im Print- und Mediaumfeld. Bernd Zipper ist Initiator und Vorsitzender der Initiative Online Print e.V. und neben seiner Beratertätigkeit Autor, Dozent sowie gefragter Referent, Redner und Moderator. Seine visionären Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen für die Druck- und Medienindustrie. (Profile auch bei Xing, LinkedIn).

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