Nachdem Mercedes Benz bereits im letzten Jahr die Produktion gedruckter Broschüren eingestellt hat, folgte zunächst Volvo und jetzt offensichtlich auch Audi diesem Beispiel.
Einem Bericht der Automobilwoche zufolge will Audi künftig keine Broschüren (bisher handelte es sich angeblich um eine Größenordnung von drei Millionen gedruckter Exemplare) mehr produzieren lassen.
Nun kann niemand gezwungen werden, Drucksachen herzustellen, doch die Begründung von Audi für die Abstinenz klingt geradezu absurd. „Es ist ein gigantischer Aufwand, die Broschüren zu erstellen, zu redigieren, zu drucken und auszuliefern. Und bis sie im Handel sind, sind sie eigentlich schon fast wieder veraltet“, sagte der Leiter des Bereichs Digital Business und Customer Experience, Sven Schuwirth, gegenüber der Branchenzeitung, legt noch nach: „Wo ist der Mehrwert dieser Broschüren auf Hochglanzpapier, wenn ich darin ein rotes Auto sehe, aber ein schwarzes will? Das kann ich digital besser machen. Deswegen haben wir beschlossen, gedruckte Fahrzeugbroschüren zum Sommer 2020 weltweit einzustellen.“
Wenn diese Argumentationskette ernst gemeint sein sollte, dann haben die Marketingleute von Audi erstens nicht wahrgenommen, dass auch das Aufbereiten digitaler Daten ein gigantischer Aufwand ist, und räumen damit zweitens ein, dass sie die Möglichkeiten des Digitaldrucks weder erkannt, noch verstanden haben, kommentiert Knud Wassermann in Ausgabe 4 von beyondprint unplugged.
Über einen Konfigurator auf der Audi-Homepage (was für ein Aufwand!) kann der Interessent schon heute sein gewünschtes Auto individuell zusammenstellen. Die dafür generierten Daten könnten auch für den Druck einer personalisierten Broschüre herangezogen werden. Diese dann bis ins letzte Detail personalisierte Broschüre erzielt beim Empfänger einen „Wow-Effekt“, der einem Premium-Fahrzeug auch gerecht wird. Dem Kunden wird eine Wertschätzung entgegengebracht, die ein PDF nie und nimmer erreichen kann.

Print in einer crossmedialen Welt
Gedruckte Autowerbung war immer eine Paradedisziplin für besonders kreative Kampagnen. Print hatte dem Markenkern von Audi – Design, Qualität, Leidenschaft – bisher immer auch die adäquate Kommunikation ermöglicht. Das ist der Mehrwert, den Print bietet. Zudem lässt sich auch das Thema der Aktualität durch den bedarfsgerechten Digitaldruck on-Demand lösen. Und um Zeit zu sparen und den Weg über den Autohandel zu umgehen, würde der Druckdienstleister den Versand der personalisierten Broschüre direkt übernehmen.
„Die Argumente, die Audi gegen Print aufführt, sind erbärmlich. Da würde nur noch fehlen, dass der Autobauer den Umweltschutz als Grund für das papierlose Autohaus anführen würde.“ – Bernd Zipper
Doch im Marketing der großen deutschen Automobilhersteller haben scheinbar die „Digitalen“ das Ruder übernommen, die nicht wissen oder erkennen wollen, was Print in einer crossmedialen Welt alles leisten kann. Denn die Wirkung haptischer Medien, die mit besonderen Raffinessen ausgestattet sind, ist keine fixe Idee von Druckereien, sondern psychologisch erklärbar und durch aktuelle Studien faktisch belegt. Danach spielt Print gerade in der Kunden-Kommunikation und beim Kaufprozess eine immens wichtige Rolle – wenn man die Prozesse kennt und versteht. Das lassen sich die Automobilhersteller nunmehr wohl entgehen. Denn scheinbar verstehen sie Print nicht mehr.
Schweinebauch- statt Markenwerbung
Oder muss Print einmal mehr dafür herhalten, dass in Wahrheit an der Kostenschraube gedreht wird? Und wenn ja, dann könnte es für gedruckte Medien noch ärger kommen. Deutliche Zeichen setzen die sich abkühlenden Konjunkturdaten: Bei manch einem Autohersteller steht bei den Nielsen-Zahlen für das 1. Halbjahr 2019 ein Minus von bis zu 30% in der Werbebilanz.
In einem Interview mit dem Werbe-Branchenblatt Horizont prognostiziert der Automobilexperte Prof. Ferdinand Dudenhöffer einen drastischen Rückgang bei der Marken- und Imagewerbung. „Wir steuern auf das schlechteste Autojahr seit 20 Jahren zu – bei Absatz, Umsatz und Ertrag. Zu glauben, Marketing und Werbung kämen ungeschoren davon, ist naiv. Alle machen sich schlanker, überall wird gespart – besonders im klassischen Marketing. Diese Gelder lassen sich einfach streichen, um die dürren Erträge zu verbessern. Vor allem aber rechne ich damit, dass jetzt wieder eine Rabattschlacht beginnt“, meint Dudenhöffer. „Der Schweinebauch wird zurückkommen. Die Autos müssen vom Hof. Marken- und Imagewerbung werden wir deutlich weniger sehen. Alles außer verkaufsfördernden Maßnahmen wird es wahnsinnig schwer haben.“
My Take: Es mag ja sein, dass nicht alle Kunden eine Broschüre aus dem Autohaus mitnehmen wollen, aber glauben die Autohersteller wirklich, dass ihre Kunden so digital affin sind, dass sie komplett ohne gedruckte Prospekte auskommen wollen? Es muss eigentlich beides geben: haptisch, optisch und inhaltlich ansprechende Broschüren für die Kundengruppen, die Informationen dieser Güte erwarten und aus den Autohäusern mitnehmen – und digitale Erlebnisse. Wer seinen Kunden aber vorschreiben will, auf welchem Weg sie ein neues Auto zu bestellen haben, könnte eine böse Überraschung erleben. Dann kaufe ich mir eben keinen Mercedes, keinen Volvo und auch keinen Audi – dann tut es auch ein BMW, oder? Denn die haben es verstanden wie Print wirklich wertschätzt. So werden u.a. Premiumkunden mit einem wirklich außerordentlichen Willkommenspaket „begrüßt“ und die hauseigenen Druckprodukte können sich durchaus sehen lassen – und erfüllen einen Zweck: Markenbindung über Content, Haptik und echter Wertschätzung!

Discussion3 Kommentare
Unsere Premium-Automobilhersteller übersehen vielleicht, dass ihre Käufer eher älter werden, denn die jungen Menschen in den Großstädten steigen lieber auf ÖPNV, Fahrrad oder Car Sharing um (die e-Kinderroller sehe ich nicht als Alternative, sondern nur in den Händen von Touristen oder Partyvolk). Das Auto als Statussymbol hat langsam ausgedient und so manchen 18-jährigen pressiert’s mit dem Führerschein nicht oder sie verzichten ganz darauf. Heißt früher oder länger: Die Autokäufer werden älter und sind weniger digital affin. Sie werden weder eine Alexa ihr eigen nennen noch stundenlang am Rechner oder Tablet virtuell basteln wollen. Wir könnten wetten, dass der Audi-Marketing-Hipster von seinen Kunden eines Besseren belehrt wird und er in Sack und Asche gekleidet wieder zu einem Marketingmix aus digital und Print zurückpilgern wird!
Der einzige Grund ins Autohaus zu gehen, ist das Auto zu sehen und zwar real.
Dann nehmen wir Prospekte mit und kommen vielleicht wieder oder ohne Prospekte eben auch nicht.
Das ist absurd. Auch und gerade beim Kauf eines Autos sind gedruckte Informationen wichtig. Die Aussage wird Herr Schuwirth in Kürze zurück nehmen, wenn er sie denn überlebt.
Niemand (!) kauft ein Auto aufgrund von einer VR-Erfahrung. Ich weiß, dass ich mich gerade anhöre wie mein eigener Großvater, aber ich wette um jeden Betrag, dass ich in 10 Jahren in den Verkaufsräumen der Automobilhersteller genausoviel, wenn nicht mehr Gedrucktes sehen werde, wie 2019.
Wer hält dagegen?