Zwölf Prozent mehr Umsatz, neun Prozent mehr Bruttogewinn: Zahlen, von denen so mancher Druckdienstleister träumt. Doch auch, wenn der Platzhirsch im Onlineprint sowohl im vierten Quartal wie auch im Gesamtgeschäftsjahr 2022 (Juli 2021 bis Juni 2022) neue Höchstwerte vermeldet, startet Cimpress nicht mit einem „weiter so“ in sein neues Geschäftsjahr. Im Gegenteil. Der Jahresbericht hält gleich mehrere Weichenstellungen bereit, die das Geschäft des Onlineprint-Riesen künftig beeinflussen werden.
Doch der Reihe nach. Denn zuerst gilt es auf die Zahlen zu schauen, die über alle Geschäftsbereiche hinweg ein Wachstum aufweisen. Der Gesamtumsatz des Konzerns legte im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent auf nun 2,88 Mrd. US-Dollar zu, der Bruttogewinn („gross profit“, nicht zu verwechseln mit EBITDA) um neun Prozent auf rund 1,395 Mrd. US-Dollar. Damit liegen beide Werte seit Ausbruch der Pandemie nicht nur erstmals wieder auf, sondern über dem Vor-Corona-Niveau vom Geschäftsjahr 2019. (Anders übrigens das Adjusted EBITDA, das mit 281,1 Mio. US-Dollar deutlich niedriger ausgefallen ist als im Vorjahr, aber dazu weiter unten im Text mehr.)
„Unser ‚Upload & Print‘-Geschäft, National Pen, BuildASign und Printi erwirtschaften trotz der anhaltenden Pandemie im vergangenen Jahr, der Unterbrechungen in den Lieferketten und der Kostensteigerungen ähnliche oder höhere Umsätze und Gewinne als vor der Pandemie“, äußerte sich Cimpress-CEO Robert Keane auch entsprechend zufrieden in seinem Brief an die Investoren.
Nüchterner geht es hingegen im größten Geschäftsbereich des Konzerns zu, Vista. Denn: „Mehrere Faktoren haben die Rentabilität von Vista im Geschäftsjahr 2022 stark beeinträchtigt: ein Umsatzwachstum, das nicht so stark ausfiel, wie in anderen Geschäftsbereichen von Cimpress, eine Kosteninflation, die nicht durch Preiserhöhungen ausgeglichen werden könnte, […] sowie langfristige Investitionen“, heißt es unter anderem.
Wachstum bleibt trotz Umsatz-Höchstwert hinter den Erwartungen
Denn im Geschäftsbereich Vista, der im letzten Jahresbericht noch Vistaprint hieß und in dem sich zuletzt wohl am meisten getan hat, wird nach wie vor der Löwenteil des Gesamtumsatzes von Cimpress erwirtschaftet. Mit 1,515 Mrd. US-Dollar erreichte Vista nach den beiden Pandemie-Jahren wieder einen Gesamtumsatz auf Vor-Corona-Niveau bzw. sogar knapp über dem Wert vom Geschäftsjahr 2019. Das Wachstum mit plus sechs Prozent (währungsbereinigt fünf Prozent) gegenüber dem Vorjahreszeitraum blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück. Entsprechend fiel auch das Resümee von Robert Keane aus: „Die Finanzergebnisse von Vista blieben weit unter dem, was wir für ihr Potenzial halten“, heißt es in seinem Brief an die Investoren.
Dies sei – unter anderem – auf „erhöhte strategische Investitionen […] in die Umgestaltung von Vista“ zurückzuführen, „die die kurzfristigen Gewinne stark belasten“, sowie auf die Kosteninflation, die vor allem in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres nicht von der Preissteigerungsrate ausgeglichen werden konnte.
Transformation zum vollumfänglichen Design- und Marketingpartner
Apropos Umgestaltung: Cimpress arbeitet eigener Aussage zufolge bereits seit über drei Jahren an der Transformation und strategischen Neuausrichtung von Vista. So verabschiedet sich das Unternehmen beispielweise immer mehr vom Geschäft mit stark rabattierten und einfachen Marketingprodukten bzw. verlustbringenden Kunden. Künftig soll der Fokus stattdessen darauf liegen, sich als vollumfänglicher und kompetenter Design- und Marketingpartner für kleine Unternehmen zu etablieren und neben einer breiteren Produktpalette auch umfangreichere Designmöglichkeiten und eine verbesserte Benutzerfreundlichkeit zu bieten.
Vor diesem Hintergrund erfolgten neben dem Wechsel auf eine neue Technologie-Plattform, die noch im August endgültig abgeschlossen sein soll, auch die Übernahmen von Crello (jetzt VistaCreate) und der Bilddatenbank Depositphotos Ende Oktober 2021 (sowie bereits die Übernahme von 99designs im Jahr davor). „Vistas Self-Service-Studio war schon immer eine Schwachstelle in der Customer Journey – doch wir glauben, dass wir dies durch bessere Vorlagen, unterstütztes bzw. professionelles Design deutlich verbessern können“, fasst Robert Keane einige der Gründe für die Zukäufe zusammen, und weiter: „Aus diesem Grund investieren wir, wie wir es bei beiden Übernahmen geplant hatten, auch in den Ausbau der Entwicklungskapazitäten und in die Integration.“ So soll sukzessive ein einheitliches Design- und Service-Erlebnis für die Vista-Kunden geschaffen werden.
Aufgrund der Übernahmekosten und Anschlussinvestitionen sowie infolge des inflationsbedingten Kostendrucks, der, so Keane, nur teilweise durch Preiserhöhungen ausgeglichen werden konnte, und durch höhere Werbeausgaben, hat sich das EBITDA von Vista und damit der Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen, etc. im Vergleich zum Vorjahr um 123,4 Millionen US-Dollar auf 195 Mio. US-Dollar reduziert; den niedrigsten Wert seit dem Geschäftsjahr 2018.
Weniger Mitarbeiter und Schließung des Japan-Geschäftes
Entsprechend ist es kaum verwunderlich, dass Cimpress proaktiv Maßnahmen angekündigt hat, um die Ausgaben auf der Kostenseite weiter zu reduzieren. So will der Onlineprint-Marktführer beispielsweise die Mitarbeiterzahl von Vista um etwa drei Prozent reduzieren – und sich zugleich aus Bereichen, Aktivitäten und Geschäften zurückziehen, die „einen mehrjährigen Zeitraum benötigen, um sich positiv in den Finanzergebnissen niederzuschlagen“. Wie Japan zum Beispiel. Dort sehe man zwar „eine Region, die langfristig Chancen bietet, bisher aber nicht profitabel war“. Cimpress stellt sein Geschäft in dem asiatischen Land damit ein.
Priorität sollen künftig die Bereiche haben, die die beschriebene Transformation vorantreiben, wie etwa Design und Service, neue Produkte, Preisgestaltung, die Partnerschaft mit Wix, das Know-how in der Webseiten-Gestaltung sowie das Thema Personalisierung. In diesen Bereichen soll langfristig auch die Personaldecke wieder erhöht werden.
Optimistischer ins Geschäftsjahr 2023
Für das kommende Geschäftsjahr ist Cimpress optimistisch, dass das organische, währungsbereinigte Wachstum von zuletzt fünf Prozent beschleunigt und aufrechterhalten werden kann. Hinsichtlich der Gewinne geht der Konzern für Vista von einem langsameren Wachstumstempo aus. So würden sich im Geschäftsjahr 2023 zunächst die Auswirkungen der Übernahmen samt Lohninflation und die gestiegenen Inputkosten bemerkbar machen, selbst wenn sie teilweise durch die getroffenen Maßnahmen ausgeglichen werden könnten. Beim EBITDA und dem UFCF gehe man hingegen davon aus, dass die Rentabilitätsverbesserungen bereits im Geschäftsjahr 2023 sichtbar werden und danach sogar neue Höchstwerte erzielen werden.
Geschäftsbereich „Upload & Print“
Das „Upload & Print-Geschäft“ von Cimpress, das sieben europäische Unternehmen umfasst – unter anderem WirMachenDruck, druck.at oder pixartprinting –, hat im Geschäftsjahr 2022 mit 23 Prozent (30 % währungsbereinigt) das größte Umsatzwachstum innerhalb des Konzerns hingelegt. Der Umsatz belief sich auf 856 Mio. US-Dollar – ein neuer Rekord. Zum Vergleich: 2021 hat der Umsatz dieses Segments bei 696 Mio. US-Dollar gelegen und 2019, also im letzten komplett pandemiefreien Jahr bei 769 Mio. US-Dollar. Ähnlich sieht es beim Gewinn vor Steuern aus. Das EBITDA erreichte 125 Mio. Euro nach zuletzt 86 (2021), 91 (2020) und 107 Mio. US-Dollar (2019).
Das kräftige Plus dieses Segmentes führt Cimpress unter anderem auf Preismaßnahmen – etwa in Form von Kostensenkungen und der Nutzung von Großhandelstransaktionen auf dem Cimpress-eigenen MCP-Marktplatz – sowie auf den Nachfrageschub der Kunden nach den schrittweisen Lockerungen nach den Lockdowns zurück. Die beiden größten Player in diesem Geschäftsbereich konnten zudem eine Rekordzahl an Neukunden gewinnen, wie Robert Keane schrieb.
Für das kommende Geschäftsjahr rechnet der Onlineprint-Marktführer im „Upload & Print-Segment“ dennoch wieder mit einer normalisierten Wachstumsrate von etwa 10 Prozent.
Geschäftsbereich „National Pen“
Auf 9 Prozent Umsatzwachstum gegenüber dem Geschäftsjahr 2021 hat es National Pen geschafft, die Werbeartikel-Sparte von Cimpress. Mit 342 Mio. US-Dollar lag der Umsatz hier ganz knapp unter dem des Vor-Corona-Jahres 2019 (348 Mio. US-Dollar), dafür konnte jedoch das EBITDA mit 27 Mio. US-Dollar deutlich gesteigert werden. Zum Vergleich: Das EBITDA lag im Geschäftsjahr 2019 bei 17 Mio., 2020 bei 8 Mio. und 2021 bei 12 Mio. Dollar. Zurückzuführen sei dieser deutliche Sprung nach oben, wie Robert Keane in seinem Brief an die Investoren beschreibt, unter anderem auf Kostensenkungen in den Service-Centern und im Fulfillment sowie auf Verbesserungen in anderen Bereichen.
So sei zum Ende des Geschäftsjahres unter anderem die Neustrukturierung abgeschlossen worden, bei der alle Webseiten in eine einzige Plattform überführt worden sind, damit die Nutzer von einem vereinfachten Einkaufserlebnis und verbesserten Designmöglichkeiten profitieren können. Im Zuge dessen wurde aus National Pen zudem pens.com. Mit dem Marken-Rebranding will sich National Pen als dienstleistungsorientierter E-Commerce-Anbieter präsentieren und die Markenbekanntheit steigern. Zudem soll das Produktportfolio künftig auch in andere Warengruppen hinein ausgebaut werden.
Aber noch eine Entscheidung dürfte in der Branche diskutiert werden: Denn die europäische Produktion soll von Irland in die Tschechische Republik verlegt werden und so für weitere Einsparungen sorgen.
Geschäftsbereich „All other Businesses“
„All other Businesses“; unter diesem Begriff fasst Cimpress unter anderem seine Marke „BuildASign“ wie auch seine „Early-Stage-Investitionen“ in Brasilien (Printi) und China (YSD) zusammen. Mit einem Gesamtumsatz von zusammen 206 Mio. US-Dollar (182 Mio. US-Dollar plus 24 Mio. US-Dollar) hat dieser Geschäftsbereich ebenfalls neue Höchstwerte erreicht – und ein Wachstum gegenüber dem Vorjahr von sieben Prozent erzielt. Nachdem im Bereich „BuildASign“ im ersten Jahr der Pandemie vor allem Heimdekor-Produkte für einen Nachfrage-Boom sorgten, der sich im Geschäftsjahr 2022 wieder normalisierte, sei in den letzten beiden Quartalen ein verstärktes Wachstum im Bereich Signage-Produkte zu verzeichnen gewesen. Für die nächsten Jahre geht Cimpress daher von einem konstanten Wachstum im „hohen einstelligen Bereich“ für dieses Segment aus.
Cimpress verkauft sein China-Geschäft YDS
Durchwachsener sahen hingegen die Zahlen im Frühphasengeschäft aus, das neben dem brasilianischen Start-up „Printi“ auch das chinesische Start-up „YDS“ umfasst – oder besser umfasste. Denn obwohl die Investition im abgeschlossenen Geschäftsjahr noch einmal höher als im Vorjahr war, lagen EBITDA und UFCF (Unlevered Free Cashflow) bereits zum dritten Mal in Folge weit unter den Werten aus dem Geschäftsjahr 2019. Das sei vor allem auf höhere Verluste im China-Geschäft mit „YDS“ zurückzuführen.
Im vierten Quartal hat sich der Konzern daher entschieden, sein China-Geschäft aufzugeben. Durch diesen Schritt sollen ab dem Geschäftsjahr 2023, das bereits im Juli dieses Jahres begonnen hat, jährlich Einsparungen in Höhe von 5 Mio. US-Dollar erzielt werden. Im Segment „Early-Stage-Investitionen“ verbleibt damit lediglich „Printi“, der, so Cimpress, brasilianische Marktführer im Bereich „Upload & Print“, dessen Umsatzwachstum sich im Geschäftsjahr 2022 beschleunigte und auch für die Zukunft Potenzial biete.
Kein „weiter so“
Was auffällt: Cimpress hat – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung – in allen Geschäftsbereichen ein Umsatzplus erwirtschaftet. Sowohl der Gesamtumsatz wie auch der Gesamt-Brutto-Gewinn haben neue Rekordwerte erzielt, angetrieben von zwei maßgeblichen Veränderungen des Druckmarktes: Von der Entwicklung Offline zu Online sowie von traditioneller Produktion hin zur kundenspezifischen Massenproduktion, der Mass Customization.
Adjusted EBITDA fällt niedriger aus
Das ist eine gute Nachricht, für Cimpress aber längst kein Grund, sich auf den „Lorbeeren auszuruhen“. Denn nicht alle Kennwerte haben ein Plus erreicht: So ist zum Beispiel der Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände (adjusted EBITDA) des Gesamt-Konzerns mit 281,1 Mio. US-Dollar um 19 Prozent niedriger ausgefallen als im vorangegangenen Geschäftsjahr. Hier schlagen natürlich die Kosten für die Übernahmen und Beteiligungen (wie zuletzt an der Cloudlab AG), die Umstrukturierung bei Vista und National Pen sowie die Inflation nicht unerheblich zu Buche.
Trotzdem steuert Cimpress schon jetzt proaktiv gegen – und zwar mit Entscheidungen, die man hinter den – auf den ersten Blick – so positiven Zahlen vielleicht nicht vermutet hätte: Die Verlegung der europäischen Produktion von National Pen von Irland nach Tschechien, die Reduzierung der Mitarbeiter bei Vista und Cimpress Technology in Bereichen, die künftig keine Priorität mehr haben sowie der Ausstieg aus den Geschäften in China und Japan. Die Einsparungen durch all diese Maßnahmen sollen sich letztlich auf insgesamt rund 25 Mio. US-Dollar pro Jahr belaufen und dazu beitragen, „die Lohninflation und andere Kostensteigerungen in unseren Geschäftsbereichen auszugleichen“. Ob die Maßnahmen tatsächlich die gewünschten Effekte erzielen werden, lässt sich frühestens in einem Jahr abschätzen.
Man sieht aber auch, dass Robert Keane keiner ist, der Entscheidungen auf die lange Bank schiebt. Wird ein massives Problem erkannt, folgen Konsequenzen. Zur Erinnerung: Nach einer umfassenden Analyse (vor ein paar Jahren), wurde sogar das Board ausgetauscht, um alte Brücken abzubrechen und neue Wege zu gehen. Unternehmerische Konsequenz kann auch schmerzen – eröffnet aber oft neue Wege. Jedenfalls fällt auf, dass nach dem Erscheinen des Jahresberichts die Cimpress-Aktie wieder im Kurs steigt. Ob sie zu „alten Höhen“ zurückkehrt, muss jedoch in Anbetracht der diversen Krisen – zumindest für die nächsten Monate – bezweifelt werden.

Discussion2 Kommentare
Wow, $ 1,395 Milliarden Bruttogewinn bei $ 2,880 Milliarden Umsatz – da kann was nicht stimmen. Hat Zipcon die amerikanischen Millions, Billions & Trillions mit den profanen deutschen Milliarden im nachurlaublichen Inflationsfieber um ein paar Dezimalstellen verschoben?
Vielen Dank für den Hinweis, aber die Zahlen stimmen tatsächlich. Die Rede ist hier vom Bruttogewinn, der auch als Rohertrag bezeichnet werden kann, und in den „Financial and Operating Metrics“ von Cimpress als „Gross Profit“ ausgewiesen wird. Dieser hat im Geschäftsjahr 2022 mit 1,395 Mrd. US-Dollar einen Anteil von 48,3 % am Gesamtumsatz gehabt – der Prozentsatz ist in früheren Jahren sogar schon deutlich größer ausgefallen.
Nicht zu verwechseln ist der „Gross Profit“ mit dem Adjusted EBITDA. Beides sind wirtschaftliche Kennzahlen, die etwas über die Rentabilität eines Unternehmens aussagen, jedoch setzen sie sich unterschiedlich zusammen. Im Falle von Cimpress ist das bereinigte EBITDA mit 281 Mio. US-Dollar im Geschäftsjahr 2022 sogar niedriger ausgefallen als im Vorjahr, wie es auch im Verlaufe des Artikels beschrieben ist.