Vermutlich ging es uns allen gleich. Wir sinnierten darüber, wie unsere Druckindustrie aussehen würde, wenn das Coronavirus erst einmal besiegt ist. Besiegt ist SARS-CoV-2 noch lange nicht. In der DACH-Region und auch weltweit gibt es Unterschiede, wie der Print Media Industry (PMI) Climate Report der Heidelberg Druckmaschinen AG seit der KW 12 eindrücklich vor Augen führt. Klar es gab Hersteller von Lebensmittelverpackungen, die sehr starke Umsätze schreiben, gleiches im Bereich Tertiärverpackungen, die von deutlichen Verschiebungen in den Online-/Versand-/Take Away-Bereich profitieren. Doch die Wirtschaft leidet weltweit. Nun lautet die Frage: Wer gehört zu den Starken, wer kann das Desaster überleben?
„Werbung wird nicht mehr die gleiche und die Print- und Medienlandschaft nicht mehr dieselbe sein“, raunte es aus der Werbeszene. Thomas Strerath, der frühere Vorstand von Jung von Matt, skizzierte sehr früh ein Bild der Post-Corona-Ära, in der Kreativität zwar nach wie vor eine wichtige Rolle spielen würde, aber in einem völlig veränderten Ökosystem stattfindet. Ein Wandel wurde zumindest vollzogen: Was der CEO und der CTO in vielen Unternehmen nicht erreicht hatte, schaffte der COV(id-19) locker: Der Digitalisierung einen kräftigen Schub geben. Dass die Geschwindigkeit der Veränderung vielleicht nicht so gesund ist und dass einige beim Gas geben liegen bleiben, zeichnet sich ab.
Die Corona-Infektionsschutzmaßnahmen zu lockern und der Neustart des Einzelhandels verhindert nicht, dass Flieger am Boden bleiben, dass Reisebüros den Betrieb ganz einstellen und Hotels sowie Gastronomie vor einem Trümmerhaufen stehen. Das spüren auch die Druckereien. Nach der Absage des Oktoberfestes, wurden sämtliche Publikumsveranstaltungen, vorerst bis in den Herbst, gekippt. Selbst wenn die Fertigung in China wieder läuft – entgangener Konsum wird nie in gleichem Maße nachgeholt. Auch nicht die Einkommen, die ausfallen – zumindest in Teilen. Krisengewinner bleiben die Minderheit. Man muss nicht an der Spitze der Krise stehen, muss kein Einzelhändler oder Gastronom sein, um zu spüren: Diese Pandemie trifft uns alle mächtig ins Mark. Der deutsche Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz ordnete die Größe der Katastrophe in der Dimension „noch nie dagewesen“ ein. CNN nannte die spanische Grippe, die große Depression, die Weltkriege als Referenzen. Ob die Bazooka der Bundesregierung nützt oder schadet werden wir langfristig erleben. Volkswirtschaftler im In- und Ausland haben eine sehr differenzierte Meinung dazu. Vor allem was tun, wenn es tatsächlich weitere Wellen gibt? Wenn es mit lokalen Lockdowns und der Regulierung von Problembranchen, wie der Fleischerzeugung, nicht getan ist? Es liegt mir fern, eine sozialkritische oder medizinische Analyse der Pandemie zu geben, mir geht es um die Auswirkungen auf die Druckindustrie in Österreich, der Schweiz und Deutschland.
Markt in Österreich weitestgehend bereinigt
Mag. Christian Handler vom Verband Druck & Medientechnik Österreich attestierte seinem Kanzler Sebastian Kurz ein gutes und unbürokratisches Krisenmanagement. Steuerstundungen und Kurzarbeitergeld halfen auch den Kollegen in der Alpenrepublik. Handler sah die verbliebenen rund 500 Druckereibetriebe in Österreich verhältnismäßig gut für die Krise gerüstet, da die Marktbereinigung schon vor der Krise weitestgehend abgeschlossen war. Natürlich gab es auch Unternehmen, die mit 60% bis 80% Umsatzausfällen konfrontiert waren und sind; gleichzeitig stiegen die Preise für knapper werdende Betriebsmittel wie etwa Isopropylalkohol. Der Verband hatte seine Website auf aktuelle Hilfestellung umgeschaltet (früher als die Kollegen aus Deutschland und der Schweiz). Juristische Texte waren dort so übersetzt, dass sogar ich diese verstand und es gibt nach wie vor eine Beratung durch betriebswirtschaftliche Spezialisten.
Mag. Handler empfahl den Betrieben, beherzt Maßnahmen zu ergreifen und aktiv zu werden. Facharbeiter stellt man nicht einfach aus, das ist klar. „Sehen wir es als Chance für unsere Teams und entwickeln wir einen Geist, der uns in der Not zusammenhält,“ bekam ich am Telefon noch mit auf den Weg. Ein guter Gedanke. Und wenn ich die Initiativen der Nachbarschaftshilfen sehe, mag ich auch daran glauben, dass wir Menschen doch größtenteils sozial veranlagt sind – nachdem der Klopapier-/Nudelhype abgeklungen war. Dass Grenzen dicht gemacht wurden, war nachvollziehbar. Der nicht gefeierte Geburtstag des Schengenraumes sollte uns daran erinnern, dass Europa ein guter Gedanke war und noch immer ist. Auch wenn die Italiener „Bella Ciao“ und die Österreicher Fendrichs „I’m from Austria“ auf den Balkonen anstimmten. In Brüssel wird verhandelt und finanziell scheint auf einmal vieles machbar.
„Egal ob Österreich, Schweiz oder Deutschland, keiner hatte einen Masterplan für eine Pandemie, aber Unternehmen, die seit Jahren keine Rentabilität aufweisen und deren Liquidität eng ist, leiden nicht erst seit Covid-19.“ – Bernd Zipper
Schweizer Mobilmachung
Die Lage bei unseren eidgenössischen Freunden war auch nicht beneidenswert. Die Mobilmachung des Militärs in der Schweiz durfte man nicht überbewerten, da das Militär in der Schweizer Gesellschaft stark verankert ist. Der Bundesrat hat nach der Meinung von Rene Theiler (Verband der Schweizer Druckindustrie) am Anfang sehr gut reagiert. Bei den Lockerungsmaßnahmen ging man zuerst zögerlich, dann doch beherzt, vor. Beides wurde von Fachleuten unterschiedlicher Lager kritisiert. Was man in heutiger Zeit eben aushalten muss. In den sozialen Medien fand sich Kritik an der Regierung in Bern. Man hätte früher Maßnahmen ergreifen müssen. Eine Erklärung für diese Einstellung lässt sich in Schweizer Boulevard-Blättern der ersten Corona-Wochen finden. Dort berichteten Journalisten, dass im italienischen Prato tausende Chinesen in der Bekleidungsindustrie schuften, teilweise eingepfercht in den Fabriken. Richtig ist: Italien kooperiert schon lange mit China. Die Modebranche hat die Fertigung nicht in das billige China verlegt, sondern die billigen Arbeitskräfte ins eigene Land geholt, die als „Lohnsklaven“ in Italien mit Rassismus zu kämpfen haben. Kein Wunder also, dass die Populisten argwöhnten viele von dort nutzten die nahe Schweiz als Destination für Auszeiten vom Arbeitsgetto. Wie die chinesischen Arbeitskräfte einen solchen Trip von einem Stundenlohn von etwa 1 € bezahlen sollen, lassen die pseudo Investigativen allerdings offen.
Rene Theiler vom Verband der Schweizer Druckindustrie berichtete von unkomplizierten Krediten für Unternehmen mit maximal 5 Mio. Schweizer Franken Umsatz. Darunter fallen viele Druckereien in der Schweiz. 20 Mrd. CHF standen als zinslose Darlehen für sieben Jahre bereit. Die Situation ist allerdings ausgesprochen angespannt. Kämpft der Franken doch schon seit geraumer Zeit mit seiner Stärke gegenüber dem Euro. Bei den Bankkrediten warnen viele Finanzexperten vor einer heiklen Situation, die zur Überschuldung führen kann. Eine Marktbereinigung, wie in Österreich ist in der Schweiz noch längst nicht abgeschlossen – dabei gibt es zahlreiche Unternehmen mit „Vorerkrankungen“. Diesen Unternehmern fehlen häufig Mittel und Worte in der Krise. „Die Schweizer sangen im Übrigen nicht von ihren Balkonen. Sie klatschen für das Pflegepersonal, welches sich in den Spitälern gegen den Virus engagiert,“ bestätigt Rene Theiler auf Nachfrage.
Facharbeitermangel und Kurzarbeit
Und Deutschland? Heidelbergs CEO Rainer Hundsdörfer hatte für sein Klientel eine Lanze bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier brechen wollen. Schon waren ihm die Nörgler auf den Fersen. Doch der Mann tat, was ein guter Kapitän tut: Er bleibt an Bord, sondiert die Lage und legt die eigene Hand ans Steuerrad.
Jens Freyler, M & A Expert bei der KNOX GmbH, zeichnete indes ein sehr differenziertes Bild. Wie in Österreich hat auch in Deutschland ein Großteil der Marktbereinigung in der Branche bereits stattgefunden. Klar bricht die Nachfrage ein und die teilweise verwirrende Kommunikation der Politik sowie die manchmal widersprüchliche Berichterstattung verunsichern nach wie vor – die Druckereien ebenso wie ihre Kunden. Keiner hatte einen Masterplan für eine Pandemie, aber Unternehmen, die seit Jahren keine Rentabilität aufweisen und deren Liquidität eng ist, leiden nicht erst seit Covid-19. Von der Corona-Situation getroffen, können sie leicht ins Taumeln geraten. Viele könnten jedoch – so die Banken Liquiditätshilfen denn bereitstellen – mit dem von der Bundesregierung geschaffenen Maßnahmenmix über die Runden kommen. „Unternehmen sollten sich nicht von allgemeinen Aussagen blenden lassen, sondern Entscheidungen gemäß der eigenen spezifischen Situation treffen“, rät Jens Freyler.
Beinahe alle Branchen – bis auf einige Ausnahmen – erleben durch die Corona-Krise eine problematische Phase. Die Druckbranche ist, durch die vielen Verknüpfungen mit anderen Wirtschaftszweigen und Abhängigkeiten, besonders betroffen. Aktuellen Einblick in den Zustand der Printmedienbranche gibt seit Beginn der COVID-19-Pandemie der Print Media Industry (PMI) Climate Report der Heidelberg Druckmaschinen AG. Beunruhigend ist die rasante Entwicklung und der Einfluss auf Akzidenzdruck und zunehmend auch auf Druckereien, die Verpackungen und Etiketten herstellen.
Das bvdm Konjunkturtelegram zeigt schon jetzt einen Abwärtstrend. Das ganze Ausmaß der Krise wird sich erst in den Daten weiterer Folgemonate zeigen. 777 Unternehmen befragte der Verband direkt. 94 % der Unternehmen gaben an, von Auftragsrückgängen und Stornierungen betroffen zu sein, 75 % davon sogar stark. Ein Drittel der Unternehmen rechnet im zweiten Quartal 2020 mit einer Halbierung des Umsatzes gegenüber dem Vorjahresquartal. Knapp drei Viertel hatten der Umfrage zur Folge Kurzarbeit beantragt, wobei die meisten Unternehmen die Corona-Krise zum Abbau von Überstunden nutzen.
Durch die Kontakteinschränkungen hielt der Trend zum E-Commerce an. Das gibt Online-Druckereien die Möglichkeit, von ihren langjährigen Erfahrungen zu profitieren. Dazu steigt durch die Krise die Nachfrage nach attraktiv gestalteten Printprodukten. Viele Druckereien fangen an, ihre Position grundlegend zu überdenken. Es könnte sein, dass einige Unternehmen nun schneller als gedacht an den Punkt gelangen, an dem das bestehende Geschäftsmodell nicht mehr durchführbar ist.
Musikalisch sollte in 15 deutschen Bundesländern die „Ode an die Freude“ Mut machen. Na, ob der vierte Satz der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven mehr half als die im Söder-Land angestimmte Bayernhymne, wird wohl ungeklärt bleiben.
Das Schadensbild nach drei Corona Monaten
Die Druckereien in B2B-Bereich litten schnell unter dem Lockdown, da die Bestellungen schlicht storniert wurden. Es geht hier teilweise wieder bergauf. Die Leute blieben zu Hause und einige kompensierten den nicht erlaubten Besuch bei der Oma mit einer personalisierten Tasse, Leinwand oder einem T-Shirt. B2C Unternehmen, wie Spreadshirt, konnten hier am Anfang punkten. Doch nun gehen den Leuten langsam die Ideen und die Kohle aus und das B2C-Segment erlebt einen Einbruch.
Und wenn wir auch noch soviel Geld bereitstellen, es wird zu Pleiten kommen. Denn wie es in einem NZZ-Leitartikel stand „Wohlstand lässt sich nicht kaufen.“ Die Frage ist nun: Wer schafft es die Aufträge zu holen? Viele klassische Akzidenzdruckereien, die bislang noch Aufträge hatte, haben nichts mehr in der Pipeline. Der Verkaufsaußendienst kommt nicht an die im Homeoffice arbeitenden Einkäufer und Produktioner heran. Die steuern ihre Bestellungen zwischen zwei Teams-Sitzungen vom Rechner aus und viele sind froh, wenn Sie einfach nur bestellen können. Punkt für die Druckerei mit einem guten Webshop. Die holen die Einkäufer dort ab wo diese sind – im Web – und bieten gleich noch zusätzlich sinnvolle Optionen mit an. Corona hat uns bewiesen, dass wir mehr leisten können wenn wir Methoden wie z.B. Webmeetings einsetzen – und so ist die Krise nun die Ursache für einen unfassbaren Sprung im Digitalisierungsgrad unserer Gesellschaft. Es wird also höchste Zeit etwas zu tun.
Gesunde werden überleben!
In der WirtschaftsWoche philosophierten Volkswirtschaftler darüber, wann wir den Tod einiger bewusst in Kauf nehmen müssen, damit nicht das ganze System stirbt. Wir werden nicht alle Kranken, ob Mensch oder Unternehmen, retten können. Auch wenn ich kein Lateiner bin: „ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.“ Gesunde Druckereien haben gute Ideen. Sie werben ihre Kunden mit Produkten, mit denen Ihre Kunden werben können. Diese Unternehmen werden überleben.
Es waren die Onliner, die Ideen hatten und umsetzen konnten, die ihre gesamte Kompetenz in diesen Zeiten ausspielen können. Schnell waren Landing Pages online und Verbraucher wie Wiederverkäufer konnten sich von der einfachen Einweg Mund-Nase-Bedeckung mit passendem Display bis zu individuell zu gestaltenden Stoff-Maske eindecken.
