Markt: Papierknappheit besorgt die Druckindustrie

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Das Thema Papierknappheit, seit steigenden Rohstoffpreisen auf dem Weltmarkt ein Thema, beschäftigt die Branche weiterhin. Auch wenn bisher nicht alle Druckhäuser vor Engpässen stehen, wächst die Sorge, die Nachfrage nicht mehr bedienen zu können.

Turbulenzen auf dem Papiermarkt – nicht nur der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) hat erkannt, dass es hier Redebedarf gibt. Lieferengpässe bei grafischen Papieren sorgen für steigende Preise in der Druckindustrie. Bisher spüren die Kunden überwiegend nichts davon, aber die Preisspirale, die sich zur aktuellen Inflation und den Preisen für Zellstoff zurückverfolgen lässt, wird sich weiterdrehen. Während die Hintergründe, etwa die Corona-Krise und die Havarie der Ever Given im Suezkanal, einigermaßen klar sind, bleibt interessant, wie die Industrie mit der derzeitigen Marktlage arbeitet. Bisher reagiert die Druckindustrie mit Wachsamkeit statt Aktionismus auf die steigenden Rohstoffpreise. Cimpress-CEO Robert Keane sagte kürzlich im Interview mit Ludovic Martin, dass sein Unternehmen die Krise und einen gewissen Druck zwar spüre, aber „proaktive Pläne“ habe, um Lieferengpässe zu vermeiden.

Die Augsburger Presse-Druck-und-Verlags-GmbH, eine der führenden Zeitungsdruckereien im süddeutschen Raum, spürt die Krise zwar auch, wird von ihr aber noch nicht stark in Bedrängnis gebracht: „Wir bekommen unser Papier derzeit noch“, sagt Andreas Ullmann, Druckereileiter des Unternehmens. „Es gab Ausfälle und Verschiebungen in der Belieferung, die Produktion wurde bislang davon noch nicht wesentlich beeinträchtigt.“ Für den Zeitungsdruck sei die Versorgung in Augsburg bisher weiter über langfristige Vereinbarungen mit den Lieferanten gesichert, aber: „Die Papierknappheit spüren wir. Die Versorgungslage hat sich unheimlich schnell binnen weniger Monate, fast schon Wochen, gedreht und von Überkapazitäten auf Engpässe gewechselt. Bestellungen, Zusagen und Lieferungen laufen zäh und werden fast täglich widerrufen. Ein hoher Abstimmungsaufwand und Unklarheiten sind an der Tagesordnung. Im Lager wurden die Vorräte stärker als üblich beansprucht.“ Der aus diversen Gründen verringerte Output der Papierlieferanten wird sich laut Ullmann weiterhin und speziell auch bei Sonderpapier bemerkbar machen. Daher will Presse-Druck diese Papiersorten in Zukunft noch früher bestellen als bisher, um notfalls einen Puffer zu haben und auch die Lagerkapazitäten weiter hochhalten, die über Corona hinweg bereits stärker ausgebaut wurden.

Die Fotodruckerei Cewe berichtet ebenfalls über „Auswirkungen der Rohstoffknappheit“. Die höheren Preise, so Vorstand Thomas Mehls, müsse man „in Einzelfällen auch weitergeben“. Für welche Produkte genau, werde aktuell diskutiert. „Suhrkamp gehen die Pappen aus“, schrieb neulich bereits die Süddeutsche Zeitung. Aus anderen Verlagen ist zu hören, dass vertraglich vereinbarte Lieferungen mit Verweis auf höhere Gewalt komplett gecancelt werden, berichtete Spiegel Wirtschaft am 15.09.2021. Die drohende Unterversorgung mit Papier könnte das Geschäftsmodell der Verleger und Verlagsdrucker zusammenbrechen lassen, ist die Mutmaßung im Artikel. Für die anderen Druckmarkt-Segmente ist es vielleicht nicht lebensgefährlich, aber doch prekär.

Am Rande der Veranstaltung „Forum der Grafischen Industrie“ des Verbandes der Schweizer Druckindustrie (VSD) vertraute mir ein Außendienst-Mitarbeiter eines klassischen Akzidenzbetriebes an, dass aktuell die Bestellungen für die Periodika des Jahres 2022 raus gegangen seien, aber kein Großhändler einen Angebotspreis abgegeben hätte, ganz zu schweigen von einem Lieferavis. „Eine bislang in der Schweiz völlig unbekannte Situation haben wir da,“ betonte er im Gespräch und wollte namentlich nicht genannt werden. Was ich verstehen kann, denn es droht der Verlust von Druckaufträgen, sollten die Verlage in Sorge geraten, die Produktion könnte ausfallen.

Der österreichische Verband Druck Medien sieht nicht die Druckereien, sondern vor allem die Papierproduzenten in der Pflicht. Bereits im Mai appellierten die Interessenvertreter an die Papierindustrie, sie solle ihre Produktion erhöhen. Während die Papierlager der Druckbetriebe leer waren, war der Ausstoß der europäischen Industrie nach zahlreichen Schließungen und Umstrukturierungen noch nicht wieder an die Nachfrage angepasst – bis heute hat sich daran wenig geändert. Die Lieferanten pochen ihrerseits auf höhere Papierpreise, wie das Beispiel Frankreich zeigt. Angesichts der angespannten Lage ist es sicher nur eine Frage der Zeit, bis auch die Kunden und Endverbraucher die Papierkrise in der Brieftasche und auf dem Zeitkonto zu spüren bekommen. Die Druckerei Peschke aus Parsdorf bei München rät ihren Kunden daher schon jetzt, Aufträge möglichst früh einzureichen und bei der Wahl des Papiers flexibel zu sein.

My Take: Steigenden Kosten, bei fallenden Preisen für die Endprodukte, musste die Druckindustrie schon lange etwas entgegensetzen. Standardisierung, Digitalisierung und Automatisierung führten durch umsichtige Planung zum aktuell erreichbaren Optimum. Doch wenn der Bedruckstoff fehlt, dann steht die Produktion. Nun reden wir von Lieferengpässen und nicht von einem totalen Organversagen der Papierproduzenten.

Wenn ich an die Post-Corona-Zeit denke, dann werden wir noch mit weiteren Knappheiten rechnen müssen. Grundsätzlich ist jeder Knappheit mit Arbeit, Sparsamkeit, Kreativität, Offenheit, Solidarität, Originalität und Kooperation beizukommen. Es gilt also nicht, wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen. Mein Eindruck ist, dass viele Unternehmen unfähig sind zu handeln – obwohl es viel gäbe, was man Sinnvolles tun könnte. In dem Sinne: Gott grüß die Kunst!

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Beyond-Print.de

Gründer und CEO von zipcon consulting GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen für die Druck- und Medienindustrie in Mitteleuropa. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater und sein Team aktiv die praktische Umsetzung. Er entwickelt Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure der unterschiedlichsten Branchen. Seine Fachgebiete sind u.a. Online-Print, Mass Customization, Strategie- und Technologie Assessment für Print, sowie die Entwicklung neuer Strategien im Print- und Mediaumfeld. Bernd Zipper ist Initiator und Vorsitzender der Initiative Online Print e.V. und neben seiner Beratertätigkeit Autor, Dozent sowie gefragter Referent, Redner und Moderator. Seine visionären Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen für die Druck- und Medienindustrie. (Profile auch bei Xing, LinkedIn).

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