Sind Verpackungen ein Geschäftsfeld für alle Unternehmen der Druckindustrie? Auf alle Fälle ist es ein Geschäftsfeld mit einem zwingenden physischen Endprodukt und großem Potenzial, wie beim Packaging Kongress 2021 mit eindrucksvollen Zahlen belegt wurde. Allerdings muss sich die Druckerei in die Lieferkette einreihen und sich dabei mit dem Megatrend Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Viel Applaus erhielten die Vortragenden, die den Teilnehmern eine Ahnung vermitteln konnten, was auf dem Weg zum Erfolg wichtig ist.
Seit dem Jahr 2000 ist der Verbrauch von Verpackungspapier und -karton allein in Österreich um 23 Prozent von 814.399 Tonnen auf 1.003.373 Tonnen im Jahr 2020 gestiegen. Dazu kommen noch Verpackungen aus Kunststoffen und Glas. Durch die Zuwachsraten im E-Commerce muss der Bedarf an Verpackungen weiter steigen. Problematisch wirkt sich aus, dass bis 2025 laut EU-Vorgabe die Recyclingquote für Verpackungen 50 Prozent betragen muss. Es war also klar, dass es bei einem Packaging Kongress vorrangig um die so genannten vier „R“ gehen würde: Reduce, Replace, Reuse und Recycling.
Die Keynote wurde von Frau Dr. Gertraud Leimüller gesprochen. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin von winnovation, einem Unternehmen, welches heute unter anderem bei Banken, im Gesundheitswesen oder auch in der Mobilität tätig ist. Sie hat erkannt, dass die Verpackungsbranche massiv von der Transformation betroffen ist. Die Erkenntnis einer ihrer Studien aus dem Jahr 2017 lautet: „Die hohe Menge an anfallendem Verpackungsmüll, insbesondere aus Kunststoff, ärgert die Millennials. Verpackungsmüll und Essensabfall zu vermeiden ist eines der sechs wichtigsten Themen in ihrer Ernährung.“ Dass die Menge an Verpackungsmüll in Zeiten der Pandemie stieg, ist allgemein von allen Entsorgern zu hören.
Wie auch im späteren Vortrag von Sonja Bähr von der Tilisco GmbH zu erfahren war, müssen sich alle Stakeholder ehrlich und transparent mit Nachhaltigkeit beschäftigen, um nicht des Greenwashings im wahrsten Sinne des Wortes angeklagt zu werden. Dass die Druckereien hier eine große Rolle spielen, wurde schon mit dem Blick auf die Packaging-Wertschöpfungskette deutlich. Anders als beim Akzidenzdruck müssen sich die Verpackungshersteller einreihen und liefern statt des Endproduktes ein Zwischenprodukt. Die Produzenten und Abfüller bekommen Feedback vom Handel und den Endkonsumenten. Die Druckerei ist hier außen vor. Es ist also noch schwieriger, die Innovationen und die Transformation zu beeinflussen. Beinahe unmöglich ist es für die Druckereien, an verwertbare Daten zu kommen, welche bei der Weiterentwicklung der Druckprodukte entscheidend sein könnten.
Andreas Schabert von der Agentur brand.pack kennt sich mit Verpackungsdesign bestens aus und bestätigte, dass der Wille, Nachhaltigkeit zu realisieren, die Innovation zwangsläufig vorantreibt. Nachhaltig bedeutet, schon beim Design ans Ende des Produktes und die Wiederverwertung zu denken. Er sprach vom „circular design“ der Verpackung, die mehr und mehr Teil des gesamten Produktes ist. Er nannte vier Felder, die eine wichtige Rolle spielen: Material und Beschaffung, Form und Haptik, Grafik-Design und Veredelung sowie End of Life und Zirkulation. Seine Ausführungen zu den unterschiedlichsten Materialien ließ erkennen, dass die Druckerei eine wichtige Rolle spielt, schließlich sollen die Materialien in der Regel bedruckt oder beklebt werden.
Den Anwesenden wurde klar, dass die Verpackung ein Teil des Produktes ist. Für die durchaus kostspielige Produktentwicklung müssen Designer und Drucker an einen Tisch. „Was erwartet dabei eine Agentur von einer Druckerei?“ habe ich Andreas Schabert gefragt. „Druckereibetriebe stehen heute aus unserer Sicht unter einem hohen Erwartungsdruck. Auf der einen Seite erwartet man von der Druckindustrie neue Entwicklungen und Innovationen, auf der anderen Seite stehen diese Betriebe unter einem hohen Kosten- und Wettbewerbsdruck. Daher sind Testläufe mit neuen Materialien oder Druckfarben sehr gut im Vorfeld zu durchdenken und der Aufwand muss klar abgestimmt werden. Die Kosten müssen aus unserer Sicht von demjenigen getragen werden, der davon auch monetär profitiert. Natürlich liegt das Interesse, Innovationen voranzutreiben, sowohl auf der Herstellerseite als auch auf der Kundenseite, schließlich profitieren im Erfolgsfall alle davon. Die Druckerei hat den Vorteil, Erfahrungen mit neuen Materialien zu sammeln, auch für weitere Kundenanforderungen; der Kunde hat den Vorteil von neuen Entwicklungen als erster zu profitieren.“, antwortete Andreas Schabert.
Verpackungen müssen den Vorgaben der Circular Packaging Design Guidelines entsprechen, betonte Mag. Dr. Univ.-Doz. Manfred Tacker. Er ist Gründer und Vortragender des Bachelorstudiums Verpackungstechnologie und des Masterstudiums Packaging Technology and Sustainability an der FH Campus Wien.
Schon lange und erfolgreich im Geschäft ist Johannes Michael Wareka von Marzek Etiketten und Packaging. Er referierte in seinem Vortrag, dass die Verpackung die Wertigkeit des Inhalts und das Image der Marke kommuniziert. Dass die Verpackung nicht nur Müll sei, betonte auch er und demonstrierte den Wert der Verpackungen mit einem eindrucksvollen Portfolio. Dass ein Unternehmen in dem Druckmarkt-Segment Etiketten und Packaging über den Druck hinausgehende Skills braucht, wurde spätestens dann klar, als das Engagement von Marzek in den Bereichen Etikettiertechnik, Supply Chain Management und Nachhaltigkeit vorgestellt wurde.
Von der Keynote bis zum Schlussplädoyer wurde klar: Druckereien, die sich auf den Weg in das Druckmarkt-Segment Packaging machen wollen, brauchen zusätzliche Ressourcen, um erfolgreich zu sein. Die Kundenzentrierung ist noch wichtiger als vielleicht in anderen Bereichen. Was ist nun der nächste Schritt für Druckereien, um näher in das Zentrum der Entscheidungen bei Kunden zu rücken?
Mag. Peter Sodoma vom Verband Druck Medien Österreich sieht zwei zentrale Punkte für die weitere Reise. Erstens: Spezialisierung, entsprechend den Kundenbedürfnissen. Die Druckerei kann genau das, was ein bestimmtes Kundensegment braucht (beispielsweise ein spezielles Digitaldruckverfahren kombiniert mit Verarbeitung von speziellen Daten, Logistik, Endfertigung). Die Beispiele zeigen, dass die beim Kongress vor allem von Frau Leimüller verlangte Innovation aus dem Dialog mit dem Kunden entsteht. Was benötigt der Markt? Was braucht der Kunde? Wie kann ich ihm helfen, unterstützen, es ihm leichter machen? Aus dieser direkten Interaktion mit dem Kunden entstehen Innovationen mit neuen Geschäftsmodellen und Kooperationen (zum Beispiel mit IT-Firmen, Logistikern, Kreativagenturen). Zweitens: Die Digitalisierung des Geschäftsmodells. Noch weitergedacht als ein Webshop ist das eine Lösung, die wiederum auf einer digitalen Plattform die Wünsche des Kunden perfekt bedient und als Endprodukt etwas Gedrucktes erzeugt. Das kann zum Beispiel Mass Customization sein. Der Kunde bestellt personalisierte Ware mit eigenem Sujet in Kleinstauflage.
Ich bin vom Verpackungsdruck überzeugt, nicht nur weil er unabdingbar ist, sondern weil die Druckergebnisse über die gesamte Palette der Veredelung hinweg maßgeblich zum Gesamt-Produkterfolg beitragen. Die besondere Herausforderung ergibt sich aus der Addition von Mass Customization und Nachhaltigkeit. Doch genau das birgt ein enormes Potential, dieses zu heben ist spannend. Langfristig sehe ich die Verpackung als eine Option für den Fortbestand der Druckindustrie. “It’s not that easy being green”, zitierte Johannes Michael Wareka Kermit den Frosch, und damit hat er sicher recht, aber einfach kann schließlich jeder.
