Schnittstellen und Übergänge in den Produktionsketten führen, besonders in der anlagen- und arbeitsintensiven Druckindustrie, zu bekannten Problemen. Grund genug für mich die Lösung der Firma Geutebrück speziell für die Prozessvisualisierung unter die Lupe zu nehmen und ich muss schon sagen – ich bin sehr angetan.
Was wir im Onlinedruck zusätzlich haben ist, dass die Nachfrage nach sehr kurzen Lieferzeiten und die Just-in-time-Produktion zusätzliche Fertigungsfehler provozieren. Folgen sind dann Makulaturen und ggf. Reklamationen, die je nach Anzahl der Produktionsschritte teuer werden können und den Gewinn schmälern, wobei sich durchschnittliche Fehlkosten nur schwer beziffern lassen, da sich Fertigungstiefe und Abläufe zumeist deutlich unterscheiden.
Das international agierendes Familienunternehmen mit Sitz in Windhagen in Rheinland-Pfalz, bietet bereits Sicherheits- und prozessbegleitende Lösungen für andere Branchen wie das Gastronomiegewerbe oder die Nahrungsmittelindustrie an. Und natürlich hat das Unternehmen auch schon den Schritt auf die Druck- und Medienindustrie zu gemacht, indem die Offsetdruckerei des Axel Springer Verlages mit der eigens entwickelten Videotechnik zur Prozessvisualisierung ausgerüstet wurde.
Jetzt mag man sich fragen, was die Prozessvisualisierung denn umfasst und inwieweit Printer davon profitieren können. Prozessvisualisierung bedeutet nichts anderes als Überwachung – und zwar Überwachung der Produktionskette. Hauptziel dabei ist, Optimierungspotenziale in der eigenen Prozesskette zu nutzen, indem Schwächen und Unregelmäßigkeiten in Arbeitsprozessen und auf den Transportwegen erkannt werden. Durch die Kontrolle soll der zukünftige Korrekturaufwand minimiert werden, wodurch bei den steigenden Produktionsgeschwindigkeiten und damit höheren Produktionsmengen in einigen großen Onlinedruckereien Zeiteinsparung möglich wird.

Wie bewerkstelligen die das? Der externe Dienstleister visualisiert den Warenfluss im Betrieb durch Videoaufnahmen zwischen Abteilungsschnittstellen und beim Warenein- und -ausgang. So können z. B. Videobilder aus 4K-Aufnahmen mit Barcodes oder RFIDs verknüpft werden. Dazu werden sogenannte Events mit den Video-Bilddateien in Verbindung gebracht. Events sind bspw. manuell ausgelöste Kontakte bzw. Lesevorgänge der Codes oder RFID-Transponder, oder Änderungen im Prozess, die gemäß der Voreinstellung aufgezeichnet werden sollen. Synchronisiert werden die Datenbanken mit den Bild- und den Event-Daten dann mittels Zeitschlüssel, was ein schnelles Ermitteln der gesuchten Daten ermöglicht. In Sachen Datenmengen hat sich auch Gedanken gemacht: Durch das eventgesteuerte Zuschalten der Kamera(s) kann der Speicherbedarf für das Videomaterial deutlich reduziert werden, denn das ständige Überwachen wird dadurch überflüssig. Schließlich werden wertvolle Nachweise gegenüber Lieferanten und Kunden generiert, die zu einer positiven Außendarstellung verhelfen. Für das eigene Marketing können Printer dann Produktqualität und Liefersicherheit kommunizieren.
„Prozessvisualisierung soll helfen Schwächen und Fehler in Arbeitsprozessen und auf Transportwegen zu erkennen. Dadurch können Optimierungspotenziale genutzt werden.“ – Bernd Zipper
Den Warenfluss filmen und das Ganze mit den Prozessdaten verknüpfen – was ist aber mit den Persönlichkeitsrechten der Gefilmten? Hier führt das Technologieunternehmen auf, dass Videosicherheit und Datenschutz quasi simultan gewährleistet werden können. Die persönlichen Rechte von Mitarbeitern und Angestellten sind auch Sache von Betriebs- und Personalräten; die Möglichkeit zur gezielten Verpixelung einzelner Bildstellen besteht, die arbeitsrechtliche Situation dazu muss aber im Einzelfall geklärt werden.
Im Folgenden habe ich ein Bild-Beispiel zur Visualisierung eines Arbeitsplatzes aufgeführt, an dem kommissioniert wird. Links sehen wir ein gezielt unscharf gemachtes Bild, in dem die Persönlichkeitsrechte des Mitarbeiters gewahrt bleiben; daneben der gleiche Kommissioniertisch, diesmal ohne gezielte Unschärfe und mit zusätzlich visualisierten Bereichen des Betriebs. Das rechte Bild wurde nach dem sogenannten 4-Augen Prinzip freigeschaltet. Hier können wir sehen, dass je nach Position und Auflösung der Kamera die Arbeitsumgebung ziemlich detailliert erfasst werden kann.

Wie würde nun ein konkretes Szenario im Print und im Onlineprint aussehen, in dem die Prozessvisualisierung Vorteile bietet? Für die Überwachung der Druckproduktion an sich gibt es bereits ein Beispiel – die Rollenanleger der Rotationen in Ahrensburg (Axel Springer Verlag). Dort werden die erfahrungsgemäß kritischen Prozesse am Anleger aufgezeichnet und mittels Verbindung zur Leitstelle an selbiger visualisiert. Gibt es dann Fehler im laufenden Betrieb, z. B. beim Auftrags-/Rollenwechsel, können die Ursachen (technischer oder menschlicher Natur) genau zurückverfolgt werden.
Im Onlineprint bietet sich die Visualisierung folgendermaßen an: Personalisierte Drucksachen werden nach bestimmten Prozessstufen aufgezeichnet, die Bilder werden dann mit Scans produktbezogen auf der Datenbank abgelegt. Bei der späteren Kommissionierung (wie oben dargestellt) wird dann ein Bild mit dem noch offenen Karton, in dem das Printprodukt gut erkennbar liegt, aufgenommen. Ein weiteres Bild mit geschlossenem und fertig kommissioniertem Versandkarton ergänzt abschließend einen Bildservice, der in eine Versandbestätigungs-Email mitsamt Sendungsverfolgungsnummer integriert wird. Damit hat der Kunde einen Teil der Fertigung seines Produktes vor Augen, womit das Involvement des Bestellers deutlich erhöht wird – wertvoll zur Vermittlung von Sicherheit und emotionaler Bindung zum Produkt und damit zum Drucker!
My Take: Wer als Printer seine Produktions- und/oder Lieferstandards optimieren möchte, der sucht bei der Prozessvisualisierung nach einem sinnvollen und in Zukunft sich sicherlich etablierenden Tool. Denn: „Visuell begleiten lässt sich grundsätzlich jeder Prozess.“ So kommentiert durch das Technologieunternehmen. Wenn das Ganze dann möglichst automatisiert an den entsprechenden Stellen und Gefahrenübergängen stattfindet, birgt es die Möglichkeit von Prozessvorsprüngen gegenüber Konkurrenten. Denkbar sind dann auch Zertifizierungen von Druckereien hinsichtlich Prozesssicherheit und Qualitätsstandards. Abzuklären sind aber noch die Kosten der Installation und die Gegenüberstellung von Aufwand und Einsparpotenzial. Wer in Zukunft also weiterhin dabeibleiben will, der muss mit der Zeit gehen, d. h. auch einen Zugewinn an Kontrolle und Logistikvorteilen anzustreben. Auch für Onlineprinter wird das zutreffen, denn viele Logistikunternehmen setzen bereits auf Prozessvisualisierung und haben dadurch ihr SCM noch besser im Griff.
Discussion2 Kommentare
Hallo Herr Zipper,
danke für diesen interessanten Artikel. Dieser Ansatz klingt wirklich sehr vielversprechend und ich könnte mir gut vorstellen, dass somit ein Rückgang von Produktionsfehlern im Onlinedruck erreicht werden könnte. Allerdings sehe ich es, wie auch schon mein Vorredner, ein wenig kritisch was den Datenschutz der Mitarbeiter angeht. Den Einsatz der Videotechnik muss man auf jeden Fall gut mit dem Team absprechen, dann wäre es aber schon eine sehr interessante Idee.
Viele Grüße
Hallo Herr Zipper,
die Optimierung der Abläufe durch Videoaufnahmen finde ich sehr spannend. Hier kann sicher einiges an Potential erkannt und genutzt werden.
Etwas kritisch sehe ich die Sache mit dem Datenchutz. Sie schreiben ja bereits, dass Verschiedenes zum Teil im Einzelfall geklärt werden muss. Ich denke, wenn man den Mitarbeitern und dem Betriebsrat die Vorteile verständlich erklärt und auch die Möglichkeit gibt Kritik und Fragen zu äußern, wird man eine Lösung finden können. Wichtig ist, dass sich die Mitarbeiter nicht überwacht, sondern unterstützt vorkommen.
Gruß Helmut