Der Print-Produktioner Marko Hanecke und die Autorin Laura-Linda Kloep haben ein neues Krimi-Genre erschaffen: Print & Crime. Mit ihrem ersten Buch beweisen sie: Die grafische Industrie ist mörderisch spannend. Und im Gespräch setzt Marko Hanecke noch einen obendrauf und behauptet, Onlinedruck sei sterbenslangweilig.
Krimis gibt es ja haufenweise. Als Heftchen, Kriminalroman, TV-Sendung, Kriminalfilm, Theaterstück oder Hörspiel – und jetzt auch als Buch mit Charakter. Weit weg von brutalem Mord und Totschlag, aber doch mit einem Verbrechen, das aufgeklärt werden soll. Und die Handlung spielt in unserer Branche. Außergewöhnlich!
Klaus-Peter Nicolay: Hallo Marko, ich kenne Dich als Produktioner und Blogger. Jetzt hast Du mit Deiner Partnerin einen Kriminalroman veröffentlicht, der in der Druckbranche spielt. Erzähl mal.
Marko Hanecke: Aber gerne doch. Es ist unser Erstlingswerk und nennt sich „Eine Studie in Magenta“. Die Hauptdarsteller sind der exzentrische Druckexperte Schorsch Hesse und sein Assistent, der Mediengestalter Dr. Jan Winter. Hesse ist als Print-Experte und Fachmann der drucktechnischen Kriminalistik gefragt. Mit dieser Begabung löst er die delikaten Fälle unserer Branche. Im ersten Fall erhält der Druckereibesitzer Ludwig van Dyke mysteriöse Grußkarten mit der Drohung „Rache“, Absender unbekannt. Hesse und Winter werden beauftragt herauszufinden, wer hinter den Karten steckt. Wenig später ist van Dyke tot. War es Mord?
Hesse‘s messerscharfe Analyse führt die beiden Druckdetektive zu einem edlen Büttenpapier, einem Druckfehler durch ein beschädigtes Siebdruckrakel, zu Studenten der Druck- und Medientechnik, Druckereimitarbeitern, grummeligen Werkstattleitern, einflussreichen Verbandsmitarbeitern und vielen weiteren Akteuren der grafischen Industrie. Ach ja, da ist noch der Kakadu von Iggy Pop. Der spielt ebenfalls eine Rolle in dieser Geschichte.
Klaus-Peter Nicolay: Das klingt schon sehr rätselhaft. Wie kommt man denn auf solch eine Idee?
Marko Hanecke: Meine Partnerin und ich überlegten, wie sich die Corona-Krisenzeit gemeinsam und kreativ nutzen lässt. Laura ist passionierte Krimileserin, ich bin leidenschaftlicher Print-Produktioner. Der Gedanke, aus diesen beiden Vorlieben etwas Neues zu schaffen, lag nahe. Laura hat den Krimi geschrieben, ich stand ihr beratend zur Seite. Sie verehrt die Romane von Arthur Conan Doyle, weshalb die Druckdetektive Schorsch Hesse und Dr. Jan Winter in der Manier von Sherlock Holmes und Dr. John Watson ermitteln. Die Ähnlichkeiten zur Namensgebung der Protagonisten sind folglich ebenso gewollt wie die Anspielung an den Roman „Eine Studie in Scharlachrot“, in der Sherlock Holmes sein Debüt feierte.
Ich habe die Autorin inhaltlich beraten, darüber hinaus lag die konzeptionelle, drucktechnische und buchbinderische Umsetzung bei mir.
Klaus-Peter Nicolay: Wie von Dir zu erwarten, hast Du nicht irgendein beliebiges Heftchen drucken lassen, sondern ein Hardcover-Buch, das selbst gegenüber klassischen Büchern schon sehr aus dem Rahmen fällt. Erzähl uns doch mal von der technischen Umsetzung.
Marko Hanecke: Ein schnöder Standard kam für mich natürlich nicht in Frage. Story und technische Umsetzung sind miteinander verwoben. Dem Buch liegt eine originalgetreue Reproduktion der mysteriösen Karte bei. Anhand dieser können Leser beim Schmökern mitermitteln. Zudem finden sich an verschiedenen Stellen im Text subtile Passer-Ungenauigkeiten, die auf die drucktechnische Realisation der Geschichte hinweisen.
Wir haben hier eine Steifbroschur mit einem Deckel aus 2,5 Millimeter Graupappe, eine offene Fadenheftung mit magentafarbenen Fäden, abgerundete Ecken und einen Beschnittkantendruck. Es sind drei Druckverfahren in diesem Buch vereint: Siebdruck, Digitaldruck und der Offsetdruck.
Design, Produkt und Story münden in ein einmaliges, übereinstimmendes Gesamterlebnis. Außerdem habe ich mich bei der Entwicklung auf das Lesevergnügen und den Komfort fokussiert. So ist beispielsweise das Aufschlagverhalten exzellent und das ganze Buch ist eine haptische Sensation. Ich hoffe, nach der Lektüre werden viele anders über Buchgestaltung nachdenken.
Klaus-Peter Nicolay: Ich habe das Buch schon gelesen, der Lesekomfort ist wirklich super und die Ausstattung des Buches ist absolut gelungen, zugleich aber ein richtig komplexer Druckjob. Das hast Du nicht bei einer Onlinedruckerei drucken lassen, oder?
Marko Hanecke: Nein, es wurde klassisch produziert, bei einem Vorstufenbetrieb gestaltet und gesetzt und in einer konventionellen Druckerei hergestellt. Bei der Entwicklung wurde nichts dem Zufall oder einem Standard überlassen. Aber Deine Frage ist ja eine echte Steilvorlage für meine These, wohin die Reise im Onlinedruck gehen sollte.
Klaus-Peter Nicolay: Und die wäre? Ich bin gespannt.
Marko Hanecke: Ich denke, die ganze Standardisierung gewöhnlicher Druckprodukte führt in eine Sackgasse, denn sie beraubt uns der vielfältigen Möglichkeiten, die wir imstande sind zu produzieren.
Die Onliner liefern nur einen winzigen Ausschnitt aller machbaren Optionen. Das aber wird von den meisten Kunden leider anders wahrgenommen. Drucksacheneinkäufer orientieren sich inzwischen überwiegend an den online angebotenen Druckprodukten – als gäbe es nichts anderes. Die produktionstechnische Vielfalt wird stark beschnitten, Potenziale bleiben ungenutzt. Ich halte das für eine gefährliche Entwicklung.
Klaus-Peter Nicolay: Das mag ja stimmen. Aber Onlinedrucker betreiben E-Commerce. Das geht nur über standardisierte Produkte. Für alles andere gibt es ja Gott sei Dank noch die Vielfalt an Druckereien.
Marko Hanecke: Es lassen sich aber auch außergewöhnlichere Produkte standardisieren beziehungsweise konfigurieren. Was ich beobachte ist, dass es immer weniger Print-Expertise im Markt gibt. Die Orientierung an dem, was die Onlinedrucker anbieten, ist gelebte Realität und beruht meiner Meinung nach auf eben dieser fehlenden Fachkenntnis. Zeit, Kostendruck und die Zuwendung hin zum Digitalen sind weitere Treiber dieser Entwicklung.
Was aber bleibt, ist der Wunsch nach Produkten, die im Meer der Publikationen auffallen. Wir sollten uns daher dringend Gedanken darüber machen, wie wir besondere Druckprodukte denjenigen zugänglich machen können, die wenig Wissen und Erfahrung mitbringen. Dann ist auch der Preis nicht mehr das ausschlaggebende Kriterium.
Die Gefahr, die ich sehe: Print entwertet sich durch Beliebigkeit selbst, denn die Produktattraktivität nimmt ab und im werblichen Umfeld sinken folglich die Erfolgsquoten. Nur weil etwas gedruckt ist, haben wir noch lange keine attraktive Differenzierung gegenüber digitalen Inhalten. Das Besondere muss zum Standard werden!
Klaus-Peter Nicolay: Was also kann eine Onlinedruckerei unternehmen, um Dich als Kunden zu gewinnen?
Marko Hanecke: In den Shops vermisse ich eine deutlich größere Fertigungstiefe, die ein völlig frei konfigurierbares Produkt mit verschiedensten Substraten, Drucktechniken, Veredelungen und Weiterverarbeitungen ermöglicht. Die Software prüft, ob die Konfiguration technisch realisierbar ist, liefert passgenaue Templates und Hilfestellung bei der Druckdatenanlage. Eine Ansicht, die anzeigt, wie das Produkt aussehen wird, rundet das Angebot ab. Am Ende habe ich eine völlig individuelle Drucksache, einen konkreten Preis, eine definierte Fertigungszeit, die Möglichkeit, einen Dummy zu bestellen und weitere sinnvolle Features und Services.
Klaus-Peter Nicolay: Dann hast Du aber – zweifellos softwaregestützt – wieder genau das, was wir jetzt haben. Diese Vielfalt können vielleicht Spezialisten unter den Individualdruckern leisten, nicht aber industrielle Drucker.
Marko Hanecke: Genau hier sehe ich eine riesige Chance für spezialisierte Betriebe unserer Branche. Es müssen ja nicht immer die Großen sein, die Innovationen vorantreiben. Andere Branchen haben die hochindividuelle Fertigung längst gelöst. Und wo stehen wir bei Onlineprint? Ich bekomme online ja kaum einen Flyer mit abgerundeten Ecken. Absurd! Wir haben noch enorm viel Luft nach oben.
Klaus-Peter Nicolay: Moment mal. Gerade bei Onlinedruckern bekomme ich doch Individuelles in Form von Mass Customization.
Marko Hanecke: Ja, Fotobücher, Tassen und Funartikel. Aber keine komplexen Printprodukte in größeren und bezahlbaren Auflagen. Wie unser Buch etwa. Man könnte behaupten: Das, was auf Produktebene bei den Onlinern passiert, ist sterbenslangweilig.
Klaus-Peter Nicolay: Gute Überleitung, aber die Diskussion führen wir noch fort! Zurück zum Buch. Du hast von einem Erstlingswerk gesprochen. Wie sehen die weiteren Pläne aus?
Marko Hanecke: Den Druckdetektiven widmen wir mindestens eine Trilogie. Der zweite Teil, der drucktechnisch noch eine Schippe drauflegen wird, ist schon in Planung. Außerdem geben wir Schorsch Hesse und Dr. Jan Winter auf Printelligent.de eine Stimme. Dort unterhalten sie sich in der Kolumne „Graustufen“ über kontroverse Themen unserer Branche. Eine Studie in Magenta.
Der erste Fall für Hesse & Winter. 14 x 20 cm, 192 Seiten. Leseprobe und Bestellung unter Printelligent.de.
