Digitale Dokumente werden in der europäischen Gesetzgebung und Kommunikation immer mehr zur Standard-Option. Gegen diesen Digital-Only-Ansatz haben sich nun die führenden europäischen Verbände der Druck- und Papierindustrie zusammengetan und eine gemeinsame Erklärung abgegeben. Darin machen sie nicht nur auf kritische Aspekte wie Teilhabe und Zugänglichkeit für alle Menschen oder den ökologischen Fußabdruck aufmerksam, sondern warnen auch vor den Folgen für die Druckindustrie.
In dem gemeinsamen Statement von Intergraf (europäischer Dachverband der Druckindustrie), CEPI (Verband der europäischen Papierindustrie), UNI Europa graphical & packaging (Verband der Arbeitnehmer in der Grafik- und Verpackungsindustrie), FEPE (Verband für Briefumschläge sowie für Leicht- und E-Commerce-Verpackungen in Europa) und industriAll (Interessensvertretung der Angestellten in Industrie in Europa) wird unter anderem darauf verwiesen, dass die Betonung des digitalen Wandels durch die EU-Kommission in zahlreichen EU-Gesetzgebungen bereits zur umfangreichen Abschaffung gedruckter Papierprodukte geführt habe, wie etwa bei Industrie- und Medizinprodukten und anderen Verbraucherinformationen.
Digitaler Wandel ist wichtig, Inklusion aber auch
Den Verbänden gehe es nicht darum, das Digitale anzuprangern – denn auch sie erkennen die Bedeutung des digitalen Wandels an, heißt es. Kritisch und als „nicht neutral“ bewerten sie jedoch den Ansatz, das Digitale zum Standard zu machen und Kommunikation sowie Dokumente ausschließlich digital anzubieten. „Für einen inklusiven digitalen Wandel, der die Grundrechte auf Zugang zu Informationen für alle respektiert, ist Print unverzichtbar“, heißt es etwa von Seiten der Intergraf.
So könne die einseitige „Förderung digitaler Technologien gegenüber gedrucktem Papier zu sozialer Ausgrenzung führen“, was im Besonderen ältere Menschen, Menschen mit Behinderung, Menschen mit begrenztem Einkommen oder ohne digitale Fähigkeiten – und damit mehr als ein Drittel der EU-Bürger – betreffe. Wer sich also ausschließlich auf digitale Kommunikation konzentriert, geht zugleich auch soziale und wirtschaftliche Risiken ein, resümieren die Verbände.
Nachhaltigkeit von Papier und Druck
In der gemeinsamen Erklärung geht es den Verbänden aber nicht nur um die Teilhabe, sondern auch darum, die Nachhaltigkeit von Papier und Druck sowie ihre Rolle in der europäischen Kreislaufwirtschaft zu betonen. Der ökologische Fußabdruck digitaler Lösungen werde kaum noch berücksichtigt, und das obwohl Rechenzentren, Server und Co. einen extremen Energieverbrauch haben und gleichzeitig für jede Menge Elektroschrott sorgen. Zudem würden dadurch „irreführende Stereotypen gegenüber Papier aufrechterhalten, die den Printmedien und ihren Branchen schaden und nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren“.
Druckindustrie nimmt Schaden
Der immer stärker praktizierte Digital-First- bzw. Digital-Only-Ansatz wirke sich, wie die Verbände weiter erklären, zudem negativ auf die Unternehmen der Druckindustrie aus, die mit ihren Produkten jedoch einen wichtigen Beitrag für Wachstum, Demokratie, (Meinungs-)Bildung und Inklusion leisten. So würden große digitale Unternehmen, die ihren Hauptsitz oft außerhalb der EU haben, unverhältnismäßig und auf Kosten lokaler, kleiner und mittlerer Unternehmen gestärkt.
Vier grundlegende Empfehlungen bzw. Aufforderungen an die politischen Entscheidungsträger der EU haben die europäischen Druck- und Papierverbände in ihrem Statement schließlich formuliert:
- Die politischen Entscheidungsträger der EU sollten davon absehen, in der europäischen Gesetzgebung einen Standard-Digital- oder Digital-Only-Ansatz umzusetzen.
- Print sollte immer parallel zur digitalen Kommunikation betrachtet werden.
- Die EU-Gesetzgebung sollte den ökologischen und recycelbaren Wert von Papierprodukten im Kontext der aktuellen Klimakrise berücksichtigen.
- Die EU-Gesetzgebung sollte alles Relevante berücksichtigen, einschließlich (insbesondere) Zirkularität, Inklusion und Wahlfreiheit.
Zur ausführlichen gemeinsamen Erklärung von Intergraf, CEPI, UNI Europa graphical & packaing, FEPE und industriAll im englischen Original-Wortlaut geht es hier.
