Online Print: 15 Prozent auf alles – auch auf Tiernahrung? — Achtung, Satire (auf fast alles) —

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United Print druckt online. Und hat einen neuen Marketingchef (zugleich auch zuständig für Innovationen – welch eine smarte Kombination). Der räumt gleich mal auf mit der bisherigen Preispolitik: 15 Prozent, verspricht er, Nachlass auf alles. Ab sofort und dauerhaft. Für alles, was Kunden bestellen, bei fast all seinen Brands: print24, unitedprint, firstprint, getprint und printwhat.

Toll. Und wie geht so etwas? Nun, sagt die Pressemitteilung, das hinge mit der Qualität und der Produktivität zusammen. Mmmh. Nun macht man beides ja nicht mal eben über Nacht. Bedeutet dies nun, dass die Kunden dieses Unternehmens unter der Sonne Sachsens etwa jahrelang gut und gerne 15 Prozent zu viel gezahlt haben? Da auch viele (kleine) Druckereien dort Kunde sind, haben sie vielleicht der United Print Gewinne finanziert, zu Lasten eigener Margen?

Vielleicht ist des Rätsels Lösung einfacher. Mit plakativen Nachrichten macht der neue Marketingchef, den ich im Übrigen sehr schätze, gerne auf sich aufmerksam. Bei aller Wertschätzung aber – meine Frage, wo denn die 15 Prozent so mir nichts, dir nichts herkommen, beantwortet die Pressemitteilung nicht wirklich. Auch nicht bei der sechsten Tasse Morgenkaffee.

Also wirklich nur ein Gag? Oder (was in der Branche auch schon vorgekommen ist), die verdeckte Rücknahme einer vorher verdeckt-versteckten Preiserhöhung? Was United Print macht, ist das eine. Aber ich spekuliere mal, was dies für die Online Print Branche bedeuten kann, wenn die Radebeuler zum Beispiel auf Facebook verkünden: „Minus 15 Prozent. Auf unsere Produkte. Dauerhaft!“:

Prozente
(Abb. pixabay/Geralt, cc)

 

In den nächsten Tagen zieht diedruckerei.de nach. Margenbewusst könnte die Firma einen Joker auftischen und die Option „bring your own paper“ – analog dem bekannten „bring you own device“ einführen. So könnte der Kunde bis zu 30 Prozent, je nach Sorte, sparen. Gut, das leidige Transportthema müsste noch irgendwie geklärt werden, aber das ist ja nicht Sache des Marketings.

Dann aber geht der Zirkus richtig los. Das Vorgehen der Neustädter wird auch in Würzburg zur Kenntnis genommen. Flyeralarm reagiert natürlich sofort, startet die Aktion „All you can print“ in den Flyeralarm-Shops vor Ort. Kunden können gegen eine Flatrate-Gebühr von 19,90 Euro (inkl. MwSt.) künftig in jedem Shop solange drucken, bis der der Toner ausgeht. Nur wenige kennen ja den firmeneigenen Marketingtrick: In den Shops stehen meist gar keine Druckmaschinen! (Zugegeben, es gibt auch keine Tiernahrung zu kaufen). Zudem geht man auf Nr. Sicher und erhöht die Frequenz der Radiospots drastisch. Außerdem wird die Melodie geändert – künftig trällert, mit leicht fränkischem Unterton, eine junge Dame zum Abschluss des Spots „…so give Print a Chance“.

Cewe, zunächst recht gelassen, wird nun hektisch. Über Nacht werden über 200 weitere Fotobuchformate aufgenommen. Hier setzt man offensichtlich auf Vielfalt, nicht auf Billigpreise. Branchenkenner spekulieren jedoch auf eine neue Discountmarke. Es wird gemunkelt, dass Cewe unter der Marke „Yes“ künftig heimlich alle Produkte des Konzerns ebenfalls im Billigsektor angeboten werden sollen. Um dies durch eine solide Gegenfinanzierung abzusichern, hat der Aufsichtsrat den Vorstand und alle Direktoren zur dritten Schicht eingeteilt. Sicherheitshalber wird aber die Frequenz der TV-Spots erhöht. Man weiß ja nie.

Nachdem Wir-machen-Druck.de zunächst wenig beeindruckt waren, werfen auch sie ihren Hut in den Ring. Kunden können hier künftig wählen, mit welcher persönlichen Qualifikation gedruckt wird. Der Einsatz ungelernter Mitarbeiter, sofern vom Kunden ausgewählt, ergibt bis zu 40 Prozent Rabatt. Ein genialer Schachzug. Gelernte Drucker werden künftig als „Prime-Printers“ vermarktet – für die wenigen Kunden, die sich Qualität und Sachverstand noch leisten mögen oder können.

Jetzt wird’s richtig heiß. Auch kleinere Online-Printer reagieren, beispielsweise mit Makulatur-Geschenkt-Aktionen (schließlich klingt „geschenkt“ immer gut). Clever und wendig zeigt sich Printplanet.de. Hier können Kunden nach der Produktion des Druckbogens mit eigenen UV-Trocknern die Bögen trocknen und damit satte Rabatte einstreichen. Das hat Printplanet bei den Friseuren gelernt: „Schnitt vom Profi, Föhnen dann selbst…“.

Die Eskalation schlägt nicht nur Wellen, sondern auch zurück. Diese Frechheiten der Konkurrenz will United Print nicht auf sich sitzen lassen, und die Radebeuler arbeiten schon an der nächsten Idee: Kunden, die künftig auf den Einsatz der Farbe Gelb verzichten, erhalten die anderen Farben kostenlos – bezahlt wird nur noch das Papier und der Versand. Die Versandkosten werden dabei auf europäisches Niveau angehoben. Dummerweise hatte vorher niemand bemerkt, dass die Radebeuler eine Papierfabrik erworben haben, um sich somit einen weiteren Marktvorteil zu sichern.

Jetzt wird es international-global: Vistaprint bzw. Cimpress ignoriert die Vorgänge im deutschen Markt zunächst bewusst und aktiv, freut sich aber riesig darüber, dass die großen Player im deutsch-lokalen Markt sich gegenseitig unterbieten. Und man eigentlich nur abwarten muss, wer denn am Ende übrig bleibt. Überhaupt zeigt sich der globale Online-Printer unbeeindruckt, schließlich kann er – wenn sich andere streiten – in Ruhe wachsen und später gelassen neue Marktregeln aufsetzen. Rom wurde nicht an einem Tag gebaut, die deutsche Druckindustrie geht nicht in einem Monat unter. Aber sie geht.

Oh, oh, ooooh, der Markt wird langsam unruhig. Der neue Player Amazon will sich von diesen Aktivitäten das neue Geschäft nicht vermiesen lassen – schon wenige Stunden nach der Ankündigung des „Super-Spar-DAU-Printer-Specials“ von Wir-machen-Druck.de lässt der Online-Gigant verlautbaren: Alle Amazon-Prime-Kunden drucken künftig in 2D kostenlos bis zu einem Papiervolumen von 1,2 Tonnen jährlich, unabhängig von der Grammatur (was bei 50 g/qm-Papieren 381.000 Blatt DIN A 4 ergibt, mehr als 1.000 Blatt pro Tag). Versandkosten (Over Night) natürlich inklusive.  Voraussetzung ist nur, dass der Kunde die Option „Prime“ ausgewählt hat. Alle 100 Kilogramm 2D-Druck gibt es eine konfigurierbare 3D-Druck-Plastikfigur umsonst obendrauf. Für den Onlineriesen ist dieses Vorgehen nur logisch, schließlich bekommen Prime-Kunden ja auch Filme umsonst. Da müssen sie auch ihre Drucksachen kostenlos bekommen.

Mehr oder weniger fassungslos registriert (wieder einmal) die gute, alte, analoge Druckindustrie diese Vorgänge. Von den üblichen Appellen angesichts der schockierenden Zustände im Druckmarkt, gleich Hilfeschreien – die jedoch mehr oder weniger von der Presse und den Medien ignoriert werden – nehmen auch Volk und Politik nicht so richtig Kenntnis. Warum auch? Günstigere Preise sind ja schließlich zum Vorteil des Kunden. Nur Verdi – ja man erinnert sich, die Arbeitnehmervertretung – wird aktiv: Diesen Maßnahmen „müsse man entschieden entgegentreten“, deswegen müssen unbedingt die Löhne und Gehälter der Druckindustrie angepasst werden. Neue Forderung für die bis dato nicht geplante Tarifrunde 2015: plus 15 Prozent – schließlich „müsse man ein Zeichen setzen und die Zahlen des Marktes in flächenwirksame Tarifverträge umsetzen“, so ein Verdi-Vertreter.

Die Unruhe im Markt bleibt auch bei den Maschinenherstellern nicht unbemerkt und man antwortet geschickt: HP senkt die Maschinenpreise drastisch, „damit auch kleinere Unternehmen dieses Massaker überstehen“, erhöht aber heimlich den Clickpreis pro Seite um lockere 2 Cent pro Farbe. Heidelberger reagiert auch und senkt die Preise in der Werkskantine auf das Niveau von 1986, dafür landen aber auch 15 Prozent weniger auf dem Teller. Lean Production, revolutionär.

United Print, ich frage Dich: Hast Du das gewollt? Was ist das für ein Stein, den Du da ins Wasser geworfen hast? Ist es diesen Marketing-Gag wirklich wert, neue Unruhe in den Markt zu bringen? Man darf gespannt sein, wie der Markt des Online Print wirklich reagiert. Nur und allein „billig“ kann und darf doch für einen Drucker kein Ziel sein, weil nur eine nachhaltig wirtschaftliche Produktion, also Rentabilität, Qualität die Wertigkeit von Print sichert. Und damit auch langfristig das Geschäft von unitedprint.de und Co.

Ich kann nur inständig hoffen, all das, was hier beschrieben wurde (außer den 15 Prozent Preissenkung von United Print, die sind zumindest real verkündet) bleibt Satire – und wird nicht in Kürze ernsthaft Gegenstand der Berichterstattung.

Gründer und CEO von zipcon consulting GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen für die Druck- und Medienindustrie in Mitteleuropa. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater und sein Team aktiv die praktische Umsetzung. Er entwickelt Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure der unterschiedlichsten Branchen. Seine Fachgebiete sind u.a. Online-Print, Mass Customization, Strategie- und Technologie Assessment für Print, sowie die Entwicklung neuer Strategien im Print- und Mediaumfeld. Bernd Zipper ist Initiator und Vorsitzender der Initiative Online Print e.V. und neben seiner Beratertätigkeit Autor, Dozent sowie gefragter Referent, Redner und Moderator. Seine visionären Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen für die Druck- und Medienindustrie. (Profile auch bei Xing, LinkedIn).

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