Als Absatzgebiet ist der UK-Onlineprintmarkt lukrativ und anspruchsvoll zugleich – ein Aspekt dominiert ihn besonders: der „24h-Turnaround“. Nur welche landeseigenen Player nutzen neben den deutschen und europäischen Branchengrößen ihre Chance in diesem vergleichsweise offenen Markt?
Flyeralarm, Onlineprinters, Cewe und Unitedprint – sie alle haben mindestens zwei Sachen gemeinsam: Zum einen gehören sie zu den Onlineprint-Marktführern in der D/A/CH-Region, zum anderen sind sie zunehmend in einem Noch-EU-Staat aktiv, der für den Onlinedruck Wachstum bereithält, und zwar in größeren Dimensionen als in den meisten anderen Staaten Europas. Die Rede ist von Großbritannien. Nicht umsonst erweitern große deutsche und andere europäische Player aus dem Onlinedruck-Business mit Landesdomains, separaten Marken, eigenen Produktions- und Vertriebsstätten massiv ihren Einflussbereich in Richtung des größten europäischen Inselstaats. Entfielen in der D/A/CH-Region 2017 zwischen 25 und 28 % des Gesamtdruckmarktes auf den Onlinedruck, waren es in UK deutlich weniger. Schätzungen gehen in Richtung 10 bis 15 %, womit der deutschsprachige Markt der westeuropäischen Insel hinsichtlich des online-generierten Printumsatz-Anteils noch um einiges voraus ist. Aber: Nicht nur deutsche Printer und die üblichen „Verdächtigen“ aus dem europäischen Ausland drängen auf die Insel. Einige britische Onliner investieren mächtig, wachsen Jahr für Jahr in zum Teil größeren zweistelligen Raten und expandieren selbst in andere englischsprachige Gebiete wie die USA. Dass die Zukunft eines Teils des Druckmarkts im Onlinebereich liegt, ist also auch in UK schon seit Längerem angekommen. Grund genug für mich also, diesen Markt mal etwas umfassender zu betrachten.

Der UK-Printmarkt und der Onlineanteil
Nach einer recht intensiven, aber nicht abschließenden Recherche zeigt sich für den UK-Onlineprintmarkt eines deutlich: Er ist fragmentierter als der D/A/CH-Markt. Weniger „richtig“ große Player als in Deutschland, viele mittlere und kleine Firmen, eine ähnliche Anbieterdichte. Um das Ganze einordnen zu können: Der BPIF (British Printing Industries Federation) hat für die UK-Druckindustrie für 2016 ein Umsatzvolumen von mehr als 15,9 Milliarden Euro angegeben, womit Großbritannien der zweitstärkste Printproduzent Europas nach Deutschland ist. Onlineprint-Potenzial ist also genug vorhanden – nur wird es noch nicht derart genutzt, wie es die großen Player beispielsweise in der D/A/CH-Region vormachen. Von den eben genannten 10 bis 15 % Onlineanteil in UK wird sich der Markt bis Ende 2022 aber mindestens bis zu dem aktuellen D/A/CH-Niveau entwickeln, nämlich auf 25 bis 30 %. Aber zurück zur Recherche: Mein Team und ich haben mehr als 70 aktuell präsente Printer (Akzidenz + Foto) mit Onlineshop für den Bereich UK und Irland gefunden. Dabei wurden nur Anbieter hinzugerechnet, die aus Großbritannien oder Irland stammen und auch ihren Hauptsitz dort haben. Zweigstellen unter gleichem Markennamen, wie beispielsweise Cewe UK, wurden nicht mitgezählt – separate Marken großer Anbieter, die auch unter ihrem eigenen Namen auf dem Gebiet agieren, schon. In der Folge werde ich auf einige der umsatz- und wachstumsstärkeren Onlinedrucker etwas genauer eingehen. Natürlich lässt sich in einem Beitrag kein vollumfängliches Marktbild erzeugen – der Überblick zählt aber.
Und bevor Unmut aufkommt – ja, Irland gehört nicht zu UK. In meiner Darstellung beziehe ich Irland trotzdem mit ein, da die irischen Onlinedrucker ihr Haupt-Absatzgebiet nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Großbritannien haben. Umgekehrt liefern einige UK-Onlinedrucker auch nach Irland.
Welche lokalen Onliner sind in Großbritannien aktiv?
Als UK-Akzidenz-Onlinedrucker konnte Moo Print im Jahr 2017 einen Umsatz von etwa 63 Mio. Euro einfahren und damit ein etwa 40 %iges Umsatzwachstum von 2016 auf 2017 generieren. Gemessen an den Maßstäben deutscher Onlinedrucker würde Moo damit unter den TOP 10 rangieren – im Vereinigten Königreich gehört sie damit sogar zu den TOP 5 unter den Akzidenzdruckern. Genauso wie einige andere der größeren Anbieter auch, hat Moo seinen Hauptsitz in London. Der Spezialist für ausgefallene Designs ist bekannt für besonders hohe Druckqualität und agiert mit seinen etwa 400 Mitarbeitern auch in den USA.

Etwas weniger bekannt als Moo, aber mit einem Umsatz im Jahr 2017 von rund 23 Mio. Euro relativ stark, ist Bluetree Design & Print. Das weiter nördlich gelegene Unternehmen unterhält die beiden Printshops route1print.co.uk und instantprint.co.uk – und hat in den letzten Jahren mit mehr als 23 Mio. Euro mächtig in Technik und Infrastruktur investiert, um das 2018er Umsatzziel von 34 Mio. Euro zu knacken. Damit strebt Bluetree, das mit Instantprint besonders günstige und schnelle Printproduktionen anbietet und auch auf den lukrativen US-Markt drängt, nach dem letzten Umsatzwachstum von nahezu 40 % eine weitere Steigerung in ähnlicher Größenordnung an. Von den betrachteten Akzidenzdruckern bilden Moo und Bluetree die Spitze in Sachen Wachstumspotenzial.
Wie bereits angedeutet, haben auch deutsche Onlinedrucker über zusätzliche Standorte und Akquisen die Sicherung und Erweiterung im UK-Onlineprint-Business vorangetrieben. Im Zuge dessen ist auch eine Druckerei in der D/A/CH-Region bekannter geworden, die ihren Sitz östlich von London in Southend-on-Sea hat: Solopress. Vor rund einem Jahr hat die Onlineprinters-Gruppe Solopress gekauft und sich damit einen der schnellsten und größten Onlinedrucker in UK einverleibt. Kunden von Solopress fragen mit mehr als 80 % vor allem Overnight-Produkte nach, was im westlichsten Teil Europas durchaus häufiger der Fall ist als in Zentraleuropa. Liefergeschwindigkeit entscheidet in UK mehr als alles andere über Erfolg oder Misserfolg. Das Produktportfolio von Solopress ist relativ groß und umfasst mehr als 50 Kategorien, mit denen das englische Unternehmen von 2015 auf 2016 bereits eine Umsatzsteigerung von 25 % erreichen konnte, die im Jahr 2017 mit 31 % noch weiter gesteigert werden konnte. Im letzten Jahr hat Solopress als Online-Pureplayer damit einen Umsatz von 24,2 Mio. Euro generiert und kann in Zukunft auf weiteres Wachstum setzten – nicht zuletzt, weil die Onlineprinters-Gruppe für weitere Investitionen in den Ausbau, wie erst kürzlich durch die Installation weiterer Digitaldruckmaschinen geschehen, sorgen wird.
„In Großbritannien muss der Onlinedruck vor allem eines sein: schnell! Einige Printer können nicht zuletzt aufgrund ihrer Schnelligkeit ein mächtiges Wachstum vorweisen.“ – Bernd Zipper
In Relation zu den bereits genannten Onlineprintern sind die nachfolgenden Anbieter – zumindest für britische Verhältnisse – nur „moderat“ gewachsen, was in dieser Aufstellung wohlgemerkt Raten von mehr als 10 % bedeutet. Die Rede ist von Tradeprint und Precision Printing. Erstgenannter Onlinedrucker ist seit 2015 Teil von Cimpress und als einzige Marke des Mass-Customization-Anbieters mit einem eigenen Standort in Großbritannien aktiv. Den eigenen Standort von Tradeprint in UK hebe ich deshalb hervor, weil Cimpress einige Märkte gleichzeitig mit mehreren Marken bearbeitet. So fällt der Umsatz von Tradeprint von rund 12 Mio. Euro im Jahr 2017 augenscheinlich niedrig aus. Bedenkt man aber, dass Pixartprinting (I) und Vistaprint ebenso einige Businesskunden in Großbritannien haben, relativiert sich diese Zahl schnell. Denn obwohl Tradeprint augenscheinlich Konkurrenz aus dem eigenen Lager hat, sind die Umsätze in den letzten beiden Jahren um 20 bzw. 14 % gestiegen – ein Indikator dafür, dass Tradeprint vom schottischen Dundee aus den UK-Printmarkt für Reseller und White-Label-Nachfrager gut erreicht.
Den gleichen Kundenfokus verfolgt auch die im Londoner Print-Ballungsgebiet ansässige Druckerei Precision Printing mit ihrer Onlinemarke Where The Trade Buys. Die adressierten Reseller haben seit dem Relaunch des Webshops zu den zuletzt 6,9 Mio. Euro Umsatz geführt, die rund ein Drittel des Gesamtumsatzes von Precision Printing (19,5 Mio. Euro) ausmachen. Keine große Nummer? – weit gefehlt! Neben WTTB unterhält Precision Printing noch weitere Onlineprint-Shops und wächst mit zuletzt 13 % deutlich. Noch deutlicher wird es laut Aussage von Gary Peeling, MD Preciosion Printing, aber in diesem und im kommenden Jahr mit Wachstumsraten von 30 % und mehr. Diese sollen auf Grundlage von mehreren Hundert Neukunden und kleineren Auflagen erzielt werden, die online effizient abgebildet und am besten Sameday geliefert werden – wofür WTTB in London bereits bekannt ist. Precision Printing wird mit seinen Marken in Zukunft also sicherlich eine noch größere Rolle im UK-Onlineprint einnehmen.

Bei diesen fünf Onlineprint-Anbietern belasse ich es vorerst für die Darstellung des UK-Marktes. Natürlich gibt es noch einige weitere Onlineprinter mit Hauptsitz in UK, die es sich noch anzuschauen lohnt. Und allen Branchen-Interessierten, die zur Eigenrecherche noch ein paar weitere Printer mit viel Wachstums-Potenzial im westlichsten Teil Europas suchen, möchte ich die folgenden Namen noch an die Hand geben: Tangent Communications mit printed.com, Grafenia mit marqetspace.co.uk, printing.com/uk und den Nettl-Stores sowie Northside mit tradedigitalprinting.co.uk und digitalprinting.co.uk und abschließend quinnstheprinters.com.
My Take: Einige Lokalgewächse auf dem UK-Onlineprintmarkt haben in den letzten Jahren deutliche Umsatzsteigerungen verzeichnen können. Potenzial ist auf diesem Gebiet also ausreichend vorhanden. Spannend wird noch, ob der bevorstehende Brexit noch weitere große deutsche und internationale Player aus dem Onlineprint-Business zu Akquisen auf der Insel bewegen wird. Die lokalen Player zumindest scheinen ihre Chancen zu nutzen und expandieren zum Teil selbst – manche sogar schon länger – in andere Länder und/oder Kontinente. Geht es in UK ähnlich wie in Deutschland weiter, wird es voraussichtlich auch dort zu Konsolidierungen kommen, was weniger Akteure mit jeweils größerem Umsatz bedeutet. Ich bin gespannt, wie sich der Markt entwickelt – und bleibe dran.
