Der Fotodienstleister und Onlinedrucker Cewe expandiert weiter. Wie die Cewe Stiftung & Co. KGaA gestern (Dienstag, 30. April 2019) mitteilte, wurde für die in Berlin und Frechen bei Köln ansässige WhiteWall Media GmbH ein Kaufvertrag abgeschlossen. Verkäufer ist die Avenso GmbH. Die Transaktion, die zum 1. Juni 2019 vollzogen werden soll, ist noch von der Zustimmung der Kartellbehörden abhängig.
Kerngeschäft von WhiteWall sind großformatige Fotos, vor allem als gerahmte Wandbilder in Galeriequalität, die nach Angaben des Unternehmens bei Profi- und Hobbyfotografen durch „die überragende Produktqualität einen hervorragenden Ruf“ genießen. Deshalb, so der Cewe-Vorstandsvorsitzende Dr. Christian Friege „passt die Akquisition hervorragend zu unserem Markenportfolio und Premium-Anspruch.“
WhiteWall ist seit etwa zehn Jahren in Deutschland, einigen europäischen Ländern und den USA aktiv. Eigene Stores gibt es in den Metropolen Hamburg, Düsseldorf, Berlin und München sowie in Wien, Zürich, Paris und New York. Diese Stores will Cewe ebenso übernehmen wie den Geschäftsbetrieb in Berlin und den Produktions-Standort in Frechen bei Köln sowie die rund 170 WhiteWall-Mitarbeiter.
Nicht zum Übernahmepaket gehört die 2003 gegründete Avenso-Sparte Lumas mit ihren Galerien und kuratierten Kunst-Wandbildern (keine Unikate, sondern Kleinserien), mit der Cewe kooperieren will und deren Bilder weiterhin in Frechen gefertigt werden sollen. Auch die Shop-in-Shop-Präsenzen von WhiteWall in den Lumas-Galerien in New York, Wien, Zürich, Köln, Frankfurt und Paris sollen bestehen bleiben.
Die weißen Wände bleiben bestehen
Für WhiteWall ist die Zugehörigkeit zu Cewe offenbar eine Möglichkeit, seine Marke und die selbständige Stellung am Markt zu bewahren. Schließlich bringt das Unternehmen eigenen Angaben zufolge über 237.000 Kunden, darunter 21.500 Profi-Fotografien, Künstler, Galeristen und Sammler mit. Und eine App, womit sich Fotos mit Hilfe von Augmented Reality virtuell an der Wand betrachten und sie auf die Inneneinrichtung abstimmen lassen. Dabei können die Bilder mit farbigen Passepartouts, Rahmen und in verschiedenen Größenoptionen simuliert werden.
„Uns war es wichtig, dass WhiteWall als eigenständige Marke mit eigener Produktion gewahrt bleibt. Die finanzielle Kraft und Erfahrung der Cewe-Gruppe sichern die Weiterentwicklung von WhiteWall bestens ab“, erklärt Avenso-CEO Marc Ullrich.
Damit fährt Cewe eine Mehr-Marken-Strategie. Ähnlich ist Cewe bereits bei früheren Akquisitionen wie beim Handyhüllen-Hersteller DeinDesign, im letzten Jahr bei der französischen Foto-App Cheerz oder 2017/2018 beim Online-Drucker Laserline verfahren und hat damit offenbar sehr gute Erfahrungen gemacht.

Cewe kann den Deal gut verkraften
Der Kaufpreis der WhiteWall-Akquise basiert auf einem Unternehmenswert (Enterprise Value) von etwa 30 Mio. €. Cewe bewertet das Unternehmen mit dem 0,9-fachen Wert des 2018 erzielten Umsatzes. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet der Cewe-Vorstand durch die Übernahme inklusive Kaufpreisallokation und Transaktionskosten zunächst noch mit einem negativen Ebit-Effekt von etwa 1 Mio. €, erwartet durch den Kauf und die zu erwartenden Synergieeffekte in Prozessen wie etwa im Einkauf jedoch einen positiven Effekt auf den Wert des Gesamtunternehmens. WhiteWall wächst nach Angaben von Cewe aktuell dynamisch und soll das Wachstum von Cewe durch die Weiterentwicklung der Marke weiter antreiben.
Finanziell dürfte der Zukauf für Cewe kein besonderer Kraftakt sein. Das Unternehmen erzielte mit seinen Sparten Foto und Onlineprint im Geschäftsjahr 2018 einen Umsatz von 653 Mio. € – ein Plus von 9% gegenüber den 599 Mio. € des Vorjahres. Dabei stieg das operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 49 auf fast 54 Mio. €. Für das laufende Jahr hat sich Cewe weiteres Wachstum auf die Fahne geschrieben: Der Umsatz soll (nicht zuletzt durch die Akquisition) auf 655 bis 690 Mio. € ansteigen.
Auch wenn WhiteWall eigenständig bleiben soll, bindet Cewe den Neuerwerb in seine Management-Strukturen ein. Der Konzern sendet Thomas Alscheid, der bereits mehr als zehn Jahre in der Cewe-Gruppe tätig ist, in die dann zweiköpfige Geschäftsführung von WhiteWall. Alexander Nieswandt, Gründer und Geschäftsführer der WhiteWall Media GmbH, wird auch künftig Geschäftsführer bleiben.

Digitale Transformation par excellence
Cewe ist heute in erster Linie durch seine Fotobücher bekannt, hat sich seit der Jahrtausend-Wende komplett neu aufgestellt und transformiert. Damals war das 1961 gegründete Unternehmen eines der größten von vielen Fotodienstleistern, deren Schwerpunkt auf der Entwicklung analoger Filme und Fotoabzügen lag. Dieses Geschäft brach während des Siegeszugs der Digitalfotografie jedoch jährlich um rund 30% ein, was nur ganz wenige überlebt haben. Auch Cewe musste kämpfen, hat sich aber früher als andere Wettbewerber auf den Digitalmarkt eingestellt – vom Point of Sales bis in die Produktion. Dabei wurden zwischen 2002 und 2014 weit über 350 Mio. € in die Digitalisierung investiert. Einhergehend mit diesem Wandel hielt in der Produktion der Digitaldruck Einzug.
Heute ist der Anteil des nach wie vor betriebenen Fotofinishing von Film nur noch marginal (auch wenn er wie Vinyl in der Musikindustrie weiter überleben wird). Die Masse aber ist das Drucken von Fotoprodukten – und hier konnte sich Cewe schnell und auch dank seiner großen Präsenz im Handel (aktuell mehr als 20.000 Handelpartner in 26 europäischen Ländern, die wiederum zig Tausende POS betreiben) mit seiner Marke Cewe Fotobuch etablieren und massenhaft seine Bestell- und Gestaltungssoftware sowie Apps auf die heimischen Computer, Tablets und Smartphones der Konsumenten bringen.
Position als Onlinedrucker
Spätestens mit der Produktion von Fotobüchern im Jahr 2005 ist Cewe massiv in Print eingestiegen. Von den im Digitaldruck hergestellten Fotobüchern wurden seit Beginn der Produktion insgesamt weit über 50 Mio. Exemplare abgesetzt, davon allein 6,2 Mio. im Jahr 2018. Dazu kommen noch weitere Fotoprodukte. „Wir bedrucken alles, was sich nicht wehren kann“, sagte der ehemalige Cewe-Vorstandschef Hollander in einem Interview im Dezember 2014 und meinte damit unter anderem Tassen, Uhren, Shirts oder Smartphone-Cover, Kissenbezüge und Grußkarten.
„Finanziell dürfte der Zukauf von WhiteWall für Cewe kein besonderer Kraftakt sein. Das Unternehmen erzielte mit seinen Sparten Foto und Onlineprint im Geschäftsjahr 2018 einen Umsatz von 653 Mio. € – ein Plus von 9% gegenüber den 599 Mio. € des Vorjahres.“ – Bernd Zipper
Das ist aber klein Kleinkram. 2017 wurde der Markt für Wandbilder und Poster alleine in Deutschland mit 90 Mio. € beziffert. Dazu kommen 56 Mio. € für individuelle Fotokalender, 46 Mio. € für Postkarten und 28 Mio. € für Foto-Fun-Objekte. Zusammen mit den Umsätzen für Fotobücher (gesamt 303 Mio. € in Deutschland) ist das ein Markt von 523 Mio. €.
Der ehemalige Fotoentwickler Cewe mit seinen 3.900 Mitarbeitern ist inzwischen also zum reinen Drucker geworden. Deshalb war auch der Einstieg in Onlineprint ab dem Jahr 2010 nur logisch. Zu guten Teilen entstehen die Cewe-Umsätze inzwischen im E-Business Print, wo Cewe mit seinen Marken Saxoprint, viaprinto und Laserline erfolgreich unterwegs ist und ein gewaltiges Print-Potenzial bietet. Für Cewe war es ganz entscheidend, auch in Onlineprint eingestiegen zu sein. Denn nur Fotoartikel digital zu drucken, scheint heute nicht mehr ausreichend – und zu wenig margenträchtig. Inzwischen stagniert dieser Markt in Teilsegmenten sogar.
My Take: Bild und Druck gehören nun einmal untrennbar zusammen. Und es wird immer offensichtlicher, dass ehemals voneinander unabhängige Märkte immer enger zusammenwachsen. Dies gilt für Fotoanwendungen und Print ganz besonders. Denn das Drucken von Wandbildern oder Fotobüchern unterscheidet sich von handlichen Werbemitteln über Plakate bis hin zum Verpackungsdruck lediglich in der eingesetzten Drucktechnik. Aber beides wird erfolgreich via E-Commerce vertrieben. Dabei darf nicht unterschätzt werden, welche Synergien sich zwischen klassischen Fotoanwendungen und dem Online-Druck ergeben können. Denn die Verknüpfungen zwischen dem Foto-Business, Geschäftsdrucksachen, Broschüren, Bildbänden und anderen Printobjekten sind unübersehbar.
