Schon mal von einer „Physical API“ gehört? Kurz gesagt, eine solches Application Programming Interface (API) stellt eine Verbindung der virtuellen zur physischen Welt her. Dabei sorgt die API dafür, dass Dinge entstehen oder verschickt werden. Unter den Geschäftsmodellen von Firmen, die Physical APIs einsetzen, ist ein auffällig hoher Anteil an Onlinedruck-Services. Und meist sind es Startups, die nicht aus der Druckbranche stammen – und auch nicht aus Deutschland.

APIs wurden ja schon mal als die neue Infrastruktur des Internet bezeichnet. In der Tat verbinden APIs die Funktionalitäten eines Internet-Services mit denen eines anderen Services. Im Bereich Onlineshop sind da bekannte Beispiele die Einbindung eines Zahlungsdienstleisters oder der Zugriff auf Bilddatenbanken wie 123RF oder Fotolia per API. Der Endanwender sieht den Zusatzservice durch API-Integration im Frontend/User Interface seines gewählten Internet-Services. Eine Schnittstelle für APIs ist praktisch Standard (SOAP, REST), damit ein einzelner Lösungsanbieter für häufig nachgefragte Funktionen und Services das Rad nicht neu erfinden muss oder seinen eigenen Service einfach um sinnvolle Erweiterungen ergänzen kann.
Physical APIs sind nun diejenigen APIs, bei denen schließlich ein physikalisches Produkt entsteht oder bewegt wird. Die Einsatzgebiete von Physical APIs lassen sich grob in drei Bereiche unterteilen: Logistik, Fertigung und Druckerzeugnisse.
Bei Logistik haben alle großen Versandlogistiker wie DHL, Hermes oder dpd ihre eigenen API-Schnittstellen, es gibt aber auch Multi-Carrier-Lösungen wie Shipcloud oder LetMeShip, die sich in alle gängen E-Commerce-Systeme integrieren.
Zum Bereich Fertigung zähle ich auch die additive Fertigung (auch als 3D-Druck bekannt). Im Bereich Fertigung ist sogar die Konstruktion elektronischer Bauteile via API möglich – mit anschließender Fertigung wie bei Macrofab. Große 3D-Druck-Fertiger wie Sculpteo oder Shapeways zählen APIs zu wichtigen Standbeinen des Geschäftsmodells. Aus Deutschland wären beispielsweise der Schmuckhändler Juwelo TV und seine Mutterfirma Elumeo zu erwähnen, die über eine API einen Mass-Customization-Ansatz verfolgen, bei dem Kunden ihre Schmuckstücke individualisieren können. Gefertigt wird dann in Thailand.
Einen großen Bereich der Physical APIs nehmen aber Druckdienstleister ein, und ich habe auf beyond-print bereits mehrfach ein solches API-Business vorgestellt: Beispielsweise CanvasPop (USA), die im Bereich Fotoprodukte sich mit ihrem API-Business bei anderen Onlineshops andocken. Oder die API-Druckvermittler Pwinty (UK) und Peecho (Niederlande), die keine eigenen Druckmaschinen haben, sondern unter anderem bei Cewe oder RPI Print das Fulfillment, also das Drucken, erledigen lassen. Mimeo (USA) ist immerhin seit einigen Monaten mit einer deutschen Niederlassung unterwegs und bietet seine Office-Druck- und Distributionslösung als Mimeo Connect zur Integration via API an. Über den lettischen Startup-Inkubator Draugiem Group und sein API-basiertes Print-Fulfillment für Onlineshops Printful berichtete ich ebenfalls. Nach dem ersten Produktionsstandort in Kalifornien plant Printful nun einen zweiten in Zentraleuropa.
Und dann gibt es da noch so einige mehr, über die ich noch nicht geschrieben habe. Da gehen beispielweise ein ehemaliger Amazon- und ein ehemaliger Microsoft-Mitarbeiter mit ihrer Gründungsidee zur Bank und bekommen einen Kredit zur Anschaffung einer ersten Digitaldruckmaschine. Ihre Idee: Das Versenden von gedruckten Produkten wie Postkarten, Direct Mail, Briefen etc. – und natürlich personalisiert – so einfach zu machen wie das Versenden von E-Mails. Ihre 2013 gegründete Firma nennt sich Lob, sitzt in den USA, und setzt ausschließlich auf das Physical-API-Modell. Mittlerweile wollen die Unternehmensgründer auch Produkte wie T-Shirts und andere Promo-Produkte in ihr Sortiment aufnehmen.
Physical APIs aus dem deutschsprachigen Raum? Fast Fehlanzeige, und eine vertane Chance.
– Bernd Zipper
Unter den mehr als 80 Physical-API-Anwendungen von Druckdienstleistern, die ich bislang identifiziert habe, sind noch so einige interessante Lösungen zu nennen. Kite aus London bietet via API-Integration Standard-Druckprodukte wie Poster, Fotoabzüge oder Sticker an – und setzt von Anfang an auf Integration im mobilen Web. QiQ, ebenfalls aus Großbritannien, ist ein inzwischen etablierter API-Partner für gedruckte Mailings. Überhaupt scheint Großbritannien das Zentrum der europäischen Entwicklung bei Physical APIs zu sein. Auch der bekannte britische Onlinedrucker Moo wartet mit API-Integration auf.
Das ist etwas, was ich in der deutschsprachigen Landschaft des Onlinedrucks kaum zu Gesicht bekomme. Abgesehen von der Sparte Fotobuch tut sich hierzulande herzlich wenig. Keine der bekannten großen Onlinedruckereien und kaum einer der kleineren Marktteilnehmer im deutschsprachigen Raum hat einen Physical-API-Service online. Immerhin finden sich hierzulande einige Fulfillment-Partner, aber zu einer eigenen Geschäftsidee wird dies noch kaum gemacht. Vertane Chancen.