Im Gespräch mit zipcon-Partner John Parsons schauen wir den US Online-Print Markt mal genauer an – John ist Partner und Kollege von zipcon consulting im zipcon Büro Seattle und einer der führenden Consultants in USA, wenn es um den Bereich Print geht. Mit John verbindet mich auch eine gemeinsame Vergangenheit. Als Editorial Director des Seybold Reports unterstützte er seinerzeit meine ersten Gehversuche in den USA.
Bernd Zipper: John, du beschäftigst dich schon lange mit Online-Print und den Techniken dahinter. Wann hast du damit angefangen, und wohin geht deiner Meinung nach zukünftig die Entwicklung in den USA?
John Parsons: Als ich bei Seybold angefangen habe, auf der drupa 2000, wurde es noch Print-E-Commerce und später Web-to-Print genannt. Alle waren entweder begeistert oder aber beunruhigt, dass das Internet das Drucken für immer verändern wird. Vor dem Dot.com-Crash habe ich die Situation bei weit mehr als 100 Unternehmen verfolgt, welche meinten, alle Antworten in Sachen E-Business Print geben zu können.
Bernd Zipper: Was ist geschehen?
John Parsons: In einigen Fällen hat die Technik einfach nicht die Erwartungen erfüllt, oder die Entwickler haben zu viel auf einmal ausprobiert. Darüber hinaus haben viele Unternehmen im Markt gerade in der Frühphase das Printgeschäft nicht wirklich verstanden. Sie haben den Widerstand gegen die Technik unterschätzt, ja gegen alles, was den qualifizierten Print-Anbietern die Kontrolle entreißen würde und insbesondere alles, was das Drucken zu einer reinen Massenware machen würde.
Bernd Zipper: Technische Verfahren sollen doch Kosten senken und mehr Effizienz bringen. Was ist falsch daran, über das Internet den Printdesignern und Auftraggebern mehr Kontrolle zu geben?
John Parsons: Überhaupt nichts. Die Online-Printtechnik bringt, was Desktop Publishing in den 1980er-Jahren brachte, kürzere Zeiten vom Design bis zum Output, wodurch die Anzahl der Aufgaben reduziert wird und mehr Aufgaben „upstream“ der Person zugewiesen werden, welche Print als Kommunikationsmodell nutzen möchte. Ja, sie bringt für die Printunternehmen Veränderungen mit sich, aber dies gilt für jede Medientechnologie. Sie ist jetzt eine genauso bahnbrechende Neuerung, wie sie es damals war.
Bernd Zipper: Wie ist deiner Meinung nach die Situation im Bereich Online-Print in den USA, gibt es gravierende Unterschiede zu Europa?
John Parsons: In vielerlei Hinsicht ist es dasselbe, insbesondere im Bereich B2B. In diesem Bereich erhöhen sich Volumina und Komplexität. Die Unternehmen überall auf der Welt möchten die Kontrolle über ihren Marketing-Kommunikationskanal haben, wobei sie ihre Markenidentität wahren und zugleich die Kosten und die Bearbeitungszeiten für alle Medien, nicht nur Print, reduzieren. Für sie geht Online-Druck sehr stark mit der Erstellung und Verwaltung von Dokumentenvorlagen, die auf Wunsch individuell gestaltet werden, sowie mit der zielorientierteren und kosteneffizienteren Produktion von gedruckten Dokumenten mit Zusatzdaten oder variablen Daten einher. Sie benötigen darüber hinaus ein stabiles System zur Asset-Verwaltung, nicht nur für die individuelle Print-Gestaltung, sondern auch für den digitalen Output, wie E-Mail- und Social-Media-Kampagnen, Landingpages und mobile Microsites.
Bernd Zipper: Wie steht es mit den Verbrauchern und den kleinen Unternehmen? Sicherlich besteht hier eine große Nachfrage an Druckerzeugnissen jeglicher Art.
John Parsons: Der Online-Druck ist im Bereich B2C und für kleine Unternehmen in den USA sehr wichtig. Es gibt immer mehr verschiedenartige Druckaufträge, die sich alle unterscheiden und die üblicherweise kleine Stückzahlen umfassen. Fast alle diese Aufträge werden digital gedruckt. Es besteht im Allgemeinen ein großer Bedarf an kreativer Kontrolle durch den Print-Auftraggeber. Die Lieferung soll außerdem sofort erfolgen und zu extrem niedrigen Preisen. Für viele kommerzielle Print-Anbieter ist der Online-Druck oder Web-to-Print die einzige Möglichkeit, diese Anforderungen erfüllen zu können und weiter im Geschäft zu bleiben.
Bernd Zipper: Sag mal, welche Bedeutung hat das auf das Online-Editieren? Muss das Online-Drucksystem etwa InDesign nur über einem Browser ersetzen?
John Parsons: Üblicherweise nicht, das Editieren muss jedoch flexibel erfolgen. Dokumentenvorlagen können für planbare Aufträge wie Visitenkarten geeignet sein, in den meisten Fällen muss jedoch mehr Raum für Kreativität vorhanden sein. Das Editieren muss eine natürliche Erweiterung dessen sein, was der Print-Auftraggeber gewohnt ist. Wenn es sich um InDesign, Illustrator oder sogar Microsoft Publisher handelt, muss das Online-Drucksystem sinnvoll die bestehende Arbeitsweise des Designers ergänzen.
Bernd Zipper: Wie sieht es mit der Proof-Erstellung und der Freigabe aus?
John Parsons: Das ist in den USA nicht anders als in Europa. Die Kunden möchten, bevor sie den Auftrag erteilen, auf dem Bildschirm sehen, was sie bekommen, je genauer desto besser. Im Bereich B2C bedeutet dies eine Entwicklung weg von Flash und hin zu HTML5 und CSS3. Die Kunden wollen einen Auftrag auf ihren Mobilgeräten zuvor ansehen, nicht nur auf ihrem Desktop-PC. Bei B2B benötigt man darüber hinaus mehrere Ebenen der Prüfung und Freigabe.
Bernd Zipper: Wo siehst du bei alledem die Chancen für Druckereien? Ist Online-Print eine Gefahr oder eine Chance für Print-Anbieter in den USA?
John Parsons: Aufgrund der steigenden Akzeptanz würde ich sagen, dass er eine Chance darstellt, allerdings in erster Linie für Print-Anbieter, die für eine Änderung ihres Geschäftsmodells offen sind. Eine Digital Storefront zu schaffen und einem breiteren Kundenkreis Print zu verkaufen, ist immer eine gute Idee. Allerdings umfasst Online-Druck auch so viel mehr. Die Print-Auftraggeber haben stets Partnerschaften in der Printwelt angestrebt. Die Druckereien haben von jeher mit Serviceleistungen, wie Bestandsmanagement und Versand sowie Designleistungen, reagiert, welche ihr Angebot am besten ergänzten. Online-Print bietet Print-Anbietern weitere Chancen, einen Mehrwert zu bieten, nicht nur Zeit und Kosten zu sparen.
Eine bahnbrechende Neuerung stellt im Allgemeinen eine Bedrohung für Unternehmen dar, die keinen Wandel wollen. Mit dem Online-Druck entfallen viele Schritte, die früher Profitcenter waren, aber er eröffnet den Druckereien auch neue Möglichkeiten. Es liegt an ihnen, das Risiko einzugehen und ihr Geschäftsmodell neu zu erfinden.
Bernd Zipper: John, vielen Dank für das Gespräch und Einblicke in den US-Print Markt.