President 2.0

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Weil er nicht so aussieht wie ein alter Sack, wurde er von der Jugend der USA gewählt. Nein, diese Ansicht greift zu kurz. Denn die Obama-Wahlkampf-Kampagne hat eine Begeisterung ausgelöst, die nur zufällig mit Politik zu tun hat. Mit gleicher Begeisterung haben die Kids schon um die Beatles gekreischt oder einst beim Weltjugendtag in Köln, als Beeeee-ne-detto kam.

Obamas Wahlkampagne ist eine astreine Community-mach_mit-gemeinsam_sind_wir_stark-Erweckungsbewegung. Mit einem unglaublichen Geschick haben die Kampagnen-Architekten alles eingespannt, was Jugend-Kommunikations-Kult ist: SMS, Emails, Blogs, interaktive Votings, Links ohne Ende, Mobilphone-Schnickschnack rauf und runter.

Zum ersten Mal haben (junge) Wähler erlebt, dass Wählen auch Spaß machen kann. Ziemlich egal, wen und für welchen Posten, Hauptsache Begeisterung, Hauptsache Let‘s do it, Hauptsache Friede, Freude, Neue Welt.

Seine Rede kurz nach dem Wahlergebnis im Park von Chicago: das war Woodstock 2.0; mediales Flower-power. Mail-Junkies wurden zu Schöne-Zukunft-Hippies. Die Inszenierung war der Zweck der Wahl, der einzelne froh, Teil des Ganzen zu sein, wissend, dass man alleine ein Nichts wäre.

Obama hat das Rennen um die Präsidentschaft der USA 2008 gewonnen, weil seine Berater medial alles richtig gemacht haben. In ihm den richtigen Darsteller eines Präsidentschafts-Kandidaten gefunden, der gleichzeitig talentiert und intelligent genug ist, die Sätze, die er erkennbar ausschließlich vom Teleprompter abliest, so klingen zu lassen, als sei er selbst davon überzeugt. Kein Model auf dem Catwalk hätte geschickter eine Grande Dame inszenieren können wie der katzenelastisch federnd-dynamisch daherschreitende Kerl, der auch bei den Chicago Bulls eine gute Figur machen würde. Und siehe da: kein falscher Scheinwerfer-Schattenwurf, keine Kamera wackelte, kein Bild-Umschnitt mit auch nur einem winzigen Makel, das Mikrofon sauber klingend wie im Studio – nach tausend Wahlkampfauftritten gleicher fehlerfreier Qualität auch der in der tausendundeinten Nacht.

Obama hat gewonnen, weil nicht das Wählen das Wichtige war, sondern die Vorbereitung der Wahl. Weil millionen Begeisterte den Wahlhelfer für David sein konnten, der es mit Goliath aufnimmt und dem die helfenden Geister magische Kraft verleihen – Harry Potter ist dramaturgisch ähnlich aufgebaut. Obama hat gewonnen, wie auch jeder Dorfgesangsverein große Feste feiert: Je mehr Mitwirkende man hat, desto voller der Saal, weil jeder Mitwirkende 10 Familienangehörige mitbringt, mindestens. Zigmillionen Blogger, Emailer, Phoner, Flyer-Verteiler, Fähnchenschwinger, Event-Begleiter – das gibt eben über hundertmillionen Mitglieder der Obama-for-president-Familie. Yes, we can. WE VOTE FOR OURSELF. WE ARE ALL OBAMA.

Das Spiel ist alt, die Schauspieler, Texte, Inszenierungen und Szenenbilder wechseln, passen sich der Zeit an: Im Altertum die Kriege und Schlachten, aus denen die Sieger gottgleich hervorgingen. Die Griechen und ihr olympisches Idealbild. Die Römer mit pane et circensis, gebt dem Volk Brot und Spiele. Im Mittelalter die Kreuzzüge und religiöser Wahn im Alltagsleben. Das Dritte Reich Deutschlands mit einer menschenverachtenden, aber wirkungzeigenden Massen-Demagogie, Pop-Kultur in unendlichen Varianten im Flegelalter von Schallplatte, Fernsehen und Bühnenshows, und eben jetzt: Obama, Oba me.

Nun wünsche ich mir den nächsten Schritt: Government 2.0. Die Regierung zum Mitmachen. Chatrooms statt Kabinettssitzungen. Foren statt Parlamentsdebatten. Visits-Zähler statt Abstimmungen. Analog zu viralem Marketing: viral politiking. Volksentscheide? Klar doch, schick Deine SMS mit „Yes“ or „No“ an dreimal die neun, viermal die … Nur 0,19 Cent pro voting aus allen Ortsnetzen, plus einmal 9,99 Euro als Zählgebühr.

Obama. Hollywood muss sich warm anziehen. Denn will man dort etwas inszenieren, was den medialen Obamaismus übertrifft, werden das unglaubwürdige, kitschige Filme. The era of Obama ist medial-kommunikatives cutting edge.

Wenn Obama jetzt noch, als krönenden Abschluss, im Oval Office des White House einen Apple aufstellt, o man, dann, Obama, dann skypen wir mal. Abgemacht?

Gründer und CEO von zipcon consulting GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen für die Druck- und Medienindustrie in Mitteleuropa. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater und sein Team aktiv die praktische Umsetzung. Er entwickelt Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure der unterschiedlichsten Branchen. Seine Fachgebiete sind u.a. Online-Print, Mass Customization, Strategie- und Technologie Assessment für Print, sowie die Entwicklung neuer Strategien im Print- und Mediaumfeld. Bernd Zipper ist Initiator und Vorsitzender der Initiative Online Print e.V. und neben seiner Beratertätigkeit Autor, Dozent sowie gefragter Referent, Redner und Moderator. Seine visionären Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen für die Druck- und Medienindustrie. (Profile auch bei Xing, LinkedIn).

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