Alle Jahre wieder hört man sie unken, die „Onliner“ – die „Digitalen“ – Print sei doch tot. Ich sehe das anders: Wir stehen kurz vor einer der Renaissance des Drucks. Es gibt Themen genug, die dies belegen und die der Druckindustrie 2.0 den Weg ebnen.
Manchmal nervt es mich schon, wenn ich sogenannte „Marketingexperten“ von reinen Digitalstrategien reden höre und „dass Druck sich einfach nicht lohne“. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Auch im Druck hält die digitale Transformation Einzug – Umdenken ist gefragt! Das ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Ersetzen von Print, was der eine oder andere falsch versteht – und Wert und Potenziale des Drucks falsch einschätzt. Print hat Vorteile, die bleiben. Die Regeln und Erwartungen ändern sich jedoch, und zwar in manchen Teilen mehr, in anderen weniger. Um in der Hinsicht nochmal für Klarheit zu sorgen, möchte ich hier mal anhand einiger Beispiele meine Sicht auf die Dinge zeigen.
„Grundsätzliche“ Vorteile von Print
Nur kurzzeitig verfügbar, überladen, reizüberflutend – das sind alles Attribute, die auf gedruckte Produkte nicht zutreffen. Im Gegenteil! Lesen und Wahrnehmen auf Papier reduziert Stress und ist grundsätzlich von längerer Dauer als auf Bildschirmen, was auch die jüngere Generation der Digital Natives zu schätzen weiß. Denn laut der aktuellen Kinder-Medien-Studie (IFH Consumer Barometer) nimmt das Lesen auf Papier für die bis 13-Jährigen eine herausragende Bedeutung ein. Gedruckte Inhalte haben also nicht nur für die ältere Generation einen besonderen Wert. Die Verbundenheit zu Zeitschriften, Büchern und Co. besteht weiter. Denn sinnlich ist sie, die Wahrnehmung, die beim Lesen gedruckter Bücher erfahrbar wird. Ein Vorteil, den Printmedien nie verlieren werden. Und genau aus diesem Grund lehnen fast zwei Drittel der in einer Bitkom-Studie aus Oktober 2017 Befragten das Lesen von E-Books ab. Aber auch im Hinblick auf die stagnierenden – zum Teil rückgängigen – Zahlen zu der Menge an E-Book-Lesern braucht sich der haptische Büchermarkt nicht zu verstecken. Was mich bei der Lektüre der Studie auch in keiner Weise gewundert hat ist, dass Bücherempfehlungen deutlich eher Teil der Kommunikation zwischen Verwandten und Freunden sind als E-Book-Titel. Und das Praktische ist dabei, dass die empfohlene Printausgabe ausgeliehen und bei Gefallen nachgekauft werden kann, was bei elektronischen Büchern grundsätzlich entfällt. Print schafft Vertrauen und verbindet – und das lässt sich eben nicht durch Schnelligkeit in der Inhaltsbeschaffung kompensieren. Damit komme ich auch zu meinem zweiten Punkt…

Zeitungen, Anzeigenblätter und Mailings – Nachrichten und Werbung mit Print
Nehmen wir mal den Nachrichtenmarkt: Je schneller eine digitale Meldung verbreitet wird, umso eher ist sie auch ersetzbar. Oft geht es nicht mehr um investigativ recherchiertes Material, sondern nur um die Schnelligkeit – das Vertrauen in das übermittelnde Medium steigt dadurch nicht, sondern sinkt. Umso ärgerlicher ist es dann, dass der Zeitungsmarkt darunter leidet und schrumpft. Schwer nachvollziehbar, da die gedruckte Zeitung immer noch die höchste Vertrauens- bzw. Glaubwürdigkeit genießt. Was sich deshalb abzeichnet: In Zeiten von übereilten Meldungen, Fake News und Konsorten stagniert der Rückgang des Zeitungsdrucks. Und mal losgelöst davon: An dem Argument, dass Zeitungen nicht „aktuell und individuell genug“ seien, braucht sich doch niemand festzuklammern. Denn es ist doch gerade das Vertrauen in die belastbareren Print-Informationen, das die Leserschaft schätzt. Ganz interessant ist dann noch zu sehen, dass mittlerweile für den Bereich Massenindividualisierung von Print-Katalogen Softwarelösungen den Markt bereichern. Ein Beispiel hierfür ist die automatische Layout-Software von AutLay, einem Projekt-Start-up der Uni Köln. Mit dem Softwareangebot sollen zukünftig verkaufsfördernde Kataloglayouts auf Basis digitaler Daten direkt in Printversionen überführt werden können, automatisiert und ganz ohne Template-Basis. Laut Aussage des Start-ups wären damit auch individualisierte Zeitungen möglich – für Katalogproduzenten und Verleger deshalb sicher eine interessante Möglichkeit, um mehr Kunden effektiv mit Print – zielgruppengerecht – zu adressieren.
„Printprodukte haben den Vorteil, dass sie nicht nur die sinnlichen Vorteile gegenüber anderen Medien vermitteln – mit Print kann auch auf Veränderungen im Nachfrageverhalten reagiert werden. Solange Drucker und Publisher dies nutzen, bleibt Print ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft und der Lebenswelt aller Menschen.“ – Bernd Zipper
Neben der höheren Vertrauenswürdigkeit schafft Print zudem eine effektive und nachhaltige Kommunikation, starke Markenbotschaften und inhaltliche Tiefe. Woran mache ich das fest? Man braucht sich nur die Werbeausgaben für die verschiedenen Medientypen anschauen: Der Bereich Mobile wächst am stärksten (2016 um 72 % ggü. 2015) und die Werbeausgaben für das Fernsehen wurden im letzten Jahr wieder erhöht (+ 6,8 %). Trotz dessen finden die Rezipienten Werbeanzeigen in Tageszeitungen und Zeitschriften interessanter als solche aus dem Fernsehen und viel interessanter als Internetwerbung. Klar, Onlinewerbung ist günstig. Nur kann die auch geblockt werden, ohne dass der potenzielle Rezipient den Inhalt überhaupt zu Gesicht bekommt. Gleiches gilt für die Themen Glaubwürdigkeit und Informationsgehalt – das Verhältnis ist hier noch viel klarer. Dazu kommt, dass Fernsehen und allgemeine Internetwerbung im Gegenzug mehr als doppelt so häufig wie Printwerbung als lästig und nicht beachtenswert empfunden wird (Quelle: Nielsen und brand eins). Das ist nicht nur für mich ein Zeichen dafür, dass Kunden von Print auf einem anderen qualitativen Niveau angesprochen werden – und auch in Zukunft angesprochen werden wollen.

Gedruckte Anzeigen kosten zwar mehr und sind geringfügig weniger präsent als digitale. Aber: Die Responserate im personalisierten Print-Direktmailing liegt doppelt so hoch wie die aller digitalen Kanäle zusammen! So günstig und einfach zu streuen sie zu sein scheint: Onlinewerbung nervt viele – deshalb wird ab dem kommenden Jahr etwa 30 % der Internetgemeinde (umgerechnet ein Viertel der Deutschen) Ad-Blocker nutzen – und die digitale Werbung etwa doppelt so häufig ablehnen wie Anzeigenblätter und Co. (Quellen: Statista, Internetworld). Weg ist der vermeintliche „Kostenvorteil“. Auch Anbieter im E-Commerce können sich den Printkanal zunutze machen und auf den physischen Touchpoint setzen, beispielsweise mit der Erstellung wirklich effektiver Mailingkampagnen. Nahe an dem sind z.B. auch personalisierte Paketbeileger, über die ich bereits berichtet habe. Dabei handelt es sich nicht um ungefragt übermittelte Werbung. Produktbundling lässt sich mit den personalisierten Begleitschreiben genauso effektiv vermitteln wie zum Produkt passende Tipps, mit denen sich die Adressierten auch wirklich auseinandersetzen. Qualität eben, die Print vermitteln kann – und in die es sich lohnt zu investieren.
Mass Customization und Premiumdruck
Immer mehr Druck-spezifische und Druck-nahe Produkte stoßen in das Premiumsegment vor. Qualität äußert sich nicht nur in der Optik und Haptik. Dem steigenden Anspruch kann auch mit dem Einbezug elektronischer Helfer wie Sensoren etc. entgegnet werden. Printmöglichkeiten hierfür gibt es reichlich – und entwickelt wird in dem Bereich auch fleißig. Davon habe ich mich unter anderem bei meinem letzten Besuch der Luxepack wieder vergewissern können. Dabei muss es noch nicht mal die hochveredelte Verpackung sein. Die Möglichkeit für den individuellen Zuschnitt bei gewohnt hoher Qualität ist hier viel wichtiger – egal, ob bei Verpackungen, Mailings, Akzidenzen oder Geschenkartikeln. Ideen und Produktionsoptionen dafür gibt es im Druckumfeld reichlich, darauf wird auch die Zukunft des Drucks fußen.

Ich bin zuversichtlich, dass mit Print auch das steigende Bedürfnis nach maßgenschneiderten Produkten befriedigt werden kann. Die Wertschöpfung bei kleinen und Kleinstauflagen wird technologiebedingt besser und ich erkenne bei vielen Druckern und Weiterverarbeitern, dass „umgedacht“ wird. Der nette Nebeneffekt von zugeschnittenen Produkten: Kunden sind bereit dazu, mehr für besondere und personalisierte Printprodukte zu zahlen, weil sie die Wertigkeit und Ansprache schätzen. Und die Aussichten, die auch neue digitale Verfahren für den Druck schaffen, sind gut. Sehr gut. Man denke hier nur an die Personalisierungsmöglichkeiten im Verpackungs- und Textildruck, die für den B2B- und den B2C-Markt auch weiterhin enormes Potenzial schaffen. Der digitale Textildruck wird laut Smithers Pira bis 2021 jährliche Wachstumsraten von deutlich mehr als 10 % erreichen. Dabei werden Print-on-Demand-Bekleidung und -Innenausstattung den größten Anteil an der Verdopplung dieses Marktsegments bis 2021 beitragen. Und Beispiele dafür, dass nicht nur die großen Player weiterwachsen, sondern auch kleine mit tollen Ideen für Umsatz im Textildruck sorgen, habe ich in diesem Jahr hier auf beyond-print bereits mehrfach gezeigt. Und auch der Digitaldruck-getriebene Fotodruckmarkt wächst beständig. Vor allem Kalender, Fotobücher und Fotogeschenke bescheren den Anbietern hohe Umsätze.
Aber – und dass muss sich ein jeder der mit Printtechnologien unterwegs ist, verinnerlichen – auch wenn Print vor einer echten Renaissance steht, wenn sich die „Old-Fashion“-Druckindustrie nicht den neuen Zeiten anpasst und transformiert, wird sie nicht Nutznießer dieser Entwicklung werden. Vielmehr werden die vielen Online-Printer und transformierten Unternehmen den Markt übernehmen und jeden der sich nicht anpasst oder eigene Rezepte entwickelt kurzerhand aus der Industrie pusten… auch wenn er vielleicht grad eine neue Maschine gekauft hat ?
My Take: Printprodukte – egal ob Kataloge, Zeitungsbeilagen, Flyer oder großflächig aktivierende Werbung auf Papier – erzeugen aufgrund der besonderen emotionalen Ansprache bei vielen B2B- und B2C-Kunden erst die Kaufabsicht. Sie werden von Vielen als inspirierend empfunden – ein Gefühl, das sich auch in Zukunft nicht ersetzen lässt. Es ist also Nonsens zu behaupten, dass sich Investitionen – auch in Print-Werbemittel – nicht rentieren würden. Meine Begeisterung für Print ist kein Zweckoptimismus, sondern beruht auf echtem Vertrauen in das Medium. Vertrauen, das ich aus meinem Berateralltag mitnehme, wenn ich sehe, wie intensiv aufstrebende und etablierte Unternehmen aus dem Druckumfeld auf die Stärken von Print setzen und diese erfolgreich weiterentwickeln. Wer sich den Druckmarkt als Ganzes ansieht erkennt, dass es mehr Verschiebungen als Verluste gibt. Und auf diese Verschiebungen gilt es weiterhin angemessen zu reagieren – ob es nun Print-on-Demand ist, die verstärkte Nachfrage nach personalisierbaren Produkten oder die Verbindung von Print und Digital. Konzepte und technologische Umsetzungsmöglichkeiten dafür gibt es genug – wir müssen sie nur anwenden und Print richtig platzieren. Denn: Die Welt ist nicht schwarz/weiß – es gibt sie nicht die „eine“ Strategie zum Erreichen des Kunden. So vielfältig potentielle Kunden/Leser/Rezipienten vorhandene Medienkanäle nutzen – so vielfältig sind auch die Wege zum Empfänger – der richtige Mix macht es. Nichts anderes.
Discussion3 Kommentare
Sehr gut geschrieben.
Leider vergessen wir das zu oft in den Wirren des Alttags…;-)
Es gibt immer noch vielen Chancen in unserer schönen Branche, aber die kommen halt nicht von Alleine.
Nach vorne schauen ist angesagt und nicht immer den guten alten Zeiten hinterher trauern!
Gut geschrieben. Gibt es auch auf English?
Ja. Morgen/Übermorgen – Gruß Bernd