Prognose 2017: Milliardenmarkt Online-Print wächst radikal weiter

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Weiteres Wachstum im Online-Print auf Kosten kleinerer Anbieter – neue Strategien sind gefragt.

Ich mag Jahresrückblicke nicht, die ja neuerdings schon im Oktober im TV „versendet“ werden – daher gönne ich mir und den Lesern von beyond-print.de einfach mal eine Jahresprognose für das Jahr 2017. Und das, lieber Leser, ist gar nicht so einfach – der Blick in die Glaskugel wird für 2017 etwas komplexer …

Was wird im Online-Print Markt passieren?

2015 und 2016 haben die großen Player durch Zukäufe und durch „frisches Geld“ ihre Marktposition gesichert. Besonders in Mode ist es gekommen, hochprofitable Unternehmen zu erwerben und so die Gesamterlössituation zu verbessern. Das ist nicht falsch – und hilft, besonders den kapitalkräftigen Online-Printern, schneller zu wachsen und so den Abstand zu etwaigen Verfolgern im Markt zu vergrößern. Aber, damit dies kein Pyrrhussieg wird, ist jeder Kauf eine Verpflichtung zum schnellen Handeln. Strategien müssen angepasst und neue Ideen realisiert werden. Lässt sich ein Käufer allzu lange damit Zeit, wird es schwierig den Erfolg des gerade einverleibten Unternehmens fortzuschreiben. Oft muss noch Geld nachgeschossen werden, da die Integration in das kaufende Unternehmen unterschätzt wurde.

Generell kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die großen Online-Printer im Jahr 2017 weiter wachsen werden. Ambitionierte Ziele von 14-18% Wachstum können aufgrund der Marktlage und der weiteren Öffnung von Kunden in Richtung Online-Print durchaus realisiert werden, wenn man denn den Kunden erreicht …

Und gerade dieses „Erreichen des Kunden“ wird – natürlich – komplexer. Da reicht es nicht, wenn die großen Anbieter noch mehr Produkte präsentieren, das eine oder andere Experiment wagen oder sich sonst wie innovativ geben. Es ist Zeit sich weiter zu professionalisieren – mobile Kanäle werden immer wichtiger, der Kunde möchte nicht nur plump „billig“ drucken – sondern mit einer passenden Customer Journey auf seiner Reise durch den Online-Printshop abgeholt werden. Und das, so muss man leider attestieren, können die meisten Online-Printer noch nicht. Abgesehen vom Weltmarktführer und dem deutschen Marktführer hat dies noch niemand so richtig verinnerlicht.

Spannend ist auf alle Fälle, wie sich der E-Commerce-Riese Amazon in Zukunft im Markt verhalten wird. Mein Team hat mir von Tests in Sachen Mass Customization, Fotobuch, Visitenkarten und Office-Drucksachen in verschiedenen Ländern berichtet und mir Beispiele gezeigt, die enorm spannend sind und den Marktführer Cimpress weiter unter Druck setzen dürften. Cimpress hat sich mit großem Aufwand im Bereich Mass Customization im Markt positioniert, und muss langsam aber sicher „abliefern“. Ich bin mehr als zuversichtlich, das Keane und seine Mannschaft das hinbekommen, Fehler dürfen sie sich aber nicht leisten. Der jüngste Neuerwerb NPC, den man nicht als „Kugelschreiberdrucker“ unterschätzen sollte, ist hier vielversprechend – bringt aber auch wieder das gute alte „Integrationsthema“ zurück.

Für mich ist es nur eine Frage der Zeit, wann Amazon im Druckmarkt eine größere Rolle spielen wird. Ich glaube dass dort längst verstanden wurde, wie gut man mit zielgruppengerechten Angeboten und gescheitem E-Commerce mit der Kommunikationsstruktur „Print“ Geld verdienen kann. Und da meine ich nicht nur bedruckte Tassen – sondern vor allem den Bereich Commodity-Printing, also das was man 08/15-standardisieren kann. Hier liegen noch ungeahnte Wachstumsquellen – die sobald sie für den Kunden bequem anwendbar sind – schnell auch von einem „Non-Printer“ wie Amazon angeboten werden können. Leidtragende werden hier aber weniger die großen Online-Printer sein (na ja, wenn sie sich keinen Fehler leisten), sondern die Offline-Drucker um die Ecke.

Der Onlinedruck wird 2017 die ganze Branche revolutionieren oder besser evolutionieren.
Der Onlinedruck wird 2017 die ganze Branche revolutionieren oder besser evolutionieren.

Was passiert 2017 mit dem Offline-Print?

Es dürfte weiter anstrengend werden für die Kollegen im Offline-Print. Sehr anstrengend. Neben dem von mir schon gern erwähnten Zwang zur Digitaltransformation – geht es bei den „transformations-willigen“ Druckern oft nicht schnell genug mit der Transformation in Richtung Online-Anbieter. Ja, und bevor Sie jetzt sagen „ich will ja gar kein Online-Printer werden“ – nur eine kurze Definition des Themas Online-Anbieter: Ich sehe jeden Drucker der seine I/O-Prozesse mittels Online-Portal, Online-Shop oder als online-angebundener Drucker realisiert, als Online-Anbieter. Gut, man könnte sagen, dass ist aber weit gefasst – aber im Vergleich zu denen die gar nichts tun, ist dies zumindest schon mal ein Anfang. Ich liebe Print sehr und bin sehr bedrückt, dass viele Druck-Unternehmer noch immer nicht das Thema Digitaltransformation angegangen sind und daher früher oder später auf der Strecke bleiben werden. Und ehrlich gesagt, mir geht auch die Arroganz von einigen Drucker auf den Keks, die mir dann vorrechnen wieviel Umsatz sie machen und das ihre Kunden „Online-Druck gar nicht wollen“. Ich rate dann gerne dazu, doch einfach mal 15 Jahre in das Vor-Amazon-Zeitalter zurückzudenken und sich so manche Innenstadt heute zu verinnerlichen. Vor 15 Jahren waren es die Einzelhändler die E-Commerce komplett unterschätzt haben …

So dürfte es dann wohl auch kaum verwunderlich sein, dass ich klar ein weiteres Druckereien-Sterben sehe. Gerade in D/A/CH dürfte es grausam werden. In unserem Markt gibt es einige Printbroker die mit extrem niedrigen Preisen unterwegs sind. Diese Preise werden meist zu Lasten der produzierenden Zulieferer realisiert – und es ist nur eine Frage der Zeit, wann da wem die Luft ausgeht. Die Insolvenzen im Jahr 2016 zeigen ja bereits einige Opfer dieses rücksichtslosen Spiels. Aber, und das mag dann doch den einen oder anderen ein wenig beruhigen, dieses Spiel ist endlich – denn irgendwann macht da keiner mehr mit.

Und dennoch: Bis 2020 wird es eine harte, grausame Zeit für die Druckunternehmer die E-Commerce und B2B-Portal noch für Spielzeug halten – hier gilt es mit Nachdruck und Volldampf alle Kräfte in Richtung Digitalisierung zu treiben und eigene Strategien zu entwickeln.

 Was passiert mit den Druckern die 2017 schon auf dem richtigen Weg sind?

Im Beratungsgeschäft nennen wir die Drucker die auf dem Weg zur Digitalisierung sind „Transformatoren“ – und das dürfte es recht genau treffen. Unternehmen die jetzt schon auf dem Weg in Richtung Transformation sind, sollten ihren Kurs beibehalten und nicht vergessen, dass noch nie ein Geschäftsmodell vom Himmel gefallen ist. Und Erfolg schon gar nicht. Der lange Weg zum B2B-Onlinedrucker oder zum echten Player im Online-Markt ist immer eine Kombination von Disziplin, Willen und dem notwendigen Mindset – und, ok, ein wenig Kapital darf es auch sein. Ein Rezept das mit der Digitalisierung einhergeht, ist aber auf jeden Fall die Print-Automatisierung. Wer einmal gesehen hat mit welcher Performance ein Unternehmen loslegen kann, wenn es über die neusten Maschinen verfügt – der versteht, dass man Druck auch günstig anbieten kann. Unternehmen die das Automatisierungsrennen nicht mitmachen können, müssen sich dringend entweder einen passenden Partner suchen – oder eine eigene Strategie entwickeln.

Spannend wird es für die vielen „kleineren“ Online-Drucker. Während die großen Anbieter weiterhin mit einem beeindruckenden Produktportfolio und einem massiven Marketing glänzen können, nutzen viele kleinere Anbieter die Stärke der Region und positionieren sich als Anbieter in einer Stadt oder einer Region. Andere Anbieter suchen ihr Glück erfolgreich in der Nische oder als Service-Partner. Nur diejenigen, die es verstehen ihre Angebote mit einem agilen E-Commerce-Angebot oder einem flexiblen B2B-Portal zu kombinieren und E-Business wirklich verstehen, werden 2017 weiter wachsen. Insbesondere wenn sie sich als Spezialist positionieren können, haben sie gute Chancen den großen Anbietern Paroli zu bieten. Aber Vorsicht: Erfolgreiche Unternehmen haben nicht nur eine Verkaufsidee, sondern nutzen alle Möglichkeiten des Vertriebs. Denn nur weil man grad einen Onlineshop hat, sollte man andere Bemühungen um den Kunden nicht einstellen, sondern das Portal oder den Shop zum umfassenden Serviceportal ausbauen. Die Wachstumsraten im kleinen bis mittleren Bereich werden nicht so hoch liegen, wie bei den ganz großen Onlineprintern – aber 5-10% sind drin, wenn man E-Commerce und Co. gescheit einsetzt.

Online Print ist der Faktor der digitalen Transformation für Print
Online Print ist der Faktor der digitalen Transformation für Print

Und was passiert mit dem Kunden?

Tja – wir beobachten immer mehr, dass selbst sehr treue Kunden von analogen Druckern mehr und mehr verstehen, dass es sich lohnt mit Druckern zusammenzuarbeiten die das Thema digitale Transformation schon verstanden haben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Bequeme Datenlieferung, schnelle Abstimmungen, schnelle Lieferung … und so schauen viele „Mein-Kunde-will-das-nicht“-Drucker in die Röhre, und das nur weil sie sich selbst nicht vorstellen können, wie sie das Thema E-Business angehen sollen. Und woher will der Zipper das jetzt wieder wissen? Ganz einfach: Wir schauen uns die Ausschreibungen im Printbereich sehr gut an – und siehe da, Gewinner – wenn es um langfristige Jobvergabe vom Kunden geht – sind immer Unternehmen die bereits schon B2B-Portale betreiben. Letztlich wird der Kunde im Jahr 2017 noch bequemer und das Kundenverhalten wird sich weiter diversifizieren. Selbst Kultmarken wie Flyeralarm, sollten hier aufpassen: One-Stop-Shopping ist für viele Kunden eine coole Angelegenheit – aber Benutzerführung, mobile Lösungen und neue Angebote auch.

Und ein weiteres Thema beschleunigt die Veränderung des Kundenverhaltens. Die Forschungsabteilung der KfW (KfW Research) hat schon im Jahr 2015 eine interessante Studie veröffentlicht. Demnach suchen bis zu 580.000 Mittelständler einen Nachfolger bis 2017 – und das ist erst der Anfang. Was bedeutet das für den Kunden und das Kaufverhalten? Genauso wie in allen anderen Bereichen des Lebens, werden jüngere Entscheider den für sie bequemeren Weg gehen – und der dürfte wohl eher online zu finden sein.

Mit welchen „Baustellen“ ist im Online-Print in 2017 zu rechnen?

Erste Baustelle: Mobility. Ich werde nicht müde zu betonen wie wichtig es ist, jedes Online-Print Angebot auch mobil bereitzustellen. Ja ich weiß, viele lachen da über mich – aber wenn ich nur das Kaufverhalten meiner Umgebung anschaue, dann lässt mich meine Gewissheit freundlich zurücklächeln. Für mich ganz klar: Das ist eine der Hauptinformationsquellen des agilen Kunden – schon heute.

Zweite Baustelle: Qualität. Geschwindigkeit und Low-Cost ist das eine – aber bei unseren Tests (die wir im Januar veröffentlichen werden) haben wir bei den meisten getesteten Onlinedruckern eine Druckqualität ermittelt, dass es einem graust. Hier glänzen besonders die „billigen“ Onlinedrucker – der Kunde muss sich da wohl entscheiden. Bei einem Test traten sogar Logistiklücken auf, die uns vollkommen fremde Drucksachen bescherten. Da ist noch Luft nach oben.

Dritte Baustelle: Personal. Solange wir als Druckindustrie uns in den Haaren liegen, wer denn nun wen im Preis unterbietet, wer wie besser drucken kann, und wie schlecht es doch der Branche geht, müssen wir uns nicht wundern, dass für viele junge Leute die Druckindustrie massiv an Anziehungskraft verloren hat. Einzig die großen Online-Printer verstehen es mittlerweile junge Talente zu entdecken und zu entwickeln – im Mittelstand: Fehlanzeige. Hier muss – auch von den Verbänden – dringend etwas getan werden. Die Branche braucht E-Commerce-Fachverstand und echte Fachleute.

Vierte Baustelle: Automatisierung. [Randnotiz: Mir wurde bemerkenswerter Weise dieser Tage bei dem Besuch einer Druckerei, die ich freundlicherweise inkognito besuchen durfte, von einem Manager (der mich wohl nicht kannte) „unfassbare Unkenntnis in Sachen Automatisierung“ vorgeworfen. Er mag ja gern ein bisschen Recht haben, aber dieses Verhalten ist fast schon symptomatisch für einige Druckspezialisten. Nicht miteinander reden – sondern übereinander. Das macht keinen Spaß. Vor allem wenn es um so wichtige Themen wie Automatisierung geht…]Fast jeder Betrieb hat hier massiven Nachholbedarf. Und auch hier gibt es Lösungen: Entweder man investiert, oder man redet endlich mal mit dem Kollegenbetrieb um die Ecke, ob man nicht gemeinsam vorankommt und ggf. eine Kooperation gründet. Nicht jeder muss alles können – aber wer jetzt nicht kapiert hat, dass sein Wettbewerber nicht mehr der Drucker um die Ecke ist, sondern jeder Drucker der online unterwegs ist – dem kann man auch mit wohlfeilen Apellen nicht mehr helfen.

Fünfte Baustelle: Weniger Egoismus bitte. Der Markt im E-Business Print ist so riesig und eröffnet jedem agilen und fortschrittlichen Unternehmer eine Menge Chancen. So eine Situation gab es de facto noch nie. Warum dann bitte dieser permanente Egoismus? Leute – redet miteinander, tauscht Euch aus – nur so kann man voneinander lernen, sich geschickt abgrenzen. Ja – wir haben einen Verdrängungswettbewerb und ja, die Konkurrenz schläft nicht. Aber wer heute noch glaubt, dass man Produktionsmethoden verheimlichen oder verstecken kann, der sollte schnell bei YouTube reinschauen, ob es da nicht schon einen Film drüber gibt. In Zeiten des E-Commerce geht es um Business-Intelligence, nicht um Maschinen. Es geht um Konzepte und Manpower – nicht ausschließlich darum wer am schnellsten falzen kann.

 

Also echt trübe Aussichten – Herr Zipper!?

Zipperkopf_drandenkenNein. Ich glaube, dass wir als Druckindustrie noch nie so viele Chancen hatten wie in diesen Jahren. Die Zulieferindustrie bietet neue Produkte mit einem hohen Automatisierungsrad an, Inkjet wird mehr und mehr zum Gamechanger, viele Kunden entdecken Druck wieder als reelles Werbemedium, junge Menschen kaufen wieder Bücher (weil denen so selten der Strom ausgeht), Highend-Print wird – wenn man gescheit verkauft – wieder bezahlt und E-Business-Print eröffnet, fast unabhängig vom Standort- neue Chancen. Mit Wachstumsraten zwischen 5 und 18 Prozent ist der Milliardenmarkt Online-Print in D/A/CH ein lohnendes Geschäft. Und mit nahezu unfassbaren Marktchancen wird sich der Onlinedruck auch 2017 neue Felder erobern und letztlich die ganze Branche revolutionieren. Oder besser evolutionieren. Step-by-Step.

In diesem Sinne – Glück auf! Auf ein erfolgreiches 2017.

Ihr

Bernd Zipper

Gründer und CEO von zipcon consulting GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen für die Druck- und Medienindustrie in Mitteleuropa. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater und sein Team aktiv die praktische Umsetzung. Er entwickelt Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure der unterschiedlichsten Branchen. Seine Fachgebiete sind u.a. Online-Print, Mass Customization, Strategie- und Technologie Assessment für Print, sowie die Entwicklung neuer Strategien im Print- und Mediaumfeld. Bernd Zipper ist Initiator und Vorsitzender der Initiative Online Print e.V. und neben seiner Beratertätigkeit Autor, Dozent sowie gefragter Referent, Redner und Moderator. Seine visionären Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen für die Druck- und Medienindustrie. (Profile auch bei Xing, LinkedIn).

DiscussionEin Kommentar

  1. Stefanie Urbach

    Lieber Herr Zipper, eine Empfehlung brachte mich zu Ihrem Blog. Ich komme gar nicht direkt aus der Druckbranche, sondern interessiere mich nur mittelbar für das Thema. Aber in Ihrem Blog finde ich dennoch so einige interessante Themen (die im übrigen, wie dieser Post, oft auch für andere Branchen aufschlussreich sind). Dann möchte ich noch loben, wie klar, ohne Scheu und ohne glattgebügelte Phrasen Sie die Dinge beim Namen nennen. Da halte ich auch sehr lange Blogposts bis zum Ende durch und habe Spaß daran. Und schlauer bin ich anschließend auch noch. Merci!

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