Schriftlizensierung – Problemthema im Fokus

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(20. November 2008 – ds) Zum sechsten Mal trafen sich Fachleute der IT, Printmedien, Kommunikation, Werbung, Design und Marketing zu einem zweitätigen, spannungsgeladen Informations-Marathon und Meinungsaustausch. Heute bringen wir Ihnen den sechsten Teil unseren ausführlichen Web-to-Print-Forums Bericht:“Problemthema im Fokus: Schriftlizensierung“ – Silke Ploog, Type Foundry.

„Mutter Courage und das schlechte Gewissen“

So ewas wie den Wermutstropfen in aller w2p-Euphorie hatte Silke Ploog von Fontshop, einer Type Foundry (Verlag), Berlin, zu überbringen. Thema: Schriftlizensierung. Klar, dass jedes professionelle Unternehmen für seinen Workflow nur legal gekaufte und damit lizensierte Schriften einsetzt; daran sollte erst gar kein Zweifel bestehen. Aber, … aber !!!! Was heißt in diesem Falle „Lizenz“ – Lizenz wofür nämlich?! Das übliche ist beim Kauf von Schriften die Lizenz zum Gebrauch auf 1 oder bis zu maximal 5, bei anderen (gesonderten) Vereinbarungen und Preisen auch 10, 100 …. 1.000 Arbeitsplätzen. Diese „Mengen-Lizenzen“ jedoch haben in aller Regel nur große Unternehmen, Konzerne; wohl nie eine Druckerei, eine Agentur. Auch dann nicht, wenn sie mittels ihres web-to-print-Angebotes via Web Kunden den Zugriff auf Schriften gestatten, mit denen diese dann ihre zu bestellenden Drucksachen kreieren oder individualisieren können. Dann aber tritt juristisch der Umstand ein, dass man die Schrift einer (egal, ob anonymen oder namentlich   identifizierten) Öffentlichkeit zur Verfügung stellt und für jeden Benutzer eine eigene Lizenz bräuchte. Will sagen: wer 1.000 Zugriffe unterschiedlicher Personen am Tag hat, bräuchte 1.000 Lizenzen. Und am nächsten Tag wieder 1.000 – und so weiter. Absurd? Nein, buchstabentreue Verlagsauslegung.

Da herrschte erst mal geschocktes Schweigen im Saal. Silke Ploog musste also behutsam  Mut machen: Als Schriftenverlag verfügt auch Fontshop Berlin, eines der rührigsten Unternehmen der europäischen Schriftfont-Szene überhaupt, nicht über die Lizenzrechte, sondern vermittelt diese durch die Verkäufe zwischen dem Entwerfer bzw. Hersteller der Schrift (Copyright-Inhaber) und den Nutzern (Käufern). Und hier sieht sie auch eine gewaltige Herausforderung für ihr Unternehmen und gleichgelagerte: Es muss gelingen, in Kürze eine öffentlich bekannte und für alle Seiten annehmbare Vereinbarung zu geben, wie man solche „Bulk“-Lizenzen (Mengennutzung) vernünftig, das heisst vor allem wirtschaftlich tragbar regelt.

Kein Zweifel gibt es daran, Schriften sind geistiges Eigentum und als solches ein lizenzpflichtiges Produkt. Kein Zweifel aber auch daran, dass in einem Markt, der schon zu Beginn durchaus einen Discount-Charakter hat, jeder Cent kalkuliert und vom Markt akzeptiert sein muss. In der Diskussion brachten die Besucher und Teilnehmer des Forums recht bald den Vergleich zu den Tauschbörsen und der Gesamtproblematik des ehemals ausschließlich auf mengenmäßig kontrollierbare Tonträger gestützten Musik-Vertrieb auf. So wie dort der Markt durch Downloads und Kopien regelrecht implodierte, so fürchteten sie es auch, zumal diese Situation wirklich explosive Sprengkraft haben könnte: es ist eine epochale Chance für freie (und kleine) Schriftverlage, mit geeigneter Lizenzpolitik und dem Angebot gepflegter (mehrsprach-fähiger) Zeichenfonts die Etablierten durchaus substanziell anzugreifen.

Ein Thema, das nicht so ganz nebenbei „in die Ecke gelegt werden darf“, da es mit durchaus gerichtlich-juristisch relevanten Konsequenzen verbunden ist und daher einer legalen Regelung bedarf. Enttäuschung blieb zurück, dass es derzeit wohl nirgendwo eine Initiative gibt, die das Problem auf breiter Front angeht. Und so wurde das Angebot von Fontshop erst mal mit hohem Interesse aufgenommen, ein regelrechtes w2p-Paket zu schneidern, dass eine Art Flatrate für eine begrenzte, definierte Zahl professionell supporteter Schriften vorsieht. Zu empfehlen ist jedem w2p-Betreiber, dieses konkret in Augenschein zu nehmen.
 

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Gründer und CEO von zipcon consulting GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen für die Druck- und Medienindustrie in Mitteleuropa. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater und sein Team aktiv die praktische Umsetzung. Er entwickelt Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure der unterschiedlichsten Branchen. Seine Fachgebiete sind u.a. Online-Print, Mass Customization, Strategie- und Technologie Assessment für Print, sowie die Entwicklung neuer Strategien im Print- und Mediaumfeld. Bernd Zipper ist Initiator und Vorsitzender der Initiative Online Print e.V. und neben seiner Beratertätigkeit Autor, Dozent sowie gefragter Referent, Redner und Moderator. Seine visionären Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen für die Druck- und Medienindustrie. (Profile auch bei Xing, LinkedIn).

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