Sind auch Sie drogen-abhängig?

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99 Prozent aller Druckerei-Verantwortlichen brauchen Doping Die Radfahrer tuns. Die Künstler schon immer. Fußballer werden damit erwischt. Ach, ganz Olympia ist eine Dope. Und bei den Politikern, den Journalisten, den Ärzten – gang und gäbe, wenn auch ein Tabu-Thema. Kein Wunder also, wenn auch praktisch die gesamte Druckindustrie, all deren Funktions- und Leistungsträger, in einem geradezu unheilbaren Maße medikamenten- und rauschgift-abhängig sind. Mit nur ganz wenigen Ausnahmen. Und Stoff gibt es auf dem Markt genug, um der Sucht zu frönen. Alles legal, wenn auch zu teilweise überhöhten Preisen.

Die Hersteller haben genug Dealer weltweit verteilt und in ihrer geradezu mafiös erscheinenden Macht, damit der Nachschub nie alle wird. Zur Anlockung neuer Kunden trifft man sich in grell beleuchteten Clubs, auf denen feierliche, gleichwohl wahnwitzige Reden geschwungen werden. Immer, wenn eine neue Droge auf den Markt kommt, wird ein riesiges Tamtam gemacht. Man gibt viel Geld dafür aus, dass Konsumenten, die bislang noch nicht von einem Virus infiziert waren, diesen bekommen – das Spiel ist immer dasselbe: erst Sucht erzeugen, dann auf exklusivem Wege den Stoff liefern.

Stoff pur
Im Gegensatz zur Szene in den Darkrooms und auf dem Straßenstrich, in Disco-Schuppen und auf den orientalischen Basaren wird jedoch unverfälschter Markenstoff angeboten, dessen Qualität außerordentlich hoch und gut ist. So dass die Abhängigkeit sich so tief in die Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen eingräbt und sie fast immer ihr ganzes Leben lang nicht mehr davon loskommen.

Hersteller und Dealer prahlen mit ihren Konsumenten. Ach, wie jubeln die Heidelbergs und manrolands, die Agfas und die Adobes, die Apples und die Fujis, die Komoris und die Kodaks, die Zanders und die Gmunds, die Callas‘ und die Efis, die Müller-Martinis und One Visions dieser Welt, wenn ihnen wieder mal eine neue Designer-Droge gelungen ist: Hier ein neues Druckformat, dort ein neuer Workflow, hier ein Major Release, dort eine neue Papiersorte, hier die Einrichtezeitverkürzung, dort ein total anderer Schuppenanleger. Und immer, immer, immer wieder die gleiche Prozedur, das gleiche Lied, die gleiche Botschaft: nun sei das Paradies gekommen, die Welt, das Universum gar auf dem Höhepunkt der Entwicklung, der Mensch, der nämliches Neue sofort kauft, der glücklichste unter der Sonne – und alles, alles wäre gut.

Die Botschaft ist so laut, so intensiv, so verlockend, dass es die Menschen, so sie denn Druckerei-Betreiber sind, glauben, glauben wollen, glauben müssen. Und von diesem Medikament „Neuheit“, der Droge „beste Qualität“, dem Wirkstoff „professionell“ bis zur finanziellen Erschöpfung abhängig werden: Technologie-Kiffer, Workflow-Junkies, Daten-Schnüffler, PDF-Fixer. Sie ziehen sich täglich die heile Welt der heiligen Druckindustrie rein, indem sie investieren, investieren, investieren. Digitales Extasy, Pixel-Heroin und Standards-Schnee, Proofing-LSD oder Format-Alkohol. Haben Sie schon mal jemanden in dieser Grafischen Hölle gesehen oder gehört, der nicht (!) nach einer Investition mit glasig-verklärten Augen, mit hysterischer Glückseligkeit in der Stimme und mit der Attitüde der übermenschlichen Unverwundbarkeit von eben jenem Rauschgift-Konsum erzählte? Wahrlich, kaum ist der Kaufvertrag unterschrieben, tanzen die Hormone der Investoren Tango. Die Realität ist schlichtweg ein Schwarzes Loch.

Droge statt Demut
Im Graphisches Dilirium ist es wie im richtigen Leben. Natürlich könnte man „anständig“, sprich in Mäßigung und mit klugem Bedacht, in Souveränität und geprägt durch Askese, geistiger Erbauung und moralischer Kontemplation leben. Aber, mal ehrlich – wer will das denn schon? Wer will denn Eremit sein, wo die Fülle der Welt verlockend rauschhafte Ekstase verspricht und wahrlich auch manchmal betörend erfüllt? Warum soll man sich geistig in mühsamen Denkprozessen der Erleuchtung nähern, wenn es per Pille namens Investition bequem und mit angeblich sofortiger und sogar lang anhaltender Wirkung geht? Wer will nur der Vernunft wegen auf Diät leben, wenn das Buffet der guten Sachen und der technologischen Genüsse schier zu bersten droht?

Jedenfalls nicht die Druckereien. Gleichwohl ihnen allmählich der Geldsäckel leer zu werden scheint (erleben wir jetzt Beschaffungs-Kriminalität etwa in Form von Preiserhöhungen?), kamen sie alle zu Gutenbergs Woodstock, der drupa in Düsseldorf am Rhein. Und dröhnten sich so sehr zu, dass die Rauschgift-Labors, die in riesiger Zahl ausgestellt und ausgeteilt hatten, des Jubelns nicht müde wurden.

Realistisch gesehen sind es nicht mehr die Steigerungsraten, die zum Übermut Anlass geben. Was auch logisch ist: eine Abhängigkeits-Quote von nahe 100 % kann man nicht mehr steigern. Also bleibt, dass die Konsumenten einen von den Banken als Finanzierer eventuell angedrohten erzwungenen Entzug strikt und kategorisch verweigern und das Betreiben einer Druckerei so zugedröhnt vor sich geht wie seit mehreren Jahrhunderten technologischer Dosis-Steigerung: mehr, immer mehr, immer noch mehr kaufen. Wenn ein Schuss, sprich eine Maschine, eine Methode, eine Marktlücke, nicht mehr high machen, dann müsses eben zwei, drei, viele her. Ob Software, Hardware oder Heroin: täglich muss die Dosis höher sein, damit die Wirkung und der Rausch der Glückseligkeit, also Erfolg und Ruhm, in der eigenen Phantasie eintreten. Oder der Tod. Auch er verspricht Erlösung. Ruhe, sanft.

Gründer und CEO von zipcon consulting GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen für die Druck- und Medienindustrie in Mitteleuropa. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater und sein Team aktiv die praktische Umsetzung. Er entwickelt Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure der unterschiedlichsten Branchen. Seine Fachgebiete sind u.a. Online-Print, Mass Customization, Strategie- und Technologie Assessment für Print, sowie die Entwicklung neuer Strategien im Print- und Mediaumfeld. Bernd Zipper ist Initiator und Vorsitzender der Initiative Online Print e.V. und neben seiner Beratertätigkeit Autor, Dozent sowie gefragter Referent, Redner und Moderator. Seine visionären Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen für die Druck- und Medienindustrie. (Profile auch bei Xing, LinkedIn).

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