Für viele Onlinedruck-Geschäftsmodelle sind Sammelformen einer der Schlüsselfaktoren für den Geschäftserfolg. Wer die Sammelform richtig bestückt, kann ein großes Potential an Kosteneinsparung nutzen. Und ich sehe bei diesem Thema das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Ich habe da die Vorstellung (oder soll ich sagen: Vision) der sich dynamisch selbst organisierenden Druckjobs. Eine aus dem universitären Bereich stammende Firma aus München kommt mit ihrer Software dieser Vision immer näher.

Die optimale Sammelform ist nicht unbedingt die möglichst gut gefüllte. Auch nicht die, die möglichst automatisiert erstellt wird. Es gilt, beide Aspekte, Automatisierung und Nutzungsoptimierung unter einem Hut zu bringen. Das ist eine Grundanforderung an eine gute Sammelform-Software.
Der Münchner Start-up PerfectPattern, deren Gründer einen wissenschaftlichen Hintergrund haben, näherte sich dieser Grundanforderung so an: Es galt, das so genannte Cutting Stock Problem with Minimum Pattern zu lösen, eine Fragestellung, die sechzig Jahre lang ungelöst war. Daraus entstand der Algorithmus, der heute das Kernstück der Sammelform-Software dieses Start-ups ist. Das grundlegende Geschäftsmodell von PerfectPattern ist nämlich an sich die mathematische Lösung für eine ressourcenschonende und nachhaltige Produktionsplanung. Im Fokus sind dabei alle Zuschnitt-Branchen, bei denen es gilt, Rohstoffe effizient in Zuschnitts-Layouts zu verarbeiten. Entsprechende Branchen dafür sind beispielsweise die Holz- und Sägeindustrie oder der Zuschnitt von Folien und Metallen in verschiedenen Industrien.
Schnell fand die Firma ihren Entwicklungsschwerpunkt in Lösungen für die grafische Industrie. Dabei war es für die PerfectPattern GmbH ein begünstigender Umstand, dass einer der Gründer einen familiären Hintergrund im Druckgewerbe hat. Somit waren die besonderen betriebswirtschaftlichen Anforderungen und technischen Gegebenheiten des Produktionsprozesses in Druckbetrieben keine unbekannten Größen mehr. Aus obiger Kernanforderung wurde aber auch eine multidimensionale Optimierungsanforderung, die auch kurzfristige Änderungen bei der Auftragszusammenstellung berücksichtigen muss. Die Software muss dabei hauptsächlich folgende Anforderungen erfüllen:
Kostenoptimierung Papierkosten und Rüstkosten müssen gegeneinander abgewogen werden. In einem Szenario erlauben günstige Papierkosten eher Mehrauflagen einzelner Aufträge in der Sammelform, in einem anderen Szenario sind frühere Plattenwechsel angesagt.
Drucktechnische Anforderungen Maschinendaten wie Greifränder, Passer, Farbbelegungen, Umschlagen, Umstülpen, etc werden berücksichtigt
Dynamische Neuorganisation Schnellschüsse, Änderungen bei den Aufträgen, Zuweisung einer anderen Maschine – eine „starre“ Sammelform bremst die Produktion aus. Derartige Änderungen sollte die Sammelform-Software möglichst on-the-fly umsetzen können.
Manuelle Eingriffe minimieren Mittels intelligenter Vordefinitionen und möglichst einfacher Eingriffe („per Knopfdruck“) in der Auftragsplanung, etwa bei einer neuen Priorisierung, sollen Sammelform-Jobs mit möglichst wenig manuellen Eingriffen erstellt werden. „Händische“ Vorselektionen einzelner Aufträge etwa nach Papiersorte entfallen.
Diesen Anforderungen wird die sPrint-Produktfamilie von PerfectPattern sehr gerecht und ich sehe deutliche Vorteile bei Zeit- und Kosteneffekten gegenüber anderen Lösungen. Die sPrint-Produkte wenden sich an normalen Akzidenzdruckereien (sPrint One), mit sPrint Fill typischerweise an (Online)druckereien mit variantenreichen Aufträgen, und mit sPrint Flat an den Großformatdruck, wo es hauptsächlich um eine effiziente Medienausnutzung geht.
PerfectPattern kommt meiner Vision der sich selbst organisierenden und zusammenfindenden Druckjobs schon sehr nahe.
– Bernd Zipper
PerfectPattern hat sPrint als Server-Client-Konfiguration mit Web-Schnittstelle umgesetzt. Die Lösungen lassen sich somit wahlweise vor Ort installieren oder über einen Cloud-Service (SaaS) einsetzen. Dabei werden die Auftragsdaten in ein XML-Format konvertiert und nach fertiger Sammelform-Berechnung als JDF- oder XML-Dateien für die Sammelformherstellung (Plattenbelichtung) ausgegeben. sPrint Fill gibt es auch als Integrationsprodukt. Seit einger Zeit ist dies bereits bei Printplus Druck umgesetzt und diese Tage wird auf der Druck+Form in Simsheim auch die Integration mit der Auftragsplanung iPactor Druck-Plan vorgestellt. Weitere Integrationen via API direkt in Lösungen für E-Business Print sind ebenfalls möglich (mehr kann ich zu diesem Zeitpunkt dazu nicht schreiben…).
Für die Zukunft sehe ich verschiedene Szenarien, bei denen sPrint eine Rolle spielen wird. So ist bereits heute eine Antwort auf die besonderen Herausforderungen an die Druckindustrie die Vernetzung von Betrieben/Standorten untereinander. Mit sPrint wäre eine Aufteilung der Produktion unter mehreren Betrieben und/oder Produktionsstandorten ebenfalls denkbar. Konkret arbeitet PerfectPattern bereits daran, die Planung der Maschinenbelegung hinsichtlich Kapazitäten und Auslastung miteinzubeziehen. Bezieht man dazu auch noch eine standortübergreifende Produktion ein, müssen auch Logistik-Aspekte berücksichtigt werden, was die Firma ebenfalls umsetzen will. So kommt PerfectPattern meiner Vision der sich selbst organisierenden und zusammenfindenden Druckjobs – Stichwort Industrie 4.0 – schon sehr nahe. Und dass sich jemand traut, neue Wege zu gehen – dafür hat PerfectPattern so etwas wie einen Oscar verdient. Danke für den Mut.
DiscussionEin Kommentar
Ein sehr interessanter Artikel. Danke an den Autor, der ein etwas nüchternes Thema sehr gut dargestellt hat. Zum Thema Industrie 4.0 sei gesagt, Industrie 4.0 ist ein Zukunftsprojekt in der Hightech-Strategie der deutschen Bundesregierung, mit dem in erster Linie die Informatisierung der Fertigungstechnik vorangetrieben werden soll. Start-ups und Unternehmen mit innovativen Ideen werden durch Zuschussprogramme und Fördermittel in Deutschland unterstützt.