Der Anblick kleiner i-Dötzchen mit riesigen Ranzen auf dem Rücken könnte bald der Vergangenheit angehören, jedenfalls wenn es nach dem Tablet-Hersteller Marvell geht. Sein neu entwickelter Prototyp „Moby“ soll für einen Preis von circa 99 US-Dollar auf dem amerikanischen Markt die Schulbücher ersetzen.

Dadurch könnten Schüler und Studierende sich die Anschaffung schwerer, gebundener Textbücher ersparen. Dies wiederum bedeutet nicht nur einen gesundheitlichen Vorteil, da der Moby ungefähr „die Hälfte eines durchschnittlichen Schulbuchs“ wiegen soll. Die Bücher würden außerdem länger aktuell bleiben beziehungsweise einfacher auf den aktuellen Stand gebracht werden können.
Laut einer Studie der New York Library Association beträgt das durchschnittliche Schulbuchalter in den Bibliotheken der öffentlichen Schulen des Bezirks zwischen 21 und 25 Jahren. Der Wissensstand ist also geradezu antik, gemessen an heutigen Verhältnissen. In einigen Atlanten kann man noch die Grenzen der DDR finden, dafür fehlt in vielen Geschichtsbüchern schon der erste Irakkrieg, in den meisten der Terroranschlag vom 11. September 2001. Vor allem aber geht es wohl auch um den technischen Wissensstand, der in den letzten zwanzig Jahren Quantensprünge gemacht hat.
Durch die multimedialen Möglichkeiten, die der Moby biete, könnten sich Schüler ihrem eigenen Lernstil gemäß weiterbilden, so Weili Dai, Mitgründer von Marvell, auf der „Future of Publishing Conference“ in New York City. Das Tablet bietet Schülern und Studenten Zugang zu Live Contents und Informationsquellen weltweit: durch E-Books, Online Quellen, Texte, Videos, Nachrichten, Musik oder sonstige Medien gewinnt der Zugang zu Wissen innerhalb der Schulzeit neue Dimensionen.
Außerdem betont Marvell den günstigen Preis. Die Mutmaßung, dass das Moby Tablet E-Textbücher zu einem Bruchteil der Preise gedruckter Schulbücher verkaufen könnte, muss jedoch genauso verstanden werden: könnte. Denn noch haben sich die US-amerikanischen Schulbuchverlage eines Kommentars enthalten. Es ist zweifelhaft, ob ein durchschnittlicher Schulbuchpreis von 60-200 US-Dollar (Marvell bezieht sich auf eine nicht näher benannte Studie des Government Accountability Office) zu einem Großteil durch die Materialien und den Druckprozess entsteht. Am Preis des Contents dürfte sich durch die Digitalisierung nicht automatisch viel ändern. Einige aktuelle E-Books sind sogar teurer als die Papiervariante.
Grundlage des Tablets ist eine ARM-basierte CPU, der Armada-600-Prozessor von Marvell. WLAN, Bluetooth, GPS und sogar ein Radioreceiver sind integriert. Windows Mobile kann als Betriebssystem ebenso genutzt werden wie Android. Trotz der Leistung – der Moby ist Full-HD-tauglich und kann 3D-Content wiedergeben – wurde ebenso auf eine lange Akkulaufzeit Wert gelegt.
In einem terminlich noch nicht festgelegten Pilotprojekt will Marvell Schulkindern mit Lernproblemen im District Columbia einen Moby zur Verfügung stellen, nähere Details des Projekts sind noch nicht bekannt. Des Weiteren sollen die Mobys wahrscheinlich auch in Entwicklungshilfe-Projekten zum Einsatz kommen.
Vielleicht ist der Moby ein großer Schritt in Richtung moderne, globale Bildung. Vielleicht eröffnet er Schülern neue Lernwelten und gibt ihnen bessere Möglichkeiten zur Bildung. Vielleicht wundert man sich aber auch angesichts des Zustands der Schulbücher nach einem Jahr, wie der Moby tatsächlich 10-13 Schuljahre überleben soll.
(Imke Hans | Quellen: Marvell.com, NYLA.org, Pressetext.at)