Kennt ihr das? Man sieht das Kind der Freunde eine Weile nicht und denkt dann: „Wow, ist der/die gewachsen!“ So ging es mir, als ich die Meldung von celebrate digital printing (u. a. kartenmacherei.de, rosemood.de) gelesen habe, dass der alte Standort, gerade vor zwei Jahren von der Straub Druck + Medien AG in Schramberg übernommen, zu klein geworden ist. „Wer wächst, braucht Platz“ erklärte uns Co-CEO Patrick Leibold und wir berichteten in unserm Blog darüber. Umgezogen sind die meisten Menschen schon mal, aber ein Industrieumzug eines 24/7-Fertigungsbetriebes mit sechsstelligem Umsatz pro Tag ist schon eine andere Nummer. Wie macht man sowas? Die Geschäftsführer Michael Lindemeier und Patrick Leibold geben uns einen spannenden Einblick.
Mit alten Maschinen oder schlechten Standortvoraussetzungen kann man im Wettbewerb nicht mithalten. Neben Innovation sind daher Qualität und Effektivität die wichtigsten Grundvoraussetzungen. Industrieumzüge sind immer wieder etwas Besonderes. Das heißt, ein Industrieumzug muss immer individuell geplant werden. Jeder Umzug von großen Maschinen und industriellen Anlagen hat seine Besonderheiten, aber auch die Möglichkeit, Vergangenes zu berücksichtigen.
Beim Industrieumzug kommen gleich mehrere Schwierigkeiten zusammen. Zunächst einmal ist da die Menge des anfallenden Transportgutes. Moderne Industrieanlagen bestehen heute aus einer ganzen Reihe unterschiedlicher Maschinen und Gerätschaften – von der IT-Landschaft, über die Produktion bis hin zu Verpackung und Versand. Die Anlagen sind teilweise inline miteinander verbunden, bestehen also aus durchgehenden Produktionslinien, die vor der Versetzung oder dem Umzug erst aufwändig demontiert werden müssen. Die klassischen Maschinen für jeweils einzelne und abgeschlossene Arbeitsschritte, die man noch relativ leicht transportieren konnte, werden immer weniger. Hier beginnt also schon die Notwendigkeit einer umfassenden Planung, damit Demontage, Transport und Wiederaufbau möglichst reibungslos ineinandergreifen können.
War der gute alte Tiegel aufgrund seiner Masse und der Bauart sehr robust und wenig anfällig gegen Transporteinflüsse, sind moderne Produktionsanlagen hingegen viel empfindlicher. Die ständige Miniaturisierung und zunehmende Digitalisierung von Maschinen und technischen Anlagen macht diese sehr viel empfindlicher, sei es gegen Stöße, aber auch gegen Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen. Dies muss alles in der Planung eines Industrieumzugs berücksichtigt werden.
Die Produktions- und Lieferketten sind ebenfalls ein Knackpunkt. Der Ausfall einzelner Komponenten kann die gesamte Produktion zum Stillstand bringen. Handelt es sich wie bei celebrate digital printing um eine produktive Anlage, so müssen auch entsprechende zeitliche Abläufe genau fixiert werden, damit die Produktion am alten Standort noch läuft und am neuen Standort schnell aufgenommen werden kann und nicht unnötig behindert wird. Es musste in der Zeit bei der Fertigungsplanung berücksichtigt werden, dass diese Art der Aufträge schon dort laufen und Aufträge mit anderen Parametern noch hier. Das ist ein logistisches Thema. Soweit mal zur Theorie!
Warum Plan B die richtige Entscheidung für celebrate digital printing war
Eigentlich sollte es ein schicker und repräsentativer Neubau werden, in dem die celebrate digital printing, also die Druckerei der celebrate Gruppe, für die nächsten Jahre ein Zuhause hätte haben sollen. Ein Grundstück ist aktuell ja zu finden, aber Handwerker und Architekt deuteten auf das Ende der Schlange, welches bereits bis in das Jahr 2024 reicht. Daher war statt des Neubaus die Suche nach bestehenden Gebäuden ein Thema. Eine Option tat sich im von Schramberg rund 30 km entfernten Villingen-Schwenningen auf. Nicht gerade nebenan und schon gar nicht nah an der ursprünglichen Idee, dass ein Neubau den wachsenden Anforderungen gerecht werden muss, aber einen Blick wollten die Verantwortlichen dennoch riskieren. Vor Ort angekommen, stellte sich der Bau als ideal heraus. Die technische Infrastruktur wurde vom Vormieter noch auf aktuellen Stand gebracht. Der Vermieter, ein Unternehmen aus der Druckindustrie, konnte dann noch mit einem freien Grundstück, angrenzend an die bebaute Fläche, punkten. „Wir machten uns ein Weihnachtsgeschenk, als wir am 24.12.2021 den Mietvertrag unterschrieben“, sagt Patrick Leibold mit einem Augenzwinkern. Bevor dieses Geschenk aber Freude machen würde, sollte noch ein steiler Weg vor allen Beteiligten liegen.
Die Mitarbeiter zumindest waren, gerade aus der Peak Season vor Weihnachten kommend, erst einmal nicht ganz so happy mit dem „Geschenk“ der Geschäftsleitung. Mit Beginn des Mietvertrages am 1. März 2022 musste die Mission „Industrieumzug“ starten.
„Die Ängste und Sorgen jedes Einzelnen sind uns ganz und gar nicht egal“, betont Michael Lindemeier und führt weiter aus: „Wir haben mit jedem Mitarbeitendem im Nachgang der Betriebsversammlung gesprochen.“ Da gab es die Mutter, die ihr Kind auf dem Weg zur Arbeit in die Kita bringt, den Mitarbeiter, der bislang mit dem Rad kam oder die Kollegen, die heute schon in entgegengesetzte Richtung eine ordentliche Wegstrecke zur Arbeit haben und nun noch mal 30 km draufbekommen. Jedes einzelne Schicksal wurde ernst genommen. Es wurde ein ganzes Paket an Benefits und Kompensationsmaßnahmen geschnürt. Ein sechsstelliger Betrag ist hier in diesem Jahr zusammengekommen. Beispielsweise wurden E-Autos vorgeschlagen, um Fahrgemeinschaften zu bilden. Aktuell ist es gar nicht so einfach, an E-Autos zu kommen. Nach zeitraubenden Verhandlungen mit verschiedenen KfZ-Händlern stand die Flotte der Poolfahrzeuge bereit zur Folierung und befördert heute die Mitarbeiter und die Werbebotschaft von celebrate digital printing gleichermaßen übers Land.

Gemeinsame Lösungen gefunden
Eine weitere Kompensation erfolgt über ein Zeitkonto. Die zusätzliche Stunde für den Arbeitsweg teilen sich Unternehmen und Mitarbeiter nun 50:50. Auch das ist eine Regelung, die Geld kostet. Am Ende waren fast alle Mitarbeiter zufrieden und nur für einen kleinen Teil konnte kein überzeugendes Angebot gemacht werden.
Der nächste harte Brocken ist das Projektmanagement. „Agil“, frage ich ein wenig süffisant? „Nein“, lacht Michael Lindemeier, „hier folgte stark strukturiert und kontrolliert ein Step nach dem anderen. Klassisches Wasserfall-Konzept.“ (Wäre ja auch fatal, wenn man hier bei der Hälfte feststellt, dass die Reihenfolge der Schritte nicht passt.) Hervorzuheben ist, dass das Projektteam maximal heterogen aufgestellt wurde. Nicht nur Abteilungsleiter, nein, es waren aus allen Lohngruppen Vertreter dabei. Die Produktion durfte zu keinem Zeitpunkt gefährdet sein, das war die oberste Maxime. Dass die Hochzeitssaison in der Postpandemie doch erheblich mehr Bestellungen brachte als erwartet, trug nicht zur Beruhigung der Pulsfrequenz bei.
Für die Maschinen selbst bieten die Maschinenhersteller in der Regel einen Umzugsservice mit den entsprechend geschulten Monteuren an. Aber die Transporte, Anschlüsse und vieles mehr erforderte einen Profi für Industrieumzüge. Peter Mohr von der objectSolution Planungsgesellschaft mbH aus Hamburg war der berufene Experte. „Der Projektplan wurde aufgestellt und eingehalten“, freut sich Michael Lindemeier. „Es sei überhaupt nicht selbstverständlich, dass alle internen und externen Einheiten auf den Punkt lieferten. Da hatten wir auch einfach Glück“, fügt Patrick Leibold (fast ein wenig gerührt wirkend) hinzu. Man merkt den beiden die zurückliegende Anspannung und folgende Erleichterung immer noch an. Im E-Commerce bei 24/7 in einem hochemotionalen Marktfeld darf einfach nichts schiefgehen. (Schon mal ein Brautpaar erlebt, dass mit den Einladungskarten unzufrieden ist? Ja! Ok, dann brauchen wir das nicht weiter ausführen.)
Vorteile haben sich schnell gezeigt
Die große Angst bei Operationen am „offenen Herzen“: Wird es gelingen und am Ende wirklich besser sein? Die KPIs sprechen eine klare Sprache, so ist die Reklamationsrate deutlich unter den Zielwert gerutscht und Produktion on time hat einen Wert von 97 % erreicht. Weiterer Vorteil des neuen Standortes: Es ergeben sich Synergien, da der Service und die Haustechnik der Druckerei des Vermieters zusammen genutzt werden können.
Alle, die dabeigeblieben sind, und die harten Monate schultern mussten, wurden mit einem Festival belohnt. Auf der Wiese, die irgendwann mal für den Erweiterungsbau gedacht ist, wurden die Bühnen und Zelte des Southside Festivals aufgebaut. Eine mega Party wurde mit allen Freunden und Mitarbeitern gefeiert und das an der coolsten Location, direkt neben dem neuen Produktionsstandort der celebrate company.

So einen Umzug in sechs Monaten zu meistern, ist eine herausragende Leistung. Respekt! Dass das alles Geld kostet, ist klar. Doch der ROI stellt sich ein, wenn man die Mitarbeiter mitnimmt und das Projekt konsequent umsetzt. Am Ende, so scheint es, ist die Celebrate-Familie durch dieses (mutmaßlich Blut, Schweiß und Tränen kostende) Projekt noch enger zusammengewachsen. Das ist unbezahlbar und meiner Ansicht nach das wichtigste Learning.
