Ein deutlich zweistelliges Umsatzwachstum und die Mehrheitsbeteiligung an einer erfolgreichen Plattform für die On-Demand-Produktion von Textilien prägen die jüngste Entwicklung von Cimpress. Der letztjährige Umbruch scheint sich auszuzahlen, oder?
Cimpress hat wiedermal ein Unternehmen gekauft. Soweit nichts Ungewöhnliches. Und obwohl dieses auf den ersten Blick nicht als Print-nahes Start-up zu erkennen ist, nimmt die Zielrichtung von Cimpress immer weiter konkrete Züge an: Es geht um den Ausbau der eigenen Mass Customization Plattform, und zwar auch um Produkte und Services, die viele Drucker und andere Anbieter bislang nicht in direktem Zusammenhang mit der Konzernmutter von Vistaprint, WirmachenDruck, Tradeprint und Co. gesehen haben. Vida & Co., das junge Kreativunternehmen aus dem Bereich Textil-E-Commerce, reiht sich damit als weitere Marke unter das Dach von Cimpress ein – und beide profitieren davon reichlich! Denn der Onlinehandel mit (On-Demand-) Textilien verspricht weiteres Wachstum mit zweistelligen Raten.
Was hat es mit der Übernahme von Vida & Co. durch Cimpress auf sich? Bekannte Finanzgeber wie Google Ventures, Universal Music Group und The Valley Fund haben bereits zum Launch von Vida & Co. 1,13 Millionen Euro (1,3 Millionen USD) an Kapital in das Start-up gegeben. Unter anderem folgte dann 2017 eine weitere Runde der Seed-Investition mit rund 4,8 Millionen Euro (5,5 Millionen USD), die das Wachstum befeuert hat. Und nun: eine Cimpress-Marke. Mitten im Q1 des Cimpress-Geschäftsjahres, Ende Juli 2018, war es dann soweit: Genauso wie bei den letzten Akquisen des weltweit größten Anbieters von Mass Customization und Print bildet der rund 25 Millionen Euro (29 Millionen Dollar) schwere Neuerwerb (Anteil von 74 Prozent) Vida & Co. eine eigenständige Marke im Cimpress-Portfolio. Das Management des Start-ups, bestehend aus CEO Umaimah Mendhro und ihrem 12-köpfigen Team, bleibt in der Unternehmensführung. Laut Robert Keane soll die amtierende Geschäftsleitung – auch als Mitinhaber – die Geschicke von Vida & Co. weiterhin so zielstrebig führen und für eine erfolgreiche Zukunft ausbauen. Auch in der Hinsicht bleibt Robert Keane also seinem Prinzip, die bestehenden CEOs und Boards bei Akquisen auch langfristig im Amt zu lassen, treu. Ganz im Sinne der Dezentralisierungsmaßnahmen von Cimpress, die Anfang 2017 eingeleitet wurden (ich berichtete auch über die Ankündigung an gleicher Stelle).

Es sind zwar bislang keine belastbaren Umsatzzahlen bekannt. Dass die E-Commerce-Plattform aber profitabel arbeitet, davon ist auszugehen. Denn das Prinzip junge, profitable Unternehmen – egal aus welchem Bereich von Print und Mass Customization – zu kaufen, oder sich zumindest mehrheitlich daran zu beteiligen, hat schon so etwas wie häufig praktizierte „Tradition“ bei Cimpress.
Und wie funktioniert die Plattform von Vida & Co.? Lädt ein Designer sein Werk im Design Studio von Vida hoch, hält das Unternehmen die Exklusivrechte an selbigem und vergütet die Kreativen mit 10 Prozent Umsatzbeteiligung an den verkauften Produkten. Dazu zählen unter anderem Shirts, Schals und Accessoires. Einfach soll es sein – und ist es anscheinend auch. Denn jedem Designer – ob Fotograf, Illustrator, Bildhauer, etc. –, der sein Werk digital konvertieren kann, steht es offen, sich über einen schnellen und einfachen Zugang zur Plattform anzumelden. Und das Start-up aus San Francisco ist bei weitem kein unbekannter Player im Textilmarkt. Mit den mehr als 100.000 Designern aus 150 Ländern, die die Plattform versammelt, arbeitet Vida & Co. auch mit bekannten Marken und Persönlichkeiten wie zum Beispiel Cher zusammen, die wiederum Designs via Vida anbieten.

Insgesamt betrachtet unterhält Vida & Co. also ein Netzwerk an Druckern und Finishern, die das Konzept, Designer mit Bestellern und Produzenten zusammenzubringen, komplettieren. Das Ganze findet dann auf der E-Commerce-Plattform statt, und zwar seit dem Launch im Dezember 2014. Der findige Cimpress-Kenner versteht hier sofort, dass das Jungunternehmen mit seinem Konzept also durchaus geeignet ist zur Integration in die MCP. Bekanntheit und die oben genannte finanzielle Starthilfe hat das Kreativunternehmen aus San Francisco auch deshalb erhalten, weil es einen sozialverantwortlichen Grundsatz verfolgt. Dabei geht es vor allem darum, den Designern und Produzenten aus Indien, Pakistan und Sri Lanka eine finanzielle Lebensgrundlage zu bieten – und durch den einfachen Zugang zur Plattform auch zu sichern.
„Direct-to-Garment? Textil-Finishing? Fashion-E-Commerce? Ein lohnendes Feld! Vor allem, wenn man wie Cimpress damit die weltgrößte Plattform für Mass Customization bereichern kann.“ – Bernd Zipper
Ein zweistelliger Millionenbetrag scheint – bei Betrachtung der ganzen Transaktionen von Cimpress in den letzten fünf Jahren – für das Unternehmen keine „große“ Summe zu sein. Den Betrag für die Mehrheitsbeteiligung durch Cimpress dürfte Vida & Co. innerhalb von drei bis fünf Jahren umsatzmäßig wieder eingebracht haben, womit der Investitionsrahmen „überschaubar“ ist. Aber der Zugewinn an weltweiten Zulieferer-, Finisher- und Kundenkontakten, der neben dem E-Commerce- und Produktions-Know-how rund um On-Demand-Textilien für Cimpress anfällt – der ist entscheidend. Dadurch werden neue Märkte erschlossen und in den bestehenden Absatzgebieten – Vida und Co. ist auch auf dem europäischen und UK-Markt vertreten – auch die Produktbreite erhöht.
Gepaart mit der Integration in die MCP und dem Portfolio-Ausbau kann Vida & Co. also langfristig eine wichtige Stütze für Cimpress darstellen. Und langfristig scheinen sich auch die in den letzten Jahren getätigten Investitionen und Umstrukturierungsmaßnahmen auszuzahlen – wie ein Blick in den letzten Geschäftsbericht von Cimpress zeigt: 13,6 Prozent Umsatzzunahme im ersten Halbjahr 2018 (nicht Cimpress-Geschäftsjahr!) gegenüber 2017 auf fast 1,1 Milliarden Euro im Gesamtkonzern – und mit knapp 13 Prozent hat sich auch das Wachstum von Vistaprint wieder als „sichere Bank“ bewiesen. Im gleichen Vergleichszeitraum hat vor allem der Bereich Upload and Print mit 23,9 Prozent (auf 325 Millionen Euro) und die äußerst gewinnbringende Akquise von National Pen (2016) mit einem Umsatzwachstum von 30,8 Prozent (auf 127,5 Millionen Euro) zu dem positiven Ergebnis beigetragen. Für D/A/CH-Onlinedrucker, die nicht zum Netzwerk-Pool von Cimpress gehören ist diese Entwicklung nicht unerheblich, zumal der markenübergreifende Umsatz des Konzerns aus Venlo alleine in Deutschland um 33 Prozent zugelegt hat, was zum Teil auf die gute Performance von WmD zurückzuführen ist.
Es spricht auch vieles dafür, dass das Wachstum in einem ähnlichen Tempo weitergeht. Denn Cimpress treibt den Ausbau voran! Abgesehen von den Akquisen, die Cimpress in den letzten Jahren getätigt hat – mit denen unmittelbar der Produktionsstätten-Ausbau der Einzelmarken einhergeht – hat der Branchenriese in den letzten 18 Monaten die Vorbereitung weiterer Produktionsstätten forciert, vor allem in den USA. So zum Beispiel in Reno (Nevada), wo Cimpress Ende 2016 die Installation eines Werks initiiert hat und in Dallas (Texas), wo Vistaprint voraussichtlich ab Juli 2019 zusätzlich produzieren wird. Was also die Entwicklung von Produktion und Mass Customization Plattform, in deren Infrastruktur alleine 2017 22,5 Millionen Euro investiert wurden, angeht, wappnet sich Cimpress für die Zukunft. Die Akquise von Vida & Co. und der eben genannte Ausbau wird daher sicherlich nicht die letzte Regung des Venloer Unternehmens im kommenden Jahr sein.
My Take: Mit der Mehrheitsbeteiligung an Vida & Co. stößt Cimpress in neue Märkte und kann die MCP und das Produktportfolio ein weiteres Mal deutlich verbreitern. Der Fokus von Keane und Co. liegt auf dem Ausbau und der Langzeitentwicklung des Gesamtnetzwerks – und dabei muss es nicht immer ein „reines“ Druckunternehmen mit guter Onlineperformance sein. Das zeigt die Integration des jungen Kreativunternehmens aus dem Textil-Mass-Customization. Und wie der obige Einblick in die letzten finanziellen und strukturellen Entwicklungen von Cimpress zeigt, hat sich seit meinem letzten Überblick zu der Entwicklung des Branchenriesen also wieder einiges getan. Deshalb kann die Onlineprint-Branche auch weiterhin gespannt verfolgen, wie der Branchenprimus agiert. Ich für meinen Teil werde dranbleiben – und Ihnen hier auf beyond-print.de die Informationen rund um die Entwicklungen im Onlineprint-Markt servieren.
