Trend: Rein in die Marktnische – Online-Drucker!

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Der Markt für Onlineprint ist gesättigt! So hört man die Branche unken. Weit gefehlt: Kluge Ideen finden immer ihren Markt – so die Regeln des Netzes.

Spricht man mit dem einen oder anderen großen Anbieter von Onlineprint in Deutschland – hört man unisono: „Der Markt ist gesättigt – arbeitet lieber mit uns zusammen, dann habt Ihr noch eine Chance“. Je größer der Anbieter, desto vehementer wird diese These übrigens vertreten. Die Vermutung liegt nahe, dass hier eher eine agile Marktabschottung obstruiert wird, als dass die Realitäten benannt werden. Und offenbar wird die Rechnung ohne die Trends gemacht, die offensichtlich sind.

Worauf sich Print einstellen muss

Print ist längst nicht mehr der einzige Kommunikationskanal, der Werbung treibenden zur Verfügung steht, sondern nur noch ein Teil des Puzzles, das sich Kommunikations-Mix nennt. Über 60 (große und kleinere) Werbekanäle in klassischen wie sozialen Medien und eine wachsende Fokussierung von Werbung und Marketing auf digitale Kommunikationsformen werden Print und die gesamte Druckbranche weiter verändern. Das ist zwar bitter, aber anders lassen sich die Prognosen zum künftigen Medien-Einsatz nicht interpretieren.

  1. Print bleibt wichtiger Bestandteil im Kommunikations-Mix, das Know-how um den Herstellungsprozess wird aber immer weniger in Design oder Marketing stattfinden und der Weg zur klassischen Druckerei zum Ausnahmefall. Stattdessen werden Werber auf Onlineprint-Plattformen ausweichen, auf denen die Abwicklung standardisiert und der beste Preis gewährleistet ist. Folglich müssen sich Druckereien intensiver mit ihren potenziellen Auftraggebern vernetzen und ihr Angebot im E-Business Print verbessern, vergrößern oder für bestimmte Anwendungen Partner in Nischen suchen.
  2. Digitale Kommunikation ist schon heute stark auf die Benutzer zugeschnitten. Das wird auch auf Print abfärben: Personalisierung (für die Druckindustrie eigentlich ein alter Hut) wird an Fahrt gewinnen. Das Aufteilen hoher Auflagen in kleinere Chargen ist längst in vollem Gange. Der nächste Schritt wird der zu Kleinstauflagen und Auflage 1 sein, begleitet vom Trend zur Mass Customization, für die wiederum zwingend Online-Plattformen erforderlich sind, damit die Kunden ihr persönliches Produkt konfigurieren können.
  3. Zugleich haben Unternehmen, die Online-Handel betreiben, die Werbewirkung von Print erkannt und wollen die „Conversion Rate“ auf ihren Online-Plattformen mit Hilfe von intelligent gestalteten Drucksachen verbessern. Print wird also stärker als bisher mit E-Commerce-Transaktionen vernetzt werden.
  4. Die Ansprüche der Kunden an Print werden demnach weiter wachsen. Gleichzeitig wollen sie sich aber immer weniger mit dem Printprozess auseinandersetzen, sondern einfach, schnell und kurzfristig qualitativ gute Drucksachen zum bestmöglichen Preis einkaufen. Der Grund ist naheliegend: Kunden möchten kein bedrucktes Papier einkaufen, sondern ein Produkt, das ihnen hilft, ihre Produkte besser zu verkaufen.

„Keine Angst vor den vielen Online-Printangeboten, die es schon am Markt gibt. Onlineprint lebt von der Standardisierung. Kleinere Anbieter können hier ihren Markt finden, indem sie zwar auch „standardisiert“ produzieren, aber sich eine eigene Nische durch spezielle Produkte erobern.“ – Bernd Zipper

Von Postkarten, Visitenkarten und Etiketten

Ergo muss sich die gesamte Druckindustrie transformieren und zwangsläufig Online-Mechanismen einsetzen, um zu überleben. Kein Zweifel, hier werden einige Unternehmen auf der Strecke bleiben, das Druckvolumen wird jedoch – allen Unkenrufen zum Trotz – in den nächsten Jahren nahezu gleich bleiben. Zwar sinkt das Volumen in D/A/CH aktuell um ca. 1,2% pro Jahr – die Umverteilung analog orientierter Drucker hin zu Onlineprint ist in vollem Gange. Die Aussage einiger Onlineprint-Giganten lässt sich daher kaum halten.

Zudem gibt es zahlreiche Beispiele, in der Onlineprint erfolgreich „aus der Nische“ gespielt wird – und zwar aus Nischen, mit denen kaum jemand gerechnet hat. Beispiel? Gut. MyPostcard.com hat sich auf die gute, alte Postkarte konzentriert. Ein Feld, in dem sich auch große Player schon versucht haben, wenn man an die Funcard der deutschen Post denkt – oder den einen oder anderen Postkartenservice von Fotobuchanbietern. In agiler Startup-Manier hat Oliver Krey, der Gründer von mypostcard.com, den Markt allerdings umgedreht. Er nutzt mit seinem Service eine App, die vom Anwender zum Versenden von Postkarten genutzt werden kann. Ich habe darüber bereits berichtet. Und: Erfolg hat er auch: Jüngst hat er von der Deutschen Post Funcard übernommen.

Funcard von der Deutsche Post AG und MyPostcard.com gehen zukünftig gemeinsame Wege: Quelle: https://www.deutschepost.de/de/f/funcard.html

Anderes Beispiel: Seit März 2016 ist Letterpresso als eines der größten Letterpress-Studios mit seinem eigenen Printshop online. Im Februar 2017 stand der Ausbau der Reichweite für den Printspezialisten aus Essen an, und zwar über eine Kooperation zu einer europäischen Onlineprint-Größe, den Onlineprinters. Qualität hat ihren Preis – und tiefgeprägte Visitenkarten werden nicht durchweg als „typisches“ Onlinedruck-Produkt wahrgenommen. Warum also nicht das Nischen-Erzeugnis mal auf einer größeren Plattform anbieten und damit Kunden, die Letterpress bislang mit Briefen assoziiert haben, bei den handwerklichen Drucksachen auf den Geschmack bringen? Und siehe da – es funktioniert. Da entsteht doch gleich der Wunsch nach mehr solcher Formen der Zusammenarbeit, die den Onlinedruck bereichern.

Bleiben wir einfach mal nur in Deutschland. Labelprint24.de und andere Online-Anbieter von Etiketten sind zweifellos Spezialisten in der „Nische“ Etiketten und Labels. Etiketten sind hoch komplexe Drucksachen, deren Umsetzung (personalisiert oder in Kleinauflagen) in hoher Qualität und das zu Tausenden am Tag nach wie vor eine echte Herausforderung sind – für klassische Akzidenzdrucker aufgrund der Vielfalt und Unterschiedlichkeit kaum zu bewältigen.

Und natürlich gibt es weitere Beispiele auf nationaler und auch internationaler Ebene, wo sich Nischenplayer wie Moo.com ausschließlich auf Karten, Geschäftsdrucksachen beziehungsweise Drucksachen für den Privatgebrauch spezialisiert haben. Auch von Helloprint, einer typischen Plattform für den Verkauf von Drucksachen mit einem unglaublich breiten Angebot auch außergewöhnlicher Druck-Erzeugnisse, hat vor fünf Jahren noch niemand geredet und ein Unternehmen wie Picanova, das großformatige Fotos bis hin zur kompletten Wanddekoration anbietet, wird nur am Rande wahrgenommen.

Doch gerade diese vermeintlichen Nischen im Markt machen das Salz in der Suppe. Und vielleicht ist das eine oder andere „Nischenprodukt“ genau das Stück vom Puzzle, das noch gefehlt hat, um das Bild zu vervollständigen.

My Take: Es wird auch im Onlineprint nicht ohne Partnerschaften und schon gar nicht ohne Nischenplayer gehen. Es gibt immer Platz für eine gute Idee – aber es fällt niemandem etwas in den Schoß. Auch Flyeralarm nicht, die dieses Jahr nahezu monatlich neue Geschäftsfelder angekündigt haben und jüngst in die Werbe- beziehungsweise Beleuchtungstechnik eingestiegen sind. Das alles legt die Vermutung nahe, dass es 2019 im Onlineprint-Markt noch Umbrüche geben wird – und ich bin gespannt, wie sich die alten und neuen Player entwickeln.

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Der Markt für Onlineprint ist gesättigt! So hört man die Branche unken. Weit gefehlt: Kluge Ideen finden immer ihren Markt – so die Regeln des Netzes.
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beyond-print.de

Gründer und CEO von zipcon consulting GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen für die Druck- und Medienindustrie in Mitteleuropa. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater und sein Team aktiv die praktische Umsetzung. Er entwickelt Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure der unterschiedlichsten Branchen. Seine Fachgebiete sind u.a. Online-Print, Mass Customization, Strategie- und Technologie Assessment für Print, sowie die Entwicklung neuer Strategien im Print- und Mediaumfeld. Bernd Zipper ist Initiator und Vorsitzender der Initiative Online Print e.V. und neben seiner Beratertätigkeit Autor, Dozent sowie gefragter Referent, Redner und Moderator. Seine visionären Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen für die Druck- und Medienindustrie. (Profile auch bei Xing, LinkedIn).

Discussion2 Kommentare

  1. Gerhard Märtterer

    Es ist wohl gerade andersrum: Nicht der Kleine schluckt den Großen, sondern die MyPostcard-App wird zum 30. November abgeschaltet. Und die neue FunCard-App bekommt die Funktionalitäten von MyPostcard. Macht schon Sinn: Der gelbe Riese bekommt ganz schnell eine erprobte App, die der Beamtenapparat so pfiffig nie und nimmer selbst entwickelt hätte und die Gründer werden kurzfristig entlohnt. Typisches Beispiel für Nischenkonzepte aus dem Silicon Valley – nur halt im verkleinerten deutschen Massstab.

    • Hallo Herr Märtterer – die Info von mypostcard.de die uns erreichte ist: Wir haben FunCard übernommen. Schaun wir mal, bis wir Details kennen.

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