Der Online-Handel boomt. Dabei kommt er beinahe ganz ohne Postwurfsendungen und gedruckte Werbebroschüren aus. Anbieter wie das niederländische Unternehmen Publitas ermöglichen Händlern, dynamische und digitale Kataloge zu veröffentlichen. Die Druckindustrie profitiert trotzdem vom starken Wachstum im E-Commerce. Goldwert ist dabei der Druck von Verpackungen und unterschiedlichster Beilagen.
Auflagenstärkstes Druckerzeugnis der Welt, mehr gedruckt sogar als der Koran und die Bibel, fast grenzenlose Reichweite: Der gedruckte IKEA-Katalog war eine Legende. Das Ende des Print-Produktes rief bei seinem Bekanntwerden im vergangenen Jahr ein riesiges Echo hervor. Verändertes Kundenverhalten und Medienkonsum waren die Gründe, hieß es damals. Der schwedische Möbelriese folgte damit einem Trend, der auch in Deutschland Spuren hinterlassen hatte: So wurde der gedruckte Katalog des OTTO-Versandhandels bereits 2018 eingestellt. Im Internet lebt der IKEA-Katalog weiter – und setzt dabei nicht nur Trends für Schlafzimmer und Küchen, sondern auch für digitales Marketing.
Der Software-Hersteller Publitas etwa programmiert digitale Prospekte: “Mit ihrer Dynamik können Digitalkataloge die Aufmerksamkeit der Leser lange fesseln“, sagt Julia Dahm, DACH-Regionalmanagerin für das Unternehmen. So werde eine starke Assoziation zur Marke geschaffen. Außerdem sollen „latente Bedürfnisse“ des Konsumenten angesprochen werden. Laut Publitas wissen etwa die Hälfte aller Besucher eines Shops zunächst nicht, was sie kaufen wollen. An dieser Stelle sollen digitale Lookbooks und Kataloge eine Kaufentscheidung begünstigen. Die Konversion wird ermöglicht, „indem man alle für die Kaufentscheidung relevanten Informationen und die Add-to-Cart Funktionalität aus dem Online-Shop direkt in die Publikation integriert“, so Dahm. Datengetriebene Feinanalysen zur Katalog-Nutzung sind darüber hinaus möglich, im Gegensatz zu Print-Katalogen.
Wer seine Inhalte an den Mann oder die Frau bringen will, muss aber auch in unserer zunehmend digitalen Welt bedenken, dass nicht jeder Anwendungsfall digitalisiert werden kann: Wer den ganzen Tag seinen Laden betreut, etwa im Einzelhandel, will womöglich lieber eine flache Broschüre hinter dem Tresen griffbereit haben, statt direkt einen Monitor auf die Theke zu stellen. Die Strategie zur bestmöglichen Marktdurchdringung geht daher nicht vom Medium, sondern vom Inhalt aus: Content First heißt die Devise. Dabei liegt der Fokus kompromisslos auf dem Inhalt. Kanäle sind dabei bloße Datenträger – ganz egal ob als Audio, im Web oder gedruckt auf Papier veröffentlicht wird.
Spannend wird der Online-Handel für die Druckindustrie dann also wieder, wenn er die digitale Welt hinter sich lässt und mit seinen Waren oder Werbungen ganz profan im analogen Leben stattfindet. Die bedruckte intelligente Verpackung, Lieferschein und Rechnung im Transaktionsdruck hergestellt sind nur die Spitze des Gedruckten: Im Karton finden sich meist noch weitere aufwändig produzierte Drucksachen. Gutscheine, Bedienungsanleitungen, (individualisierte) Kärtchen, Labels, Garantiescheine, Broschüren… und das sind erst die Produkte, die auf Papier und Pappe gedruckt sind. Damit profitiert letztlich auch die Druckindustrie mit ihrem klassischen Kerngeschäft von steigenden Online-Umsätzen.
Die eigenen Vertriebsstrukturen der Branche sind dabei häufig ohnehin schon an das „neue Normal“ angepasst: Online-Print ist nicht mehr wegzudenken. Einen Fuß in der Vergangenheit, den anderen in der Zukunft, das ist Realität für die Druckindustrie. Software, wie WordPress mit zahlreichen AddIns, ist der neue Winkelhaken der Mediengestalter. Der ständige Spagat zwischen Tradition und Innovation sorgt im besten Fall für Expertise und Flexibilität in allen Geschäftsbereichen. Die Position an der Schnittstelle von digital und analog ergibt sich dabei nicht nur aus der aktuellen Marktlage: Wir leben weiterhin in einer analogen, haptischen Welt – keine noch so tiefgehende Digitalisierung wird das ändern.
