Ist Künstliche Intelligenz eher Chance oder Bedrohung? Mit dieser Frage haben sich gerade das Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov und Statista beschäftigt – und um es vorwegzunehmen: Die Deutschen sind geteilter Meinung. Doch egal, wie Ihre persönliche Antwort auf diese Frage ausfallen mag: KI verändert unsere Art zu arbeiten – und macht dabei auch vor dem C-Level, also der Geschäftsführungsetage, nicht Halt. Höchste Zeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Das genaue Ergebnis, zu dem YouGov und Statista kamen, ist wenig überraschend: Vor allem die Altersgruppe zwischen 25 und 34 sieht in Künstlicher Intelligenz mehr Chance (30%) als Bedrohung (19%), während das Verhältnis bei den 45- bis 54-Jährigen mit 16% Chance und 24% Bedrohung umgekehrt ist. Der größte Teil der Befragten – und das zieht sich durch alle Altersgruppen hindurch – beantwortete die Frage mit „sowohl als auch“ (27% bis 36%) und immerhin einige können sich weder das eine noch das andere vorstellen (17% bis 23%).
Wenn es um die Gefahren geht, die die Gesellschaft im Einsatz von Künstlicher Intelligenz sieht, rangieren „die Bedrohung der Demokratie“ und „der Wegfall von Arbeitsplätzen“ mit 29% und 28% ganz oben. Während die einen begeistert über Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen dank KI-Anwendungen wie ChatGPT diskutieren, sehen die anderen große Entlassungswellen auf uns zukommen. Welche Berufe am stärksten von KI bedroht sein werden, dazu hatte selbst OpenAI, ihres Zeichens die Entwickler von ChatGPT, in Kooperation mit Open Research und der Universität von Pennsylvania vor wenigen Wochen eine eigene Studie veröffentlicht. Demnach seien es unter anderem vor allem Buchhalter, Mathematiker, Programmierer, Dolmetscher und Journalisten, die durch KI in ihrem Job bedroht seien. Dass sie mit ihrer Einschätzung nicht allein sind, bestätigte Anfang Mai auch IBM-Chef Arvind Krishna, der im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Bloomberg davon ausging, dass in den kommenden Jahren allein in seinem Konzern mehrere Tausend Arbeitsplätze – 7.800 an der Zahl – durch den Einsatz von KI ersetzt werden könnten.
Dass es also anders als in den vergangenen Wellen der Industrialisierung vor allem „Schreibtisch-Berufe“ – sogenannte White Collar Jobs – sind, die von Künstlicher Intelligenz bedroht werden, hat sich längst herumgesprochen. Doch eines wird in der öffentlichen Diskussion noch gerne vergessen: Nämlich, dass KI auch vor dem C-Level, den Jobs der Führungsetage, nicht Halt macht.
Eine KI als Geschäftsführer?
Der chinesische Videospiele-Hersteller NetDragon Websoft hat beispielsweise bereits im August letzten Jahres mit Tang Yu eine KI zum CEO berufen – und fährt damit offiziell augenscheinlich gut, selbst wenn viele an eine PR-Aktion glaubten. Atif Rafiq, der in seiner beruflichen Laufbahn bereits bei Amazon, McDonalds, Volvo, MGM und Flatter Entertainment beschäftigt war, sieht, wie es in einem Artikel auf dem britischen Newsportal Raconteur heißt, jedoch jede Menge Potenzial im Einsatz von KI in der Führungsebene, vor allem, was die Entscheidungsfindung betrifft. „Es wird ein goldenes Zeitalter für diejenigen sein, die mit KI umgehen können“, sagt er dort. KI werde vor allem die Geschwindigkeit der Entscheidungen erhöhen – denn: „Ideen gibt es in Unternehmen im Überfluss. Schwieriger ist es, herauszufinden, welche davon wahrscheinlich funktionieren werden.“ Und genau hier könne KI helfen.
Digital Leadership trifft auf Artificial Leadership
Ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt hat sich auch Prof. Dr. Tobias Kollmann, der an der Universität Essen-Duisburg den Lehrstuhl für Digital Business und Digital Entrepreneurship innehat. In seiner Forschungsarbeit „Artificial Leadership: Digital Transformation as a Leadership Task between the Chief Digital Officer and Artificial Intelligence“, die er zusammen mit seinen Söhnen Kilian und Niklas verfasst hat und das im International Journal of Business Science and Applied Management veröffentlicht wurde, werden alle Aspekte der Thematik beleuchtet – und zwar nicht nur die, in denen es um die Vorteile geht, die KI in der Geschäftsführung bringen kann. Er sensibilisiert zugleich für die ethischen und moralischen Fragestellungen, die früher oder später geklärt werden müssten, wie etwa, ob eine KI überhaupt geschäftsrelevante Entscheidungen treffen und Menschen Anweisungen geben dürfe. Und er stellt Digital Leadership – oft vertreten in Person des Chief Digital Officers – dem Artificial Leadership gegenüber.
Ohne digitale Transformation kein gewinnbringender Einsatz von KI
Eine Zusammenfassung seiner Arbeit gibt es zudem in einem Artikel auf manager-magazin.de. Davon möchte ich besonders eine Passage herausstreichen, weil sie ein Thema unterstreicht, das ich selbst seit Jahren den Druckunternehmen „predige“, nämlich die Wichtigkeit der digitalen Transformation und der dazugehörigen Geschäftsmodelle für den Erfolg in der Zukunft. Nur auf Basis dessen „werden wir in Zukunft überhaupt noch wettbewerbsfähig sein“, sagt Kollmann dazu. Denn erst aus dieser digitalen Transformation ergeben sich „jene Daten, die eine KI braucht, um Muster zu erkennen, diese zu interpretieren und daraus Entscheidungen abzuleiten. Wer also meint, die Pflicht überspringen und direkt zur Kür übergehen zu können – also, KI einzuführen, ohne zuvor eine digitale Transformation durchlaufen zu haben – wird schnell eines Besseren belehrt werden.“ Besser kann man es nicht zusammenfassen, denn wer KI gewinnbringend für sich einsetzen will, muss zuerst seine Hausaufgaben in Sachen digitaler Transformation machen.
Und genau darin liegt die Herausforderung, denn in der Umsetzung werden Mensch und Maschine direkt aufeinandertreffen und somit Zuständigkeiten geklärt werden müssen. Das sei der Punkt, an dem ein „Spannungsfeld zwischen der Digitalisierung des Bestandsgeschäfts und der Entwicklung des digitalen Innovationsgeschäfts für die Führung“ entstehe. Ist in Zukunft also eine Aufgabenteilung zwischen KI und Mensch realistisch? Es sind essenzielle Fragen, die es zu klären gilt.
Wer sich tiefergehend mit der Thematik auseinandersetzen möchte, wie KI auch die Unternehmensführung verändert, der sollte einen Blick das gerade erschienene Buch „Artificial Leadership: Die Revolution für die Unternehmensführung“ werfen, das Prof. Dr. Tobias Kollmann zusammen mit seinen Söhnen Kilian und Niklas Kollmann geschrieben hat – absolute Leseempfehlung!
„KI Due-Diligence“
Und noch ein Hinweis in eigener Sache: Gemeinsam mit Prof. Dr. Peter N. Posch, Professor an der Technischen Universität Dortmund und Direktor des Zentrums Finance, Risk and Ressource Management (FiRRM) und Co-Autor (mit Jörg Schieb) des Buches „Der Digitalschock: Was vom Hype bleiben wird – so verändern ChatGPT, Bard & Co. unseren Alltag“, bietet zipcon consulting eine „KI Due-Diligence“ an. Im Rahmen dieses zweitägigen Vor-Ort-Workshops in Ihrem Unternehmen geht es um die Frage, ob, wo und unter welchen Bedingungen sich im individuellen Fall Künstliche Intelligenz gewinnbringend einsetzen lässt. Dazu analysieren wir gemeinsam die Gegebenheiten, Strukturen und Prozesse Ihres Unternehmens, identifizieren potenzielle Einsatzbereiche und erarbeiten, welche Voraussetzungen eventuell geschaffen werden müssen. Am Ende des zweitägigen Workshops stehen konkrete Handlungsempfehlungen – quasi ein „Workbook“ von Profis für Profis. Bei Interesse kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu: info@zipcon.de.
