Ein Drucker berichtete mir, dass er den Funktionsumfang seiner Branchensoftware mit seiner eigenen Mannschaft aus der Vorstufe in Richtung CRM weiterentwickelt und sein EcoSystem für einen Kunden um die Abonnenten-Verwaltung erweitert hat. Ist das sinnvoll? Moderne Time-to-Market Strategien im Zuge der Digitalisierung verbieten monatelanges Warten auf die Sonderprogrammierung durch den Software-Lieferanten, so er das überhaupt anbietet. Abhilfe können Low Code Plattformen bieten. Die Crisp Research AG hat in Kooperation mit mehreren Technologie-Partnern eine empirische Studie erstellt, die wir uns in dem Zusammenhang mal genauer durchgelesen haben.
Ob es gelingt, „im Alleingang“ zur App zu kommen, wie das Handelsblatt in seiner Ausgabe 53 titelte, hängt sicher von individuellen Ressourcen und Fähigkeiten ab. Low Code bedeutet nicht Low Knowledge. Aber sicher ist Low Code ein Sprungbrett zur Optimierung digitaler Prozesse. Digitale Geschäftsmodelle und Anwendungen sind abhängig von professionellen Entwicklern, sogenannten Codern, und haben oft lange Entwicklungszeiten. Mehr als 60 Prozent aller Anwendungen benötigen heute auf traditionellem Weg zur Fertigstellung mehrere Monate. Das liegt meistens daran, dass die Coder eben keine Fachkenntnisse haben. „Es dauert ewig, bis ein Programmierer eine Druckerei verstanden hat“, sagte mir mal der CEO eines Software-Hauses. Mit Low Code Development kann der Entwicklungsprozess deutlich beschleunigt werden, da die Entwicklung unter Umständen direkt oder sehr nahe an den Fachabteilungen im eigenen Haus erfolgen kann.
Wer unternehmerisch handelt, der investiert seine Zeit und finanziellen Mittel derzeit in digitale Geschäftsmodellinnovationen und -umsätze. Die neue App eines Start-Ups auf dem Weg zum disruptiven Unicorn, das interaktive Social Intranet & Wissensmanagement der eigenen Firma oder die digitale Plattform des Industriekonzerns und Produktherstellers folgen der gleichen Idee: Mit einer guten digitalen Lösung durch mehr Effizienz oder neue Einnahmequellen den wirtschaftlichen und innovativen Fortbestand des Unternehmens zu sichern, schreibt Dr. Carlo Velten, CEO Crisp Research AG, im Vorwort der aktuellen Studie aus seinem Haus.
Die Studie soll ein umfassendes Bild zum aktuellen Stand und Einsatz sowie den Anwendungsbereichen von Low Code Development in Unternehmen der DACH-Region präsentieren. Aus diesem Grund wurde eine empirische Befragung mit 150 IT- und Business-Entscheidern aus Unternehmen verschiedener Branchen und Größenklassen erhoben. Damit kann die Studie allen Personen, die an (mobile) Webseiten und Apps arbeiten, Einblicke und konkrete Handlungsempfehlungen zur Planung und zum Einsatz des neuen Technologie-Trends geben.
Sechs Thesen mit eindrucksvollen Zahlen belegt
- Unternehmen stehen vor der Herausforderung, zahlreiche neue Anwendungen in das Unternehmen zu bringen und zu verwalten. Die Entwicklung und das Management dieser großen Zahl werden zur Schwierigkeit. Insgesamt 92 Prozent der befragten Entscheider geben an, dass durch die Digitalisierung die Anzahl der geschäftskritischen Applikationen und Anwendungen gestiegen ist. Knapp die Hälfte der Unternehmen (47 Prozent) hat im Zuge der Digitalisierung einen starken oder sehr starken Anstieg an geschäftskritischen digitalen Anwendungen zu verbuchen.
- Im Zuge der Digitalisierung ist es wichtig, sich innerhalb der digitalen Assets abzugrenzen und die Intellectual Property (IP Management = ist ein zusammenfassender Begriff für alle strategischen und operativen Tätigkeiten sowie Managementaufgaben, die Teil des wirtschaftlich orientierten Umgangs mit geistigem Eigentum sind) zu sichern. Daher tendieren Unternehmen vor allem zum Insourcing ihrer Digitalisierung und Anwendungsentwicklung. Um die Softwareentwicklung dahingehend voranzutreiben, ergreifen Unternehmen schon zahlreiche Maßnahmen. Streng organisiertes Projektmanagement (39 Prozent) und Agile Development (35 Prozent) sind die favorisierten Methoden, die den Erfolg der Softwareentwicklung heute und zukünftig beschleunigen sollen. Damit sind zwei gegenläufige Methoden führend. Während das streng organisierte Projektmanagement einen eher bürokratischen, linearen Ablauf verfolgt, wird durch agile Methoden ein flexibler und schlanker Prozess bevorzugt. In der Praxis haben wir beobachtet, dass ein Mix durchaus sinnvoll ist. Vor allem darf man nicht überorganisieren, aber auch nicht völlig ohne Regeln bleiben.
- Die Relevanz und Bekanntheit von Low Code Development in deutschen Unternehmen ist derzeit noch gering. Etwa 24 Prozent der deutschen Unternehmen programmieren schon Low Code. 41 Prozent der Befragten meinen, dass Low Code ein gutes Framework für Standard-Apps darstellen kann.
- Low-Code-Development-Plattformen sind in der Lage, die Schwierigkeiten der Anwendungsentwicklung im Hinblick auf Qualität, Time-to-Market und Management zu reduzieren. Typische Use Cases sind Info-Apps für Mitarbeiter und Mitarbeiter-Portale, mit denen sich beispielsweise TQM-Strategien unterstützen lassen. Etwa 40 Prozent der Entwicklungsleistung geht in diese Richtung. BPM folgt mit rund 30 Prozent, CRM und Kundenportale folgen mit jeweils rund 25 Prozent auf dem dritten Platz der Einsatzszenarien für Low-Code-Plattformen.
- Low Code Development und klassisches Coded Development werden stärker zusammenwachsen. Low Code und native Code wachsen zusammen ‒ Die Hälfte der Entscheider bevorzugt bei der Anwendungsentwicklung in allen Einsatzbereichen die Kombination aus klassischer Programmiersprache und Low Code. Zwei Drittel der befragten Unternehmen zielen auf die schnelle Entwicklung und Anpassung von Anwendungen ab. Wobei natürlich gelten muss „Low Code & Profi-Entwickler – gehen Hand in Hand!“
- Aufgrund der technischen Komplexität bei der Einführung, Integration und dem Umgang mit einer Low-Code-Plattform, wird sich die Lösung nur in technologieaffinen Unternehmen durchsetzen. Es zeichnet sich laut der Studie ab, dass Low Code insbesondere ein organisatorisches Thema ist. Insgesamt 50 Prozent der Unternehmen kann die organisatorischen Voraussetzungen, auf Seiten der Prozess- und Unternehmenskultur, noch nicht abbilden. Um eine Low-Code-Entwicklungsumgebung in den Business Alltag etablieren zu können, müssen vor allen Dingen die bisherige Art und Weise der Kommunikation und Zusammenarbeit neu überdacht werden. Ganz oben auf der To-Do-Liste „Zukunftsplanung Low Code“ steht bei 54 Prozent der Unternehmen die Schulung der Mitarbeiter. Zu einer grundlegenden Weiterbildung gehören Ausbau und Erweiterung der Low-Code-Skills, sodass die Mitarbeiter lernen, wie ein Low-Code-Tool effizient genutzt werden kann. Wichtig ist es hierbei, die Mitarbeiter von Anfang an in den Einführungsprozess einzubeziehen und sie auf eventuelle Veränderungen in ihrem Arbeitsprozess vorzubereiten.„Low Code ist mit Veränderungen verbunden und müssen gemanagt werden, wenn sich Erfolge einstellen sollen.
„Viele Unternehmen in der Druckindustrie müssen den kulturellen und organisatorischen Boden erst bereiten. Tun sie das nicht, dann sind sie nicht nur abhängig von teilweise trägen Software-Dinos, sondern abgehängt von neuen, lukrativen Geschäftsmodellen.“ – Bernd Zipper
Low Code Development verändert die Software Entwicklung
Neue Tools und Lösungen sorgen dafür, dass mobile Apps zukünftig dank vorkonfektionierter Templates „zusammengebaut“ werden können – das setzt ein enormes Potenzial für die Zusammenarbeit der Development-Profis und Nicht-Entwickler in den Fachabteilungen frei.
Low Code kann ein neues Level der Agilität mit gut organisiertem Projekt- und Organisationsmanagement verbinden. Laut der Studie wollen 71 Prozent der befragten Unternehmen als Alternative zum klassischen Entwicklungsprozess evaluieren, wie Low Code ihnen in der Digital Economy helfen kann.
Die Entscheider erwarten von Low-Code Plattformen vor allem neue Möglichkeiten zur Generierung digitaler Umsätze bei gleichzeitiger Kostenreduktion und Effizienzsteigerung. Damit verbunden sind auch die Steigerung der Möglichkeiten in der digitalen App-Entwicklung oder die Verbesserung der Anwendungs- bzw. API-Architektur.
Für die optimale Ausgangslage bei der App-Entwicklung müssen Low Code und klassisches „Hand Coding“ zusammenwachsen. Die Kombination der Agilität, Geschwindigkeit und Management-Funktionen von Low Code mit dem Detailgrad und der Variabilität des klassischen Codings kann den Unternehmen den entscheidenden Vorteil verschaffen.
Low-Code-Development-Plattformen können eigenständig als Entwicklertool oder als Teil einer Suite bereitgestellt werden. Die führenden Low-Code-Plattformen sind entweder vollständig auf Low Code fokussiert, gehören zu einer anderen App-Entwicklungs- und Integrationsoberfläche oder sind Teil einer Collaboration- und BPM-Plattform. Der Einsatzbereich und das Development-Skill-Niveau spielen bei der Auswahl die maßgebliche Rolle.
Low Code ist mehr als eine Development-Plattform. Es revolutioniert die Anwendungsentwicklung, begründet wichtige Teile des Digital Business und bedeutet eine neue Programmier- und Organisationsphilosophie. Dies muss zusammenspielen, um es erfolgreich nutzen zu können. Gerade im kulturellen und organisatorischen Wandel hat aber die Hälfte der Unternehmen noch Nachholbedarf.
Nach dem Aufbau von Skills und Know-how werden Low-Code-Development-Plattformen in den nächsten Jahren eine beliebte Anlaufstelle für die Entwicklung zahlreicher Kundenanwendungen und digitaler Geschäftsprozesse. Die Hälfte der Unternehmen ist sich einig, dass mehr als 21 Prozent aller Anwendungen zukünftig via Low Code entwickelt werden.
Ob Workflow- & Collaboration-Apps für Mitarbeiter oder schlichte Info-Apps, ob Business-Apps für ERP oder Sales und Marketing – die Einsatzbereiche sind vielfältig. Gerade für den Kunden sollen zukünftig vermehrt Apps via Low Code entwickelt werden. Gefragt nach dem Anteil von Anwendungen, der bis zum Jahr 2025 mit Low-Code-Plattformen gebaut werden können, zeigen sich die Entscheider recht optimistisch und prognostizieren Low Code eine erfolgreiche Zukunft. Der Großteil (36 Prozent) der Entscheider schätzt, dass elf bis 20 Prozent aller Anwendungen zukünftig mit Low-Code Plattformen entwickelt werden. Weitere 27 Prozent gehen sogar davon aus, dass der Anteil 21 bis 30 Prozent ausmacht. An einen noch höheren Anteil von über 31 Prozent glaubt ein Fünftel der befragten Entscheider.
Quellen: crisp RESEARCH Studie 2019: Low Code Development / Artikel Handelsblatt Nr. 53
