Umsatzhoffnung Crossmedia: Von der linken in die rechte Tasche?

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Es wird ja gerne und viel über Crossmedia gesprochen. Manche sehen darin gar ein Allheilmittel gegen die von vielen befürchtete Bedeutungslosigkeit der Printmedien im digitalen Umfeld. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich Crossmedia nur als Schlagwort, über das man zwar stundenlang diskutieren kann, doch zu keinem praktisch umsetzbaren Ergebnis kommt.

Denn bei Crossmedia handelt es sich um aufeinander abgestimmte Aktionen im Medienmix. Und nicht etwa um eine neue Technik oder einen neuen Markt. Etwa so, wie wir es auch aus dem alltäglichen Leben kennen: In einer Kleinstadt gibt es einen Bäcker, einen Metzger, einen Käse-Laden, einen Fischhändler, ein Obstgeschäft und einen Getränkemarkt (es könnte auch ein großer Supermarkt sein, aber lassen wir es beim Einzelhandel). Jeder verkauft seine Waren mehr oder weniger gut, größere Mengen auch bei Festen und anderen Anlässen. Jetzt kommt einer der Einzelhändler auf die Idee, man könne sich doch zusammentun und gemeinsam einen Catering-Service anbieten, zu dem jeder etwas aus seinem Sortiment beisteuert. Natürlich wird das funktionieren, aber die Haushalte kaufen für ein Fest jetzt nicht mehr beim Einzelhändler ein, sondern bestellen beim Catering-Service, der die Lebensmittel wiederum bei den Einzelhändlern bezieht.

Ist das jetzt ein neuer Markt, ein zusätzliches Geschäft oder wird das Geld nur von der linken in die rechte Tasche geschoben? Letzteres! Denn zusätzlich verdient wird nur an der Dekoration und am Service.

Zweifellos: Crossmediale Anwendungen können zu mehr Beachtung führen und die Aufmerksamkeit von einem auf ein anderes Medium lenken.
Zweifellos: Crossmediale Anwendungen können zu mehr Beachtung führen und die Aufmerksamkeit von einem auf ein anderes Medium lenken. (Bildquelle: Jörg Schiemann ©123rf.com)

Genau so ist es auch bei Crossmedia. Die notwendigen Zutaten sind allesamt vorhanden. Sie werden jetzt nur anders angeordnet, in einer anderen und zusammenhängenden Reihenfolge angerichtet. Dabei vergrößert sich der Umsatz allerdings kaum. Es werden auch keine neuen Erlösquellen generiert. Oder steigt bei einer Druckerei etwa die Wertschöpfung, wenn ein QR-Code mitgedruckt wird? Eher könnte eine Website wertvoller werden und zusätzlichen Umsatz erzielen, wenn sie über einen Link mit einer Drucksache verbunden ist.
Zweifellos: Crossmediale Anwendungen können zu mehr Beachtung führen und die Aufmerksamkeit von einem auf ein anderes Medium lenken. Das ist jedoch rein konzeptionelle Arbeit, die das Marketing leisten muss. Einen nennenswerten Mehr-Umsatz im crossmedialen Umfeld kann eine Druckerei jedoch nur durch Beratung oder Service erzielen. Ob den Kunden dieser Mehrwert aber auch etwas wert ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Zumal das, was Druckereien unter Mehrwert verstehen, meist nur kostenlos oben drauf gegeben wird.

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„Einen nennenswerten Mehr-Umsatz im crossmedialen Umfeld kann eine Druckerei jedoch nur durch Beratung oder Service erzielen.“
– Bernd Zipper

Crossmedia ist also kein Zusatzgeschäft und wird auch nicht dazu beitragen, dass mehr gedruckt wird. Da fragt man sich schon, warum sich Druckereien weiterhin mit Crossmedia beschäftigen sollen, wie es Verbände, einige Hersteller und die eine oder andere Messe empfehlen.

Wenn das Volumen an traditionellen Drucksachen zurückgeht, sollte man folglich weniger Energie darauf verwenden, sich mit anderen Medien zu vernetzen (das ist ja, wo es geht, längst geschehen), sondern Drucksachen neu erfinden oder über Drucksachen nachdenken, die bisher keine waren. Zum Beispiel Drucksachen schaffen, die selbst das Medium sind. Etwa gedruckte Lautsprecher (printed elektronics), die die Seiten eines Magazins eine Geschichte erzählen lassen. Oder Drucksachen, in denen Displays, Sensoren, Chips, und Antennen samt Batterien eingebettet sind, die mit der Umwelt interagieren.

Natürlich kann es auch ein personalisierter Digitaldruck mit pURL sein, aber viel spannender wäre doch eine leuchtende Tapete oder eine, die gleichzeitig die Lautsprecher des Surround-Systems sind. Und wenn gedruckte Lautsprecher möglich sind, warum nicht auch Mikrofone, die einem anderen Medium sagen, was es tun soll? Interaktive Verpackungen, die das Kassestehen erübrigen, indem sie mit dem Kassensystem kommunizieren, intelligente Etiketten für die Überwachung der Lebensmittel-Kühlkette und vieles mehr.

Das sind ja alles keine neuen Ideen. Doch das, was mit Papierelektronik umschrieben werden kann, lässt das Konzept Crossmedia alt aussehen. Das wären dann Drucksachen, die neue Impulse setzen und nicht etwa anderen Medien hinterherlaufen.

Noch ein kleiner Hinweis am Rande: Gemeinsam mit meinen guten alten Freund und Kollegen Klaus-Peter Nicolay befassen wir uns mit dem Thema intensiv In der kommenden Ausgabe vom Druckmarkt und vielleicht erlaubt Nico es sogar dann zu verlinken.

 

Gründer und CEO von zipcon consulting GmbH, einem der führenden Beratungsunternehmen für die Druck- und Medienindustrie in Mitteleuropa. In den unterschiedlichsten Kundenprojekten begleiten der Technologie- und Strategieberater und sein Team aktiv die praktische Umsetzung. Er entwickelt Visionen, Konzepte und Strategien für die im Printerstellungsprozess beteiligten Akteure der unterschiedlichsten Branchen. Seine Fachgebiete sind u.a. Online-Print, Mass Customization, Strategie- und Technologie Assessment für Print, sowie die Entwicklung neuer Strategien im Print- und Mediaumfeld. Bernd Zipper ist Initiator und Vorsitzender der Initiative Online Print e.V. und neben seiner Beratertätigkeit Autor, Dozent sowie gefragter Referent, Redner und Moderator. Seine visionären Vorträge gelten weltweit als richtungsweisende Managementempfehlungen für die Druck- und Medienindustrie. (Profile auch bei Xing, LinkedIn).

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