Markt: Umweltkiller Beilage? Die Wahrheit sieht ganz anders aus

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Werbeprospekte sind angesichts der digitalen Alternativen nicht mehr zeitgemäß – und noch schlimmer, sie sind Klimakiller. Das wird oft von denjenigen ins Feld geführt, die ihre gedruckte Angebotskommunikation gerade eingestellt haben oder es planen. Wahr ist weder das eine noch das andere, wie Dr. Ralph Dittmann, Geschäftsführer der WKS Gruppe, auf dem Online Print Symposium 2023 mit Hilfe aktueller Zahlen eindrucksvoll zeigte.

Die WKS Gruppe, die zehn erfolgreiche Druck- und Medienunternehmen, wie beispielsweise Westend, Kraft-Schlötels, Haberbeck oder Häuser Druck unter einem Dach vereint und ebenso Service- und Fulfillment-Dienstleistungen anbietet, ist mit insgesamt mehr als 1.000 Mitarbeitern und einem Gesamtumsatz von 400 Mio. Euro ein echtes Schwergewicht im deutschen Druckmarkt. Dabei liegt der Fokus der Unternehmensgruppe auf einem Produkt, das gerade im letzten Jahr für allerlei Diskussionsstoff sorgte: die Beilage, produziert im Rollenoffsetdruck.

Bereits 2006 hatte WKS begonnen, genau in diesem Bereich zu expandieren und ist seitdem konstant gewachsen. „Wir sind jetzt bei 12 Mrd. 16-Seitern – um das zu übersetzen: Wir drucken 6.100 DIN-A4-Seiten in jeder Sekunde, im Durchschnitt, und das das ganze Jahr“, erklärte Dr. Ralph Dittmann auf dem OPS 2023. „Es sind fast 400.000 Tonnen Papier, die wir mit unseren Druckmaschinen bedrucken. Damit sind wir in Europa mittlerweile der viertgrößte Rollen-Akzidenzdrucker und der größte Beilagendrucker in Europa.

Die größte Herausforderung für Beilagendrucker ist aktuell, wie Dittmann in München offen erklärte, vor allem der gestiegene Papierpreis, der zuletzt mitunter für eine Verdoppelung der Kosten für Prospekte gesorgt hat. „Es ist nicht die Kundennachfrage, es sind die Papierpreise“, so Dittmann.

Beilagen-Volumen wuchs stetig

Apropos Kundennachfrage: „Was kaum einer weiß“, führte Dittmann aus, „bis vor Corona ist die Beilage gewachsen wie der Wahnsinn“. Sogar so stark, dass seit 2009 das Akzidenzvolumen trotz schrumpfender Tiefdruck- und „Rest“-Offsetkapazitäten bis vor 4 Jahren weitestgehend stabil bei rund 5,5 Mio. Tonnen blieb. Nach Papier- und Corona-Krise lag das Akzidenzvolumen nach Aussage des Fachmanns 2022 noch bei 3,9 Mio. Tonnen, davon entfiel mit 1,9 Mio. Tonnen dennoch der weitaus größte Teil auf Beilagen im Offset.

Prospekte sind unverzichtbar

Dass sich die Beilage aber, abgesehen vom krisenbedingten Einbruch, viele Jahre im Aufschwung befand – und auch noch heute eine wichtige Rolle in der Angebotskommunikation spielt, zeigte Dr. Ralph Dittmann anhand von aktuellen Studienergebnissen der IFH Köln. Der Prospektmonitor 2023 kam dabei zu interessanten Ergebnissen: „Es wurde unter anderem gefragt, wie häufig die Teilnehmer Printprospekte nutzen. Gelegentlich gaben 91% der Befragten an, wöchentlich 79%. Und das Interessante ist: diese Zahlen steigen“, erklärte Dittmann. „Durch die extremen Kosten und die Inflation ist die Preissensitivität viel höher. Die Menschen beschweren sich sogar, wenn die Beilagen fehlen, denn sie wollen die Preise vergleichen. Wir sehen aber auch: Der digitale ‚Ast‘ wächst – doch auf einem ganz anderen Niveau. Nur vier Prozent der Menschen, die sich über Angebote informieren, tun dies ganz ohne Print, 96% hingegen mit Druck. Der entscheidende Faktor heißt also: Beides. Es ist nicht ein Entweder-Oder – es ist der hybride Nutzer.“ (Mehr zur Relevanz von gedruckten Prospekten auch im Beyond-Print-Artikel „Darum ist Print in der Angebotskommunikation unverzichtbar“)

Das habe man auch bei Corona beobachten können: Die Läden wurden geschlossen und trotzdem wurden Beilagen gedruckt. Denn der gedruckte Prospekt rangiert selbst bei Onlinekäufen, wie der Prospektmonitor 2023 zeigte, unter den wichtigsten Informationsmedien. „Deshalb hybrid“, fasste Dr. Ralph Dittmann zusammen, „Online- oder stationärer Kauf, Papier und Digital gehören zusammen.“

Die Sache mit der Nachhaltigkeit

Ein anderes Argument, mit dem sich Beilagendrucker ständig konfrontiert sehen: Beilagen vernichten Bäume und sind Umweltkiller. „Da habe ich ein ganz anderes Bild“, erklärte der WKS-Geschäftsführer und untermauerte seine Aussagen mit aktuellen Zahlen. Nicht nur, dass WKS das erste Rollendruckunternehmen war, das einen Blauen Engel bekommen hatte, oder dessen 160-Seiten-Maschine, mit einer Bahnbreite von 4,5 m die größte der Welt, dank ihrer ressourcenschonenden Eigenschaften von der Bundesumweltministerin eingeweiht wurde. „In unserer Gruppe sind wir außerdem komplett EMAS-zertifiziert. Unsere Umweltberichte sind im Internet zu finden, Sie können alles nachlesen, wir müssen alles reporten“, führte der Geschäftsführer aus. Und auch der Carbon Footprint der WKS Gruppe liege mit 0,5 kg CO2 pro kg Papier am besten WKS-Standort und durchschnittlich 1 kg CO2 pro kg Papier deutlich unter dem, was selbst Climate Partner mit 1,8 kg CO2/kg Papier für seine Kompensationsprojekte für Print zugrunde legt.

Zahlen widerlegen den Mythos vom „bösen“ Druckprodukt

Spannend war auch, wie Dr. Ralph Dittmann den Mythos über die vermeintlich schädlichen Beilagen widerlegte, indem er die CO2-Emissionen von Print basierend auf Daten des Umweltbundesamtes sowie bifa-Text nüchtern denen anderer Branchen gegenüberstellte. Alle von ihm aufgeführten Zahlen können in diesem Artikel nicht dargestellt werden, doch die wichtigsten Aussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Deutschland ist mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 227 kg Papier im Jahr (vor Corona) Papier-Weltmeister. Doch, so Dittmann, „wir sind Papierweltmeister nicht, weil wir so viel drucken, sondern weil wir uns zu viel bestellen“. Denn den Löwenteil des Papierverbrauchs machen Verpackungspapiere aus.
  • Jeder Bundesbürger verursacht statistisch knapp 10 Tonnen CO2 im Jahr. Die 15 bis 20 kg Beilagen, die davon pro Einwohner und Jahr anfallen, machen rund 0,2 % aus, zwischen 15 und 20 kg CO2/Jahr. Vergleich: Ein Kilogramm Fleisch verursacht nach Angaben des Umweltbundesamtes im Schnitt gut 15 kg CO2, bei Bio-Rindfleisch sind es sogar fast 22 kg CO2. Bei einem durchschnittlichen Fleischverbrauch in Deutschland von 60 kg Fleisch pro Jahr, liegt allein hier der CO2-Ausstoß bei weit mehr als 900 kg CO2 pro Jahr und Bürger. Unser Essverhalten verursacht also ein Vielfaches der CO2-Emissionen von Beilagen.
  • Die geschätzten CO2-Emissionen, die pro Bürger durch Informationstechnik entstehen, werden von Statista auf knapp 850 kg CO2 pro Jahr geschätzt.
  • Druckerzeugnisse haben am gesamten CO2-Fußabdruck eines Menschen in Deutschland einen Anteil von nicht einmal einem Prozent, hat der Bundesverband Druck und Medien vor nicht allzu langer Zeit berechnet. Davon wiederum machen, so Dr. Ralph Dittmann, Beilagen gerade mal ein Viertel aus.
  • In Sachen Wald- und Aufforstung ist Deutschland, wie er beschrieb, vorne dabei. Hierzulande werde massiv auf- und umgeforstet, in kaum einem anderen europäischen Land wuchs im Verhältnis der Fällungen und Neuanpflanzungen der Wald so stark wie in Deutschland – auch wenn diese Zahlen schon einige Jahre alt sind und aktuellere Zahlen wohl erst im nächsten Jahr veröffentlicht werden.
  • Finanziert werden die Auf- und Umforstungsmaßnahmen vornehmlich durch die FSC/PEFC-Lizenzgebühren. Und gerade der Anteil der so zertifizierten Papiere hat seinen Anteil in der grafischen Industrie dramatisch vergrößert.
  • Bei der WKS Gruppe kommt ausschließlich Papier mit FSC-/PEFC-Zertifikat zum Einsatz.

Onlineprint kann vom High-Volume-Druck lernen

Gerade im Beilagendruck ist in den letzten Jahren extrem viel in Sachen Nachhaltigkeit passiert. Daran können oder sollten sich Onlineprinter, bei denen noch einmal eine andere Papierauswahl und Veredelungen eine wichtige Rolle spielen, ein Beispiel nehmen. Auch die WKS Gruppe hat nach der Übernahme der Häuser KG inzwischen einen Onlinedrucker im Unternehmensverbund und will auch hier mit gutem Beispiel vorangehen. Dass (noch) mehr Nachhaltigkeit auch im klassischen Onlineprint möglich ist, davon ist Dr. Ralph Dittmann überzeugt. Kein Wunder also, dass er schon im Titel seines Vortrags für mehr „Innovation statt Verbot“ plädierte.

My Take: Printprodukte werden viel zu oft unreflektiert als nicht nachhaltig abgestempelt. Dabei sieht die Realität ganz anders aus. Denn mit einem Medium, das sich so gut recyceln lässt wie Papier, mit Produktionsverfahren, die immer besser werden, mit FSC-/PEFC-Lizenzgebühren, die helfen, den Wald aufzuforsten, und mit einer nachgewiesenen höheren und langfristigeren Wirkungsdauer der gedruckten Botschaft, braucht sich die Druckindustrie nicht verstecken. Es ist Zeit, den Stimmen, die mit ‚zugemüllten‘ Briefkästen und dem CO2-Verbrauch der Papier- und Druckproduktion argumentieren, bei der Einordnung von Print zu helfen – und den Spiegel vorzuhalten.
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Werbeprospekte sind angesichts der digitalen Alternativen nicht mehr zeitgemäß – und noch schlimmer, sie sind Klimakiller. Das wird oft von denjenigen ins Feld geführt, die ihre gedruckte Angebotskommunikation gerade eingestellt haben oder es planen. Wahr ist weder das eine noch das andere, wie Dr. Ralph Dittmann, Geschäftsführer der WKS Gruppe, auf dem OPS 2023 mit aktuellen Zahlen eindrucksvoll zeigte.
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beyond-print.de

Für viele in der Druckindustrie ist sie keine Unbekannte: Fast 14 Jahre lang war Judith Grajewski für das Fachmagazin Deutscher Drucker tätig; hat als Redakteurin vor allem über den Wachstumsmarkt Digitaldruck berichtet, als Online-Verantwortliche das Portal print.de und die Social-Media-Kanäle mit aufgebaut und sich als „Transaction Editor“ mit Content-Management- und Marketingstrategien beschäftigt. Nach einem kurzen Intermezzo als Chefredakteurin des Werbetechnik- und LFP-Fachportals Sign&Print beim schwedischen AGI-Verlag, bleibt die studierte Dipl.-Ing. für Medientechnik (FH) ihrer Leidenschaft für Print treu und widmet sich nun der Beratung und Projektbegleitung von Druckunternehmen auf ihrem Weg in eine digitalisierte Zukunft. Darüber hinaus gibt sie als Redaktionsleiterin von Beyond Print regelmäßig Einblick in relevante Themen des E-Business Print. (Profil bei Xing, LinkedIn)

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