Ende letzten Jahres wurden zwei bekannte Hersteller von MIS-Systemen übernommen: Hiflex von HP und alphagraph wurde von EFI gekauft. Was das für Auswirkungen auf die Bestandskunden haben könnte, kommentiert Stephan A. Göbeler von printexpert Marketing & Consulting in einem interessanten Beitrag in der Xing Media & Publishing Gruppe, moderiert u.a. von Bernd Zipper, Geschäftsführer zipcon consulting GmbH.

… wohin geht dann die Reise für die Passagiere?
Drei MIS-Schiffe fahren seit letztem Jahr unter neuer Flagge. Ehemalige MIS-Kapitäne haben das Ruder an andere übergeben. Insbesondere die Kunden der weit verbreiteten alphagraph-Systeme Prinance und Printy müssen sich nunmehr fragen, wo die Reise hingeht.
Zum Ende des letzten Jahres schnürten HP mit dem MIS-Anbieter Hiflex und EFI mit alphagraph dicke Pakete, die sie den Anwendern, sehr zu deren Überraschung, als Geschenk unter den Weihnachtsbaum legten. Für viele, insbesondere alphagraph-Kunden, eher eine unliebsame Überraschung.
Den Übernahme-Reigen begonnen hatte die Heidelberger Druckmaschinen AG mit der belgischen Software CERM, welche nunmehr zum Prinect Business Manager, vermutlich bis zur DRUPA 2012, avancieren soll. Ebenfalls gespannt sein darf man, was HP mit Hiflex präsentieren wird. alphagraph-Kunden jedoch warten vergeblich auf diesen Termin. Wieder einmal und offenbar endgültig: Das über Jahre propagierte und versprochene – für Wartungskunden kostenlose – Prinance-Nachfolgesystem „Genius“ wird es nicht geben. Bedingt durch den Verkauf von alphagraph an EFI wurde die Entwicklung eingestellt.
Das Geschäftsmodell von EFI liegt allerdings nicht primär in der MIS-Entwicklung, sondern in der Übernahme von Unternehmen der grafischen Industrie. Mit weltweit wenigen hundert installierten eigenen MIS-Systemen betritt EFI im deutschen MIS-Markt absolutes Neuland. Es ist erklärtes Ziel, die neuen Kunden langfristig zu Kunden der eigenen Produkte zu machen. EFI bringt aber nicht nur seine eigenen bzw. zugekauften MIS-Produkte mit. Sondern für die ehemaligen alphagraph-Kunden wird auch klargestellt, dass es zukünftig für Prinance und Printy zwar Support, jedoch keine Weiterentwicklung geben werde. Damit schickt die neue Reederei die „MS Prinance“ und die „MS Printy“ zwar zur Restauration ins Dock. Eine Reise werden diese jedoch nicht mehr antreten. Endstation Schifffahrtsmuseum.
Für viele Prinance- und Printy-Kunden erweist sich diese Situation als Dilemma: Sie haben die Entwicklung des Nachfolge-MIS Genius jahrelang durch Wartungsgebühren bezahlt. Jetzt fühlen sie sich im wahrsten Sinne des Wortes verkauft und müssen zudem früher oder später erneut in MIS-Software investieren – wenn sie mittelfristig innovativ und wettbewerbsfähig bleiben wollen. Denn die EFI-Produkte wird es wohl auch für die ehemals treuen alphagraph-Wartungskunden nicht zum Nulltarif geben. Investitionen im fünf- oder gar sechsstelligen Bereich für ein MIS sind – nicht nur in der heutigen Branchenkrise – für tausende klein- und mittelständische Druckbetriebe nicht wirtschaftlich zu rechtfertigen, geschweige denn bezahlbar. Die ehemaligen alphagraph-Kunden sind damit eindeutig Verlierer der neuen Situation. Da es auch nur einen Gewinner gibt, sieht eine Win-Win-Situation anders aus.
Fazit:
In der Perspektive MIS stellt sich grundsätzlich die Frage, welche alternativen – ebenfalls mittelständischen – MIS-Anbieter sich in der Zukunft auf einem schrumpfenden Markt mit einem zukunftweisenden System behaupten und den Kundenbedürfnissen dienen können. Welche Anforderungen müssen MIS-Systeme für die Druckbranche überhaupt in der Zukunft bewältigen können? Modularität, Skalierbarkeit, offene (herstellerunabhängige) und standardisierte Schnittstellen zu Web-to-Print-, Publishing- und Workflow-Komponenten sind dabei sicher einige der wesentlichen Chancen, die die neue Situation im MIS-Markt bietet. Sowohl für die klein- und mittelständischen Druckbetriebe als auch für die Softwareanbieter.
Insbesondere für die auf der MS Prinance und MS Printy ausharrenden Passagiere bleibt, dass sie eine Entscheidung treffen müssen, welche zukünftigen Reiseziele es zu erreichen gilt und ob ein Schiff im Trockendock dafür geeignet ist.
In diesem Sinne „Schiff Ahoi!“,
Stephan A. Göbeler (Quelle: Xing Media & Publishing Gruppe)