Wenn man sich gerne als „Druck-Orakel“ präsentiert, scheint es nur logisch, dass man ab und an mal mit einer Frage zum Thema „Zukunft des Druckens“ konfrontiert wird. Klar, ist man bei Faltschachtel-Herstellern geht’s um Schachteln, steht man einem Onlinedrucker gegenüber steht der Onlinedruck im Mittelpunkt und wenn man mit Large-Format-Printern spricht, meist um LFP-Produkte. Und immer ist der Tenor: Wie wird es meiner Branche in Zukunft gehen…
„Meiner Branche“ wird dabei gerne als der jeweilige Teil der Druckindustrie definiert, dem sich mein Gegenüber zugehörig fühlt. Die „Branche“ als Ganzes sieht kaum jemand. Kurioserweise ist dies bei großen Onlinedruckern anders. Zwar wird dort auch in Segmente – also etwa LFP, Offset- oder Digitaldruck – differenziert, die Fragestellung ist aber meist eher: Wie wird Print in Zukunft verkauft?
Und genau dieses Thema treibt mich am meisten um – welchen Stellenwert hat Print in der Zukunft? Wie wird Print verkauft? Welcher Kanal ist der vom Verbraucher am stärksten genutzte Weg Print zu kaufen? Antworten darauf kann wohl wirklich nur ein Orakel bieten – denn niemand kann zurzeit so richtig einschätzen, wo die Reise hingeht. Na ja, selbst ich nicht 😉 Aber es gibt ein paar heiße Themen, die 2018 die Branche beschäftigen werden. Themen, die noch stärker als in den letzten Jahren Einfluss darauf nehmen werden, wie Print künftig verkauft wird.
Allen voran: Mobility. (Ja, ich weiß das schreibt der Zipper immer, aber passen Sie mal auf) – Stärker als in den letzten Jahren wächst das Thema „Smarthome“ (Alexa, Google Home vor allem) und damit auch das Thema „Smartoffice“ im nächsten Jahr. Grund: Es kommen neue, bezahlbare Produkte. Die Zeit des Herumexperimentierens durch Amazon, Google und Co. ist zwar noch nicht zu Ende, aber die Anzahl der Produkte, die per Sprach- und Handysteuerung genutzt werden können, wird größer. Die Konsequenz ist logisch: Das Mobiltelefon wird noch mehr als bisher in den Lebensmittelpunkt rücken, weil der Verbraucher und auch der Businesskunde noch mehr damit tun kann. Das Handy, im B2B-Umfeld eher der ewige „Terminerinnerer“, wird – da es auch privat umfangreicher genutzt wird – mehr und mehr zum Interface ins echte Leben. Klingt schräg – ist aber nur die Konsequenz aus der Menge der Möglichkeiten. Und hier tun sich ein paar Themen auf, mit denen kaum ein Onlineprinter gerechnet hat: Wie kann man Print per Sprachsteuerung z.B. via Amazon Alexa bestellen? Erste Versuche durch mein Team und durch mich selbst, haben zum einen Bestürzung, zum anderen große Belustigung verursacht. Fazit im Jahr 2017: Es geht nicht. Ist einfach noch Murks – oder im Zweifelsfall der verbale Einkauf eines Standard-Visitenkarten-Druckbogen von Amazon. Was aber ist, wenn – und den Beweis tritt Google an – die Sprachsteuerung noch besser wird? Was aber, wenn auch in der Geschäftswelt die Sprachsteuerung einen neuen Platz einnehmen wird? BMW wird in den nächsten Monaten, so hört man, sogar Amazon Alexa im PKW etablieren – vor allem für Geschäftskunden, die das bezahlen können.

Ah. Ich seh‘s schon. Die ersten „Geht-ja-gar-nicht-Rufer“ haben vor zwei Zeilen aufgehört weiterzulesen… Schön, dass Sie dranbleiben. Denn, wie war das vor 10 Jahren mit den ersten Smartphones. Wurde da nicht auch gesagt: Für Print keine Relevanz? Und heute: Viele Print-Abnehmer informieren sich – zu jeder Zeit und an jedem Ort – über die Verfügbarkeit und den Preis von Print. Um später dann eine Entscheidung zu treffen. Was ist denn, wenn dies für die Sprachsteuerung genauso zutrifft? Grund sich hier eine Strategie zu überlegen. Oder?
Nächstes Thema: Marktplätze. Ja, es gibt Visionäre, die schon lange die Idee des Marktplatzes für Print umgesetzt haben. Mehr oder weniger erfolgreich funktioniert dies nur mit der entsprechenden Marktpower. Kleinere Marktplätze müssen ganz schön rudern. Aber – man mag es kaum glauben – den großen Onlineprintern kommt hier eine Schlüsselfunktion zu. Was bitte ist denn die Cimpress-Strategie bzgl. „Coopetition“? Letztlich nichts anderes als ein „Marktplatz“ – der, dominiert von Cimpress, mehrere Druckanbieter unter einem „neutralen Brand“ zusammenbringt. Im Vergleich zu Amazon ist Cimpress dabei sogar noch verhältnismäßig human, was das Thema Margen angeht – lässt jedoch nicht zu, dass der Cimpress-Lieferant gegenüber dem Kunden benannt wird. Verständlicherweise, denn sonst könnte der Endkunde ja direkt an den Lieferanten herantreten. Dennoch: Konzepte wie Gelato und Co. werden in Zukunft noch mehr Käufer finden, da sie lokal, zeitnah und fast allumfassend Print produzieren können. Time-to-Market ist hier nicht nur für den Anbieter von Konsumprodukten ein wesentliches Differenzierungsmerkmal, sondern auch mehr und mehr für den Druckanbieter.
Ebenso immer wichtiger: Prototyping. Neue Technologien machen es möglich – ein Prototyp für fast jedes Produkt lässt sich – vergleichsweise günstig – schnell herstellen. Manche Anbieter, wie Nike, machen daraus ein Geschäft – der individuelle Turnschuh ist für Lauf-Profis fast schon ein „Must-have“. Aber auch für andere Produkte die sich via Additiver Fertigung (auch: 3D-Druck) herstellen lassen, werden immer wichtiger im Entwicklungs- und Testprozess für neue Produkte. Analog dazu kommt es bei jedem Produkt natürlich ebenso auf die Verpackung an. Und genau hier bieten sich im Verpackungsdruck neue Möglichkeiten – Technologien im Sektor Veredelung und Lasercut erschließen neue Potenziale. Und das Besondere: Der Abnehmer zahlt sogar dafür und ist dankbar, dass er keine großen Auflagen produzieren muss, sondern dem Industrietrend „Fail-Fast“ folgen kann.
Genau dies ist auch das nächste Thema: Fail-Fast! Mehr als ein Trend – und für mich eher eine mittlerweile übliche Verfahrensweise in der Entwicklung von Produkten, Softwarelösungen und auch Produktionsanwendungen. Früher vielleicht einmal eher als „Ich-versuchs-einfach-mal“ definiert, lässt sich dieser Ansatz aus der Lean-Philosophie fast für jedes Projekt einsetzen. Vereinfacht erklärt, kann man es auch das Ausprobieren von neuen Verfahren nennen, die nicht umfangreich definiert werden – sondern iterativ, sich der Lösung schrittweise nähernd, umgesetzt werden. Dies kann ebenso in der Produktentwicklung eingesetzt werden: Bevor große Auflagen z.B. eines Druckproduktes für den Eigenvertrieb (z.B. besondere Brandbooks) in einer großen Auflage produziert werden, wird das Produkt in einer kleinen Prototyp-Auflage getestet. Übrigens: Wenn Sie im Produktions-Workflowumfeld arbeiten – hier gibt es dieses Verfahren schon lange. Software-Produkte wie Enfocus Switch lassen das Testen von Produktionsschritten bequem zu. So können Sie neue Verfahren ausprobieren – und siehe da, es klappt wunderbar. Mit dem „Fail-Fast-Prinzip“ geht jedoch nicht nur eine kostengünstige Erprobung einher, sondern es erfordert vom Unternehmer eine neue Art der „Geduld“. Hier steht vor dem Umsetzen dieser Philosophie wohl erstmal ein Kurs für den Herrn Unternehmer im Autogenen Training an, denn mit alten Verfahren (fix definieren, umsetzen, controllen … neu machen) hat dies nur wenig zu tun.
Online-ERP. Für mich das Top-Thema der nächsten Jahre. Warum? Weil ich echt die Nase voll habe meinen Kunden zu erklären, warum dieses oder jenes MIS nicht oder nur teilweise an den Shop anbindbar ist. Warum verstehen die vielen Anbieter von MIS, so nennen sich seltsamerweise ERP-Systeme in der Printindustrie, nicht, dass sie den Ast auf dem sie sitzen absägen, wenn sie sich nicht endlich öffnen oder gar auf eine Cloudumgebung und browserbasierte Anwendungen umstellen? Unternehmen, die mit „Online-ERP“-Systemen arbeiten, haben einen Vorsprung vor allen anderen – sie sind vielleicht nicht zu 100% perfekt – aber dies dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Die Umstellung von klassischen Systemen, die auf Client-Server basieren, hin zum browserbasierten System ist sicherlich kein Katzensprung – ist aber ein wesentliches Merkmal für die Transformation in Richtung Digitalisierung und ein „Must-have“ für alle Unternehmen die transformieren möchten. Hier zeigen Newcomer wie das Produkt Keyline wohin der Hase läuft. Aber das Online-ERP ist auch eine Grundlage für die …

„Intercompany-Network-Production“ – herrliches Wort. Oder? Letztlich bedeutet dies nichts anderes, als dass entlang der Wertschöpfungskette eines Druckproduktes mehrere Unternehmen zusammenarbeiten. Gut. Gibt’s schon. Aber neu ist der Ansatz einer komplett digitalen Umsetzung, sprich einer Online-Vernetzung von Unternehmen und ihrer nahtlosen Zusammenarbeit. Sicherlich für die Druckindustrie zum Teil noch ein Wunschtraum. Selbst große Onlineprint-Unternehmen sind hier nicht vor dem Scheitern gefeit – aber die Technologien sind da und eröffnen so kleineren Unternehmen eine neue Chance im Wettbewerb mit großen Onlineprint-Anbietern. Denn, und das vergessen die großen Anbieter gerne, es geht auch im „Kleinen“ – es muss nicht immer die Mega-Plattform sein. Sind sich die Partner in spe – z.B. ein Digitaldrucker, ein Offsetdrucker und ein Weiterverarbeiterer oder Veredler – einig, kann mit vorhandenen Plattformen schon ein „Intercompany-Netzwerk“ gegründet werden. Durch die Verknüpfung von Prozessen über die Firmengrenzen hinweg, kann so ein Netzwerk schneller kalkulieren, schneller anbieten und schneller produzieren. Wäre ja auch mal ein Ansatz darüber nachzudenken – oder?
Speed-Up! Und was fehlt noch? Nur eine Kleinigkeit… mir fällt immer wieder auf, dass insbesondere die Druckindustrie, in der Umsetzung von neuen Ideen oder Geschäftsansätzen extrem langsam ist. Seltsam, schließlich hält sich gerade die Druckindustrie noch immer für sehr innovativ – aber im Vergleich zu so manchem Startup sind die meisten Drucker im „Turtel-Mode“ (Schildkröten-Modus – die Interpretation der Geschwindigkeit obliegt Ihnen selbst). Ok, eine Maschine ist ratzfatz aufgestellt – aber die Software dazu, das kann dauern. Warum? Weil noch immer viele Drucker denken sie bräuchten keine Digitale Business-Intelligenz (also eine gescheite IT mit eigenen Entwicklungsressourcen) – und so wird alles was man mal schnell umsetzen möchte, schnell zu einem zeitlichen Drama. Davon sind übrigens die großen Onlinedrucker nicht ausgenommen – zwar ist dort (meist) mehr Geld im Topf, aber sobald mal ein Unternehmen die 100 Millionen Euro Umsatz übersteigt, ähneln die Entscheidungswege oft denen einer Behörde. Leider.
Es gibt also eine Menge Trends und eine große Menge Arbeit zu bewältigen für alle die gerne ihr Geld mit Druck verdienen wollen – und dazu gibt es von mir noch eine „Message“: Wenn Ihr es alleine nicht schafft, tut Euch zusammen – denn dann schafft man, jeweils als Spezialist in seinem Bereich, mehr und kann dem Markt Paroli bieten. Also: Drucker aller Länder – Vereinigt Euch! 2018 ist ein Super-Jahr dafür…
In diesem Sinne – Glück auf!
Ihr Bernd Zipper