Nirgendwo anders spielt Express-Lieferung eine größere Rolle als in UK. Ein Traditionsdrucker stellt sich dieser Anforderung und entpuppt sich mit frischem Onlineangebot als aufstrebender Player in einem wachsenden Markt.
Nach meiner letzten Übersicht über den UK-Onlineprintmarkt habe ich mir vorgenommen, einige Player aus dem wirtschaftsstarken Westeuropa nochmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Dem geneigten beyond-print-Leser ist sicherlich auch nicht entgangen, dass Gary Peeling, Managing Director von Precision Printing und WhereTheTradeBuys, auch als Referent beim diesjährigen Online Print Symposium vertreten war. Ein Grund, weshalb ich mit seinem Business starten möchte. Wie Gary den Gang mit seinem Traditionsunternehmen ins Onlinebusiness bestreitet, das habe ich ihn kürzlich gefragt. Seine interessante – und meiner Meinung nach durchaus richtige – Einschätzung des Printmarktes möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.
Bernd Zipper: Für alle in der D/A/CH-Region, die Dich und Dein Unternehmen noch nicht kennen: Was macht Precision Printing mit seinen Onlinemarken aus und wie seid Ihr zum Onlinedruck gekommen?
Gary Peeling: Precision Printing (gegründet 1966) ist ein familiengeführter Druckkonzern mit Sitz in London und einem Umsatz von 30 Millionen Euro. Unser traditionelles Geschäft besteht darin, große Firmenkunden wie American Express mit Drucklösungen für den Bereich Marketingkommunikation zu versorgen.
2007 begannen wir, Online-B2C-Kunden aus den Bereichen Foto, Verlagswesen und Schreibwaren mit integrierten Drucklösungen zu beliefern. Wir entwickelten fortschrittliche automatisierte Lösungen für Arbeitsabläufe, die uns ermöglichten, pro Tag Tausende von Bestellungen entgegenzunehmen und zu verarbeiten: An einem einzigen Spitzentag während der Hochsaison drucken und versenden wir über 50.000 Einzelexemplar-Bestellungen.
Die Sparte W2P im B2C-Bereich ist sehr saisonabhängig. Bei uns standen die Systeme und Ressourcen bereit, um täglich Tausende von Artikeln zu verarbeiten, und wir suchten Gelegenheiten, die eine ganzjährige Benutzung ermöglichen würden. Es ergab sich die Möglichkeit, das Start-up zu kaufen, das WhereTheTradeBuys.co.uk. ursprünglich entwickelt hatte. Es hatte bereits großartige Arbeit geleistet, benötigte jedoch Unterstützung für Version 2 der Website, und wir boten sie ihnen.
Im Februar 2016 unternahmen wir einen Relaunch der Website. Die Dienstleistung richtet sich an Wiederverkäufer und gewerbliche Käufer bei Markenherstellern; die Strategie besteht darin, Kunden zu akquirieren, die regelmäßig Druckdienstleistungen einkaufen. Unser Ziel ist, Angebotserstellung und Platzierung eines Druckprojekts einfach zu gestalten – dass Einfachheit unseren Kunden Zeit spart und ihnen gleichzeitig ermöglicht, uns für 80 % ihres Druckbedarfs einzusetzen – mit einem der umfassendsten Angebote im Internet.
WhereTheTradeBuys wächst jährlich um 90 % und wird bis zum Jahr 2020 50 % des Umsatzes unserer Gruppe ausmachen.

Bernd Zipper: Auf dem Online Print Symposium hast Du auch über die Bedeutung der Regionalität Eures Onlineprint-Angebots gesprochen. Zählt dabei mehr der lokale Spirit oder eher die höchste erreichbare Liefergeschwindigkeit – oder sogar beides?
Gary Peeling: Liefergeschwindigkeit wird den entscheidenden Unterschied machen, zwischen Kunden, die Druck nutzen gegenüber denen, die ihn nicht nutzen. Wir alle verstehen, dass sie heutzutage aus einem breiten Medienangebot wählen können. Einfacher Bestellvorgang, hervorragender Mehrwert und Schnelligkeit bilden die heilige Dreifaltigkeit für Onlinedruck-Anbieter.
Kürzlich haben wir in eine neue, gut 5.500 Quadratmeter große Anlage außerhalb von London, dem größten Druckmarkt im Vereinigten Königreich, investiert. Damit können wir sowohl für WhereTheTradeBuys- als auch für unsere B2C-Kunden in der Stadt am selben Tag drucken und versenden.
Ihre Lage wird für den Erfolg immer wichtiger, während Ihre Website, Ihre Maschinen und die Vermarktung des Premium-Gefühls auch im Druck eine Rolle spielen; und wir werden bereit sein.
Bernd Zipper: Und wer ist Jane?
Gary Peeling: Jane ist unsere fiktive Kundin, die wir nutzen, um unsere Dienstleistungen und Lösungen zu planen. Sie ist 24, ging noch zur Schule, als das iPhone auf den Markt kam. Sie lädt Apps herunter und liest keine Anleitungen. Sie kann soziale Medien- und E-Mail-Kampagnen von ihrem Desktop aus organisieren. Sie holt nicht gern Kostenvoranschläge ein, sondern fühlt sich online viel wohler.
Jane will nicht die Sprache der Drucktechnik sprechen. Sie will Druckdienstleistungen nutzen und tut dies umso mehr, je leichter wir ihr das machen.
Es sind Kunden, die das rasante Wachstum des Onlinedruckmarkts im Vereinigten Königreich vorantreiben.
„Precision Printing hat mit seiner Onlinemarke WhereTheTradeBuys seit dem Re-Launch vor zwei Jahren vieles richtig gemacht. Man sieht also: Auch als analoger Drucker kann man zeitgemäß handeln und sich auf den Markt einstellen, unabhängig von der geographischen Lage.“ – Bernd Zipper
Bernd Zipper: Einige Drucker fürchten den Gang ins Onlinegeschäft, weil sie nicht die notwendige Effizienz besitzen…
Gary Peeling: Bei Web-to-Print handelt es sich in Wirklichkeit oft um Web-to-Nirgendwo. Der Erfolg eines Onlinedruck-Unternehmens sollte mit dem Backend beginnen, ein System und Lösungen entwickeln, um Bestellungen automatisiert zu verarbeiten. Diese Effizienz ist die Verknüpfung des Produkts mit Ihrem Frontend und damit das Rezept für echten Erfolg. Inzwischen ist es weitaus einfacher, Ihren Arbeitsablauf mit cloudbasierten Lösungen zu automatisieren, die sich schnell einsetzen lassen, ohne den herkömmlichen Investitionsaufwand.
Bernd Zipper: Ihr habt in Sachen Digitalisierung und Workflow-Automatisierung einen besonderen Weg eingeschlagen. Wie genau verlief dieser?
Gary Peeling: Als wir begannen, Partnerschaften mit Fotokunden einzugehen, gab es keine automatisierten Arbeitsabläufe, also entwickelten wir unsere eigenen. Vier Jahre später nach unseren Feldversuchen und -entwicklungen waren wir überrascht, dass die Marktlücke und Nachfrage am Markt weiterhin bestanden; wir gründeten Oneflow Systems und brachten die Anwendung in die Cloud. Nun können Kunden die Vorteile einer Lösung genießen, deren Entwicklung viele Millionen Pfund kostete, und sie monatlich gemäß ihrer tatsächlichen Nutzung zahlen. Mit automatisierten Arbeitsabläufen werden Internetbestellungen am profitabelsten, und vor allem werden sie dem Geschäft ermöglichen, skaliert zu wachsen; unserer Software ist auf PrintOS SiteFlow von HP verfügbar.
Bernd Zipper: Was unterscheidet Deiner Meinung nach den deutschen vom UK-(Online)Printmarkt?
Gary Peeling: Wie gewöhnlich sind die Briten bisher langsamer darin, sich für eine gute Sache zu erwärmen. Dafür ist der Übergang zum Onlinedruck nur ein Beispiel. Während die Druckmärkte insgesamt mit dem Online-Element ungefähr gleichauf liegen, beträgt dieser Anteil im Vereinigten Königreich 25 % des deutschen. Inzwischen jedoch wächst er schnell, und ohne einen „bedeutenden“ Marktführer sind die sich bietenden Chancen beträchtlich.
Heute treiben die Vorteile von Onlineangeboten das Wachstum stärker als nur niedrige Preise. Die Kunden der neuen Generation, wie Jane, erledigen Dinge gern über das Internet und beziehen ihre Dienstleistungen nun von immer raffinierteren Anbietern mit Sitz hier im Vereinigten Königreich.

Bernd Zipper: Und wie schätzt Du die Zukunft des UK-Onlineprintmarktes ein?
Gary Peeling: Ich bin schon seit über 30 Jahren im Druckgeschäft und habe noch keinen Markt so schnell wachsen sehen. Innerhalb von fünf Jahren wird er so groß sein wie der deutsche Markt und dabei die Vorteile der Printnutzung einer neuen Generation von Kunden nahebringen, die diese Branche braucht.
Bernd Zipper: Ihr deckt mit Marken für Akzidenzen, Fotodruck etc. direkt mehrere Felder ab. In welche Richtung gehen die nächsten Investitionen?
Gary Peeling: Gerade erst haben wir unsere größte Investition abgeschlossen: eine neue Fertigungsstätte, um Lean-LED-UV-Offset-Technik und spezielle Oberflächenveredelung sowie Robotertechnik für Prozesse wie Verpackung zu unterstützen.
Wir haben ein neues System im Betastadium, das an der Decke angebrachte Kameras/Sensoren („Eyes in the Sky“) nutzt, die Barcodes auf Produkten scannen können, während diese sich in der Fabrik umherbewegen. Wir werden also die genaue Position jeder Bestellung kennen, selbst wenn sie sich gerade zwischen zwei Stationen befinden. Das ist wirklich aufregend.
Bernd Zipper: Wie wichtig sind Partnerschaften für den Erfolg im Onlinebusiness? Kannst Du etwas über Eure Kooperationen verraten?
Gary Peeling: Zusammenarbeit ist unsere wichtigste Strategie, für eine Branche, die traditionell wenig von sich preisgibt. Wir sind den umgekehrten Weg gegangen: Wir teilen und sind offen. Damit schafft dieser Ansatz nicht Risiken, sondern Chancen.
Es begann mit einer engen Zusammenarbeit mit HP, insbesondere führten wir für das Unternehmen Betatests durch, hosteten seine Kunden und beteiligten uns an Kooperativen wie Dscoop. Dabei begannen wir, Partnerschaften mit Marken auf der ganzen Welt einzugehen, darunter mit Photobox, Zazzle, Papier und vielen mehr.
Das Internet ermöglicht jedem Druckunternehmen, zur Erweiterung der Lösung seines Kunden zu werden. Das ist ein moderner Ansatz, aber er funktioniert so gut, dass wir sogar für Marken drucken, die mit WhereTheTradeBuys im Wettbewerb stehen – sie gewinnen und wir gewinnen gemeinsam.
Bernd Zipper: Wenn Du drei Wünsche für die Zukunft des UK-Onlineprints hättest, wie würden diese lauten?
Gary Peeling: 1. Er zerstört den Mythos, dass Druck teuer ist. 2. Er zerstört den Mythos, dass Druck langsam ist. 3. Er zerstört den Mythos, dass es schwierig ist, Druck zu nutzen. Tun Sie das, und die gesamte Branche wird davon profitieren. Digital liebt Print!
My Take: Erfahrung aus den rein analogen Zeiten in der Druckindustrie zahlt sich aus, vor allem wenn man wie Gary Peeling die Erfordernisse kennt, versteht und sein Geschäftsmodell entsprechend anpasst. Weitere, zum Teil kleinere Standorte nahe der Nachfrage-Hotspots und strategische Partnerschaften bilden ein wichtiges Vehikel für den Onlineprint-Erfolg – und da unterscheidet sich der UK-Onlineprintmarkt kaum vom D/A/CH-Markt. Leider ist es so, dass nur manche Player es erkennen. Um es aber nochmal eindrücklich mit den Worten von Gary Peeling vom Online Print Symposium 2018 zu sagen: „It´s never too late to join a growing market“. Und wer das nicht erkennt, dem kann ich auch nicht helfen.
