Als uns Mitte März geraten wurde, soziale Distanz zu wahren, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, als am Tag darauf Schulen und öffentliche Gebäude fürs Publikum geschlossen wurden, die Büros verwaisten, weil die Mitarbeiter zu Tausenden ins Homeoffice geschickt wurden und auch Industriebetriebe ihre Bänder stoppten, kam das öffentliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben schlichtweg zum Erliegen. Einen solchen Lockdown hat es wohl noch nie gegeben. Dass auch die Grenzen zu den Nachbarländern geschlossen wurden, malte das Bild nur noch düsterer.
Auch Druck und Medien leiden unter der Krise. Das Bittere daran: Die Druckbranche ist durch ihre starke Vernetzung mit anderen Branchen und der daraus resultierenden Abhängigkeit als Dienstleister massiv betroffen. Erhebliche Umsatzeinbußen zeichnen sich ab. Und zu allem Überfluss wird Print als sogenannte nachgelagerte Industrie die Konsequenzen des Lockdowns selbst dann noch spüren, wenn sich andere Wirtschaftszweige bereits wieder erholen. Umso wichtiger ist es zu wissen, wie stark sich diese Effekte auf die Druckindustrie und ihre Sparten auswirken.
Trendbarometer
Doch an Zahlenmaterial mangelte es bis vor wenigen Tagen. Als erster hatte der Verband Druck & Medientechnik in Österreich Ergebnisse einer Umfrage Mitte April veröffentlicht. Danach verzeichneten 90% der Druckereien Umsatzrückgänge, ein Drittel nannten einen Rückgang zwischen 30% und 50%, ein weiteres Drittel zwischen 51% und 80%. Nur 14% hatten schon im März nahezu einen Totalausfall. Auch hier kämpfen die Druckereien mit dem Ausbleiben von Aufträgen (98%), stornierten Aufträgen (70%) und offenen Rechnungen (29%).
Für das zweiten Quartal sieht es noch übler aus. Hier stellen sich 31% der Druckereien auf einen Umsatzeinbruch zwischen 31% und 50% ein und 50% erwarten ein Minus zwischen 51% und 80%. 90% der Druckereien haben Kurzarbeit angemeldet, 42% Förderungen beantragt, 10% mussten bereits Mitarbeiter entlassen und 60% haben ihren Vertrieb ins Homeoffice geschickt.
Eine ebenfalls interessante Informationsbasis haben die sourc-e GmbH und der f:mp. (Fachverband Medienproduktion) für Druckereien und Drucksacheneinkäufer initiiert. Die Teilnahme an der Umfrage und die Registrierung für die Ergebnisse ist auf der Website von sourc-e möglich. Die Ergebnisse werden wöchentlich in einem Trendbarometer zusammengefasst und zeigten nach den ersten Befragungswochen für den Rollen- und Bogenoffset sowie den Digitaldruck, dass Bestellungen und Produktionen im Vergleich zu den ursprünglich geplanten Volumen zwischen 45% und 60% zurückgingen.
94% melden Umsatzeinbußen
Und auch der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) hatte zu einer Online-Befragung aufgerufen, die bis 26. April 2020 lief, und deren Ergebnisse schon vorliegen. 653 Druckereien nahmen an der Umfrage teil, wovon 78% weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigen und 18% mittelständisch sind. Das entspricht der Struktur der Branche. Rund 68% der teilnehmenden Unternehmen sind überwiegend im Werbe- und Akzidenzdruckbereich tätig. Auch das ist typisch, zugleich aber verhängnisvoll.
94% der Unternehmen sind von Auftragsrückgängen und Stornierungen betroffen, 75% sogar stark. Ein Drittel der Unternehmen rechnet im zweiten Quartal 2020 mit einer Halbierung des Umsatzes gegenüber dem Vorjahresquartal. Weitere 37% erwarten Umsatzverluste von 26% bis 50%. Kurzarbeitergeld und staatliche Soforthilfeprogramme waren bis zum Ende des Befragungszeitraumes die wichtigsten Krisenhelfer.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Bedarf an Krediten mit der Dauer der Krise zunehmen wird. Denn die bvdm-Umfrage zeigt, dass unter den aktuellen Umständen nur jedes fünfte Unternehmen seine Existenz bis maximal Ende Juni 2020 aufrechterhalten kann, weitere 24% gaben an, bis in den Juli durchhalten zu können. Damit würde sich im Sommer die Anzahl der Betriebe im schlimmsten Fall nahezu halbieren.
Und noch etwas könnte verheerende Auswirkungen auf die Struktur der Branche haben. Sollte es so sein, dass jetzt schon viele Unternehmen so gut wie am Limit sind und trotz Facharbeitermangel Personal abbauen müssten, wenn Projekte verschoben oder Investitionen gestrichen werden müssten, würde sich die Branche selbst lahmlegen, weil sie ihre Kunden nach deren Neustart nicht angemessen bedienen könnte. Mit fatalen Folgen.
„Der Umsatz bricht ein, die Stimmung ist im Keller: Die Corona-Krise trifft Druckereien und Onlineprint mit voller Wucht. Sollte sich der Umsatzeinbruch auf ähnlichem Niveau fortsetzen, wird es für viele Firmen eng. Die Liquiditätsreserven reichen bei fast der Hälfte der Unternehmen nur noch bis Juni. Und dann?“ – Bernd Zipper.
Heidelberg stellt Print Media Industry Climate Report vor
Die vorstehenden Zahlen lassen erste Einschätzungen zu, da sie weitestgehend deckungsgleich sind. Mit dem Print Media Industry Climate Report bietet Heidelberg jetzt eine wöchentlich aktualisierte Karte, die die Entwicklung des Druckvolumens für die weltweiten Verpackungs- und Etikettenmärkte sowie den Akzidenzdruck zeigt. Da Heidelberg zwischen den Segmenten Verpackung und Akzidenz unterscheidet, werden die bisher eher pauschalen Zahlen präziser.
Die interaktive Karte auf der Heidelberg-Homepage erlaubt es, sich einzelne Länder genauer anzusehen und die Werte zu vergleichen. Basis für diesen Report sind rund 5.000 Offsetmaschinen aller Formatklassen, die mit der Heidelberg Cloud verbunden sind und täglich Datensätze und Maschinenlogs senden. Dieser eigentlich für Service-Einsätze und Benchmarks genutzte Datenpool macht auch die Auslastung der Betriebe transparent und erlaubt jetzt eine Einschätzung der aktuellen Lage.

So werden für rund 50 Länder aktuelle Daten ermittelt und auf einer Weltkarte dargestellt. Die auf der Länderkarte gezeigten Farben sind Indikatoren dafür, wo die aktuelle Produktion in Druckereien im Vergleich zum Vorjahr liegt. Die Skala geht von 1,0 (schwerwiegende Auswirkungen von COVID-19 auf die Produktion) bis 8,0 (Produktion über dem Niveau des letzten Jahres), wobei 7,0 die Produktion auf dem Niveau des letzten Jahres darstellt.
Die wichtigsten Erkenntnisse des Reports
- Während der Corona-Pandemie fiel die Druckproduktion in China um bis zu 80% im Vergleich zum normalen Volumen, erholte sich aber mit dem Absinken der Infektionskurve und erreicht heute sowohl im Akzidenz- als auch im Verpackungs-/Etikettensegment wieder das Vorjahresniveau.
- Das Verpackungs- und Etikettensegment scheint in der Corona-Zeit stabil, was hauptsächlich auf die steigende Nachfrage nach Lebensmittel- und Pharmaverpackungen zurückzuführen ist. Dennoch wirken sich lokale Versorgungsprobleme wie etwa die Einstellung der Papierproduktion in Indien in einigen Ländern negativ auf dieses Segment aus.
Auch für die Länder der D/A/CH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) zeigt sich beim Verpackungsdruck ein einheitlicher Wert von 7,0. Das bedeutet, dass die Verpackungsdrucker in etwa auf dem Niveau des Vorjahres arbeiten.
- Im Akzidenzdruck war die Druckproduktion bis Mitte März 2020 stabil oder lag über dem Niveau der Vorjahre. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und dem Lockdown in den einzelnen Ländern hat sich das Druckvolumen insbesondere im Akzidenzmarkt weltweit deutlich reduziert.
Hart betroffen sind Deutschland, Österreich und die Schweiz. Für alle drei Länder weist der Heidelberg-Report nur noch 40% des normalen Produktions-Levels aus. Der Score-Wert für D wird mit 1,8 angegeben, da einige Betriebe einen Komplettausfall registrieren. Mit 2,1 (A) und 2,2 (CH) sieht es bei den Nachbarn nicht viel besser aus. Wöchentliche Aktualisierung finden Sie hier.
