Kein Zweifel. Das Online-Druckgeschäft hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor innerhalb der Druckindustrie entwickelt. Und wer in Zukunft kein vernünftiges Online-Modell in punkto Kundenkommunikation und Auftragsabwicklung implementiert hat, wird sich schwer tun, sein Geschäft zu erhalten. Genau zu diesen Themen stellte ich mich den Fragen von Michael Seidl, PRINT & PUBLISHING Österreich und dieses Interview möchte ich mit den beyond-print.de-Lesern teilen.
Interview mit PRINT & PUBLISHING Österreich (PDF Version)
Hat sich das Online- Druckgeschäft in Europa so entwickelt, wie Sie sich das schon vor Jahren vorgestellt haben? Wenn ich mich recht erinnere, hatten Sie schon im Jahr 2007 eine Studie zu dem Thema.
Europa ist groß, und die Art und Weise, wie E-Business Print – so nennt sich die Klammer um all die E-Services und E-Commerce – genutzt wird, ist sehr unterschiedlich. In D/A/CH hat sich Online- Druck besser entwickelt, wie erwartet: Im Jahr 2014 wurden erstmals, so unsere Zahlen, 5,1 Milliarden Euro im Bereich Online- Druck und E-Business Print umgesetzt. Wenn man bedenkt, dass der gesamte Druckmarkt in D/A/CH im letzten Jahr bei 22,8 Milliarden Euro lag, kann man schon davon sprechen, dass diese Art des Vertriebs und der Produktion eher wächst. Oder genauer: Während die Online-Drucker in D/A/ CH im letzten Jahr knapp 18 Prozent mehr Umsatz gemacht haben, ist der Umsatz der reinen analogen Drucker um knapp 4,1 Prozent gesunken.
Ist Europa – was die Entwicklung des Geschäftes betrifft – gleichauf mit anderen Regionen wie etwa den USA oder Australien bzw. gibt es Unterschiede in Europa selbst?
D/A/CH ist schon recht agil. Vorreiter für Online-Print ist aber, schon allein aufgrund der Fläche des Landes und der Affinität zu E-Business, die USA. In Nordeuropa und UK ist Online Print ebenso längst etabliert, in den südlichen Ländern Europas wird es noch ein wenig dauern. Spannend ist der Markt in Polen und Tschechien, dort gibt es noch gute Möglichkeiten sich als Player zu etablieren.

Es gab in letzter Zeit – genauer gesagt durch Cimpress – einige Übernahmen. Hat der Konzentrationsprozess in Wirklichkeit erst begonnen, und was erwarten Sie in dieser Hinsicht?
Es wird eine spannende Zeit. Die großen Online-Drucker wissen genau, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann uneffektive Druckunternehmen den derzeitigen Preiskampf nicht mehr mitgehen können und sorgen daher jetzt dafür ihre Strukturen zu stärken. Dies wurde in der Vergangenheit durch Eigenentwicklungen und eigene Werke getan. Jetzt, wo aber genügend Kapital für Online Printer im Markt verfügbar ist, wird es vermehrt zu Aufkäufen von intelligenten und effizienten mittleren Druckunternehmen kommen. Wer nun aber denkt »Hurra, ich verkaufe meine Bude an einen Online Printer…« wird aber enttäuscht werden. Die großen Anbieter kaufen nur die Unternehmen, die schon kluge Systeme haben und haben kein Interesse an Maschinen, sondern ausschließlich an Kunden und gescheiten IT-Systemen oder eben an erfolgreichen Onlineshops. Man mag es kaum glauben, aber das sind derzeit die Fakten. Auch die »großen Anbieter« haben noch nicht alle Marktpotenziale gehobe, denn auch sie müssen noch einige Hausaufgaben zu machen. Auf jeden Fall ist es einfacher zu wachsen wenn fertige Geschäfte übernommen werden können, als ein analoges Geschäft zu kaufen dieses dann mühsam in Richtung digital zu transformieren.
Im Vergleich zu den großen »Druckfabriken« tun sich kleinere und mittlere Unternehmen oft noch schwer ins Online-Druckgeschäft einzusteigen. Was ist Ihre Empfehlung dazu? Braucht es clevere Ideen in dieser Hinsicht? Woher nehmen diese Unternehmen die nötigen Kenntnisse und das dafür nötige Personal?
Die Zeit für einen Quick-Win, also einen schnellen Einstieg, ist vorbei. Und ich erinnere mich oft an einen Vortrag von mir im Jahr 1999, in dem ich damals das Thema Online Print als kommendes Geschäftsmodell vorgestellt habe und anschließend vom Moderator und Publikum für einen Spinner gehalten wurde. Ungeachtet dessen, dass ich vielleicht sogar einer sein mag – jetzt noch mal »schnell« einzusteigen, ist fast unmöglich. Das Rezept ist nun ein anderes: Drucker müssen ihre Geschäfte »umbauen«, oder noch besser transformieren und Online-Vertriebswege erschließen. Man muss nicht zwingend einen Onlineshop haben, wichtig sind neue Wege für den Onlinevertrieb von Drucksachen und Leistungen drum herum. Daher ist meine Empfehlung: Drucker baut eure Unternehmen um in Geschäfte, in denen ein Kunde der – verwöhnt von der bunten Online-Welt – gerne einkauft. Macht euch transparent, kooperiert, arbeitet mit erfolgreichen Online Printern zusammen. Es gibt Wege und unfassbar viele Chancen!
Würden Sie meinen, dass Unternehmen, die nicht in das Online-Druckgeschäft einsteigen, nicht überlebensfähig sind?
Das kommt darauf an, wie sie das Online-Druckbusiness verstehen. Ich verstehe darunter zwei Sachen: a) Online-Druckereien und b) Online-Vertrieb von Drucksachen. Und Plan B – also die Erschließung von Online-Vertriebswegen ist für jedes Druckunternehmen überlebenswichtig. Ohne Print-Portale, Beschaffungs-Plattformen, Online-Systeme, Schnittstellen usw. wird es in Zukunft nicht mehr gehen.
Wie viel Prozent der Druckereien in der D/A/CH/ Region betreiben ein Online-Druck Modell?
Richtige Online-Drucker, die nur Online-Druck betreiben, sind in D/A/CH rund 140 Unternehmen in unterschiedlichen Größen – nicht jeder macht gleich 1,4 Milliarden wie Cimpress zum Bespiel. Insgesamt gibt es aber über 1.600 Shops – davon sind aber nur etwa 160 bis 200 Shops marktrelevant.
Gewinnen aber unterm Strich dann nicht doch immer die Großen?
Klar. Wer das schnellere Auto hat, kommt schneller ans Ziel. Die Druckindustrie wird zwar transformieren, aber nicht verschwinden. D.h. wer jetzt ein wenig langsamer fährt – um in dieser Metapher zu bleiben – der kommt auch ans Ziel. Der Markt, der im Moment nur zu etwa 10 bis 20 Prozent von Druckfabriken beherrscht wird, wird sich verändern. In 2020, so unsere Prognose, werden 50 Prozent des Marktes von Druck-fabriken bedient, 30 bis 35 Prozent sind Drucker mit Spezialisierung oder besonderen Nischen und 10 bis 15 Prozent werden alte Handwerkskunst und Spezialdruck pflegen. Aber alle haben eines gemeinsam: Neben dem normalen Vertrieb haben alle auch einen Online-Vertriebsweg.
Das Engagement in Online-Druck führt in erster Linie auch zu einer Verbesserung der Prozesse und Abläufe in den Unternehmen. Schon aus diesem Gesichtspunkt sollte man sich damit beschäftigen?
Ohne effiziente Abläufe braucht man als Online-Printer nicht antreten. Und der Grund ist simpel: Ich kann ohne optimale Prozesse nicht wettbewerbsfähig anbieten. Aber, wenn wir ehrlich sind, gilt das für jeden Druckanbieter.
Was erwarten Sie im Bereich Web-to-Pack an Entwicklungen und wie werden Verpackungsunternehmen darauf reagieren?
Sensationell, was da schon möglich ist. Ich meine jetzt nicht die Lösungen, die uns belgische Hersteller bescheren, sondern das, was die kleinen Online Print Softwareanbieter da anschieben. Ich habe jüngst eine Lösung gesehen, mit der man einen Karton live gestalten kann und danach sich die »Kiste« im Browser betrachten lässt – das via Web. Und ich rede jetzt nicht von irgendwelchen Demos, sondern von industriell nutzbaren Lösungen. Und so wird nun auch nach dem kommerziellen Druck auch der Verpackungsdruck revolutioniert. Die Disruption der althergebrachten Geschäftsmodelle durch neue Methoden, basierend auf den Mechanismen von Industrie 4.0, werden vor keinem Bereich unseres Lebens halt machen.
„Ich kann ohne optimale Prozesse nicht wettbewerbsfähig anbieten.“ – Bernd Zipper
Als Vorsitzender der Initiative Online Print vereinigen Sie da eher die Großen der Branche oder werden kleine Unternehmen hier auch gehört.
Es ist in der IOP wie im Internet: Es zählen Relevanz und Vertrauen. In der IOP sind Unternehmen, die zusammen weit über 2 Milliarden Euro, etwa Cimpress, CEWE, Onlineprinters usw., via Online Print und E-Business Print Modellen umsetzen, aber in der Diskussion intern spielt die Größe eines Unternehmens eine untergeordnete Rolle. Wer bereit ist, im positiven Sinne mit den aktiven Unternehmen in der IOP an einem Tisch zu sitzen und den Online Print mitgestalten möchte, ist immer herzlich willkommen. Wir sind aber keine Einkaufsgemeinschaft oder ein Klüngelkreis – die IOP nimmt die Interessen der Online Printer in D/A/CH wahr und wird den Bereich der Interessensvertretung, so ein aktueller Beschluss, weiter ausbauen. Neben den großen Unternehmen sitzen auch kleine und mittlere Unternehmen am Tisch – denn Online Print ist nicht nur Sache der großen Anbieter. Die IOP ist nur ein Spiegel des Marktes.
Was meinen Sie dazu, dass Deutschland und Österreich beim Eurovision Song Contest in Wien keine Punkte erhalten haben?
Naja, wenn wir mal ehrlich sind, das Thema Fröhlichkeit, Humor oder Poesie wurde von den Titeln der österreichischen und deutschen Vertreter nicht unbedingt bedient – daher kann es auch mal in diese Richtung gehen. Ich persönlich hätte unseren beiden Ländern für die »Leistung« wohl auch keinen Punkt gegeben. Und wer will schon Punkte aus Mitleid?
Druckereien, die nicht Online-Druck betreiben wollen, sollten auch null Punkte erhalten?
Inhaber von Druckereien, die sich mit dem Thema noch nicht aktiv auseinandersetzen, sollten sich mal umdrehen, dann sehen sie von allein, wie heftig der Kittel schon brennt. Es gibt für fast jeden Drucker einen Weg in die Online-Welt, aber dieser Weg muss erarbeitet werden.
Bernd, vielen Dank für das Gespräch.
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