Ohne Zweifel – die drupa 2016, das ehemalige Mekka der Druckindustrie, war ein erfolgreicher Event. Auch wenn die Branche wieder neuen Mut gefasst hat und bestellt wurde wie schon lange nicht mehr – irgendwie ist die Strahlkraft der Messe aber dahin – warum nur?
Ja – ich war auch da, hat man hoffentlich gemerkt. Unser Projekt mit der HdM Stuttgart, die „Real Innovation Seekers“, hat gut funktioniert und wir konnten auf beyond-print.de über einige Innovationen berichten. Neben meinen täglichen Vorträgen auf dem Stand von CloudLab, hatte ich unzählige Termine und die Gelegenheit mit unfassbar vielen Menschen zu sprechen – und das, obwohl meine Bereiche „E-Business Print“ und Online-Print nur mäßig vertreten waren. Zwar waren einige Lösungsanbieter vor Ort – aber viele Anbieter aus dem Software-Sektor habe ich nur als Besucher angetroffen.
Und das machte mich dann doch irgendwie stutzig. Auf meine Frage, warum denn nicht ausgestellt würde, kam meist die klare Antwort: Hier machen wir kein Geschäft – unsere Kunden treffen wir im Netz. Auch viele Mitglieder der Initiative Online Print e.V., der ich ja vorsitzen darf, blieben der Messe schlicht fern, oder waren nur „schnell mal für einen Tag da“. Die Mitglieder der IOP die auf der drupa ausgestellt haben – in erster Linie Kollin, Trivet.net und Obility – zeigten sich jedoch recht zufrieden. Benny Landa, Stephan Plenz von Heidelberg und andere Branchenleader aus dem Maschinenbau – waren ebenfalls hochzufrieden. Stellt sich die Frage: Was ist passiert? Warum ist die drupa für die einen schlicht uninteressant, obwohl sie Teil der Branche sind, und für andere das absolute Highlight? Gut, es gab zahlreiche Megadeals auf der Messe: Shutterfly (25 HP Indigo 12000), Cimpress (Erneuerung der B2-Maschinen und Partnerschaft mit Landa) usw. – aber diese Deals sind meist vorab schon klar und werden nur auf der drupa verkündet. Und mal ehrlich: Die großen Jungs hätten auch ohne die drupa gekauft, weil sie rapid schnell wachsen und die Maschinen einfach brauchen. Aber warum waren einige der Print-Cloud-Anbieter nicht vor Ort? Warum sind grad einige der innovativen Softwareanbieter der Messe fern geblieben, obwohl sich dort doch ihre Kundschaft in spe tummelt?

„Ohne Zweifel werden die Themen Print 4.0 und Inkjet die nächsten Jahre bestimmen. Mit der Umsetzung sollte man aber nicht bis zur drupa 2020 warten!“ – Bernd Zipper
Ich glaube es liegt daran, dass sich die drupa längst hätte neu erfinden müssen und die Messe grade bei jungen, innovativen Softwareanbietern für den Onlinedruck schlicht keinen Stellenwert hat – oder noch schlimmer – unbekannt ist. Ohne Zweifel – was die Kollegen da mit dem drupa-report (Print, Online und App) veranstaltet haben, ist wirklich herausragend. Auch die Pressearbeit lief wie am Schnürchen – aber was ansonsten geboten wurde, war nicht wirklich neu oder innovativ. Business as usual – für eine Messe im Vier-Jahres-Takt im Internetzeitalter echt kontraproduktiv. Da mag man sich schon fragen, ob das ausreicht neues, jüngeres Publikum und Aussteller aus dem E-Business Umfeld zu begeistern. Nicht das man mich da falsch versteht, das was Ira Melaschuk im drupa innovation park gemacht hat, verdient Anerkennung – ist aber im Rahmen der Bedeutung von Web-to-Print und E-Business Print nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Nun komme ich nicht umher mich zu outen – ja, mein Herz schlägt immer noch für die drupa und gerade weil ich bis 2008 zum drupa-Team gehörte, stimmt es mich eher traurig, dass die drupa durch „Nicht-Innovation“ zu einer 08/15-Messe wird. Zumindest was neue Zielgruppen angeht. Die Kalkulation der Messe Düsseldorf mag da durchaus aufgehen – aber hier geht es auch darum, wo und wie sich die Branche trifft.
Klug war es die Hallen 7 und 7a als „Software-Hallen“ auszuprägen und so waren die führenden Anbieter der „E-Business Print Ecomomy“ Chili, Hybrid, Cloudlab, sowie zahlreiche MIS-Anbieter dort zu finden. Aber Branchengrößen aus dem Bereich Marketing-Automation, wie etwa Brandmaker, Teradata oder auch Adobe (ja, auch die sind in diesem Bereich jetzt aktiv) blieben der Messe fern. Ebenso wichtige Support-Partner für den Online-Print wie z.B. Hubspot waren nicht zu finden. So bleibt es dem Online-Printer nur sich künftig weiter auf der Co-Reach, Dmexco und Co. zu informieren – die Unternehmen die erst in den Onlineprint einsteigen, werden dies leider erst später merken, dass wichtige Player nicht auf der drupa waren.

So euphorisch wie manche Maschinenhersteller ihren (meist erfolgreichen) Start ins Inkjet-Zeitalter feiern konnten und gescheit Umsatz machten, so zwiespältig bleibt das Feedback mancher Besucher. Während einige, ältere Besucher auf der Suche nach dem „alten drupa-Spirit“ waren – freuten sich andere, dass sie – Dank der Softwarehallen – mal über den Tellerrand schauen konnten und dort Inspiration fanden.
Kernthemen für mich auf der drupa 2016 waren vor allem „Print 4.0“ – angelehnt an Industrie 4.0 (ein Gummikonzept das mich eigentlich so langsam anödet), digitale Weiterverarbeitung und natürlich Inkjet. Print 4.0 ist überhaupt das Thema der nächsten Jahre: Denn endlich haben auch die großen Anbieter verstanden, dass es mit ein bisschen Vorstufensoftware für Automatisierung nicht getan ist, sondern das neue Konzept her müssen. Heidelberg und HP sind hier klar in der Pole-Position. Und gerade Heidelberg hat ein Konzept vorgestellt, dass (natürlich) in Verbindung mit der richtigen Maschine fast eine autonom arbeitende Druckerei realisieren wird. Gut, es mag noch einige Zeit dauern bis alles so richtig rund läuft. Aber der Ansatz ist richtig und ich würde mir wünschen, dass auch andere Anbieter in diese Richtung entwickeln würden – und nicht nur ein paar drupa-Raketen steigen lassen.

My Take: Und so zeigt die drupa 2016 durchaus auf, was in den nächsten Jahren passieren wird: Wer nicht automatisiert und wirklich die Performance seiner (möglichst neuen) Maschine ausnutzt, wird im Preisrennen nicht mehr mithalten können. Print 4.0 ist nichts anderes als die Botschaft an die Branche, das ein neues Zeitalter eingeleitet wird – das Zeitalter der Auflage „N“, dank Inkjet unabhängig von der Auflagenhöhe, aber auch das Zeitalter der „autonomen Druckerei“ in der der Drucker zum Bediener wird. Beides wird ein harter Knochen für die „manuell“ denkende Druckindustrie – denn künftig gestaltet derjenige den Markt der nicht nur schneller und günstiger anbieten kann, sondern der Anbieter der unabhängig von der Auflagenhöhe günstige Preise anbietet. Hier steht vor allem Inkjet im Mittelpunkt: Dieses Verfahren wird, sobald die Tinten günstiger und die Köpfe noch stabiler werden – Offset ablösen. Zumindest bis zu Auflagenhöhen zwischen fünf- und zehntausend. In Zeiten sinkender Auflagen weiß wohl jeder was das bedeutet. Freuen wir uns also auf die drupa 2019, ähm – sorry, 2020 – spätestens dann werden wir sehen, was die großen Anbieter aus dem Thema Print 4.0 machen werden. Vielleicht fällt uns ja bis dahin mal ein gescheiter Begriff dafür ein.
DiscussionEin Kommentar
Pingback: Print 4.0 – Die Zukunft des Drucks | Technik-Monster